Mara und der Feuerbringer. Tommy Krappweis

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Mara und der Feuerbringer - Tommy Krappweis страница 4

Mara und der Feuerbringer - Tommy Krappweis

Скачать книгу

Mara hatte sich meistens verdammt gut unter Kontrolle. Nein, sie war kein Mädchen, das kreischend und mit den Armen rudernd auf und ab rannte.

      Im Augenblick aber starrte Mara mit einem selten dümmlichen Gesichtsausdruck auf den Zweig in den Haaren ihrer Mutter und die Möglichkeit, kreischend die Straße auf und ab zu laufen und dabei mit den Armen zu rudern, erschien ihr als eine interessante Alternative.

      Hatte sie gerade doch wieder einen Tagtraum gehabt? Ein sprechender Zweig, ja, das wäre typisch für sie. Klar, das musste es gewesen sein, sie war einfach nur noch mal kurz rückfällig geworden. Das konnte schon mal passieren, wenn man sich so von jetzt auf gleich total umkrempelte. Und ein Tagtraum musste es auf jeden Fall gewesen sein, denn schließlich sprach der Zweig jetzt kein Wort mehr.

      »Was soll ich denn auch sagen?«, antwortete der Zweig und Mara wäre vor Schreck fast gegen eine Laterne gerannt. »Aber falls es dich beruhigt, ich bin auf jeden Fall kein Traum.«

      Aha, so ist das also, wenn man durchdreht. Man hört Zweige sprechen!, dachte Mara und eine seltsame Ruhe breitete sich in ihr aus.

      Was machte man in so einem Fall? Vielleicht die Situation ausnutzen und irgendwas anstellen, was man immer schon machen wollte, sich aber bisher nie getraut hatte?

      Klar, warum nicht, denn jetzt kann ich es ja auf meine Geisteskrankheit schieben! Hey, ich höre Pflanzen sprechen, also bin ich ja wohl ganz eindeutig bekloppt, und solche Leute bekommen doch vor Gericht ganz oft mildernde Umstände!, dachte Mara und bemerkte ihr eigenes merkwürdiges Lächeln nicht.

      Ja, das war ein guter Plan: Sie würde völlig durchdrehen, Larissa mit einem Langhaarschneider auflauern, ihr gewaltsam eine Glatze rasieren und sich danach einfach in die Klapse einweisen lassen. Super, dann hatte der Wahnsinn wenigstens noch was Gutes!

      »Wenn ich vielleicht etwas vorschlagen dürfte«, kam es nun wieder von dem Zweig. »Ich würde sagen, dass du versuchst, irgendwie an mich ranzukommen, und wir suchen uns ein stilles Eckchen. Ich muss dir nämlich ein paar sehr wichtige Dinge erzählen, Mara Lorbeer. Du bist doch Mara Lorbeer, oder?«

      Huii, der sprechende Zweig kannte ihren Namen. Was denn, natürlich kennt er den!, dachte Mara sofort, denn schließlich handelte es sich dabei ja um eine Wahnvorstellung in ihrem eigenen Kopf. Und diese Wahnvorstellung hatte natürlich auch alle Informationen zur Verfügung, die in Maras Kopf gespeichert waren – somit auch Maras Namen.

      Ich sollte mich wohl beeilen mit der Glatzen-Idee, überlegte Mara, bevor ich so bekloppt werde, dass ich den Langhaarschneider nicht mehr von einer Zucchini unterscheiden kann und versuche, mit einem Gemüse, das nach nichts schmeckt, Larissa den Kopf zu rasieren!

      »Hör auf damit!«, rief der Zweig und Mara schaute wieder zu ihm auf. »Du bist nicht verrückt, das musst du mir jetzt einfach glauben! Ich kann dir später alles erklären, aber jetzt musst du erst einmal aufhören mit diesem Unsinn! Bitte nicke einmal, wenn du einverstanden bist.«

      Mara nickte. Was hätte sie auch sonst tun sollen, denn offensichtlich konnte der Zweig ihre Gedanken lesen. War das der Grund, warum sonst niemand seine Stimme zu hören schien? Weil er irgendwie in Maras Kopf sprach? Oder war das noch ein weiterer Beweis dafür, dass Mara jetzt verrückt geworden war? Verrückte Menschen hörten doch auch Stimmen, wo keine waren …

      Und während Mara noch darüber nachdachte, was ihre nächsten Schritte sein würden, machten ihre Beine von alleine eben diese und trugen sie hinter Mama her durch die Haustür und die paar Treppen hinauf zu ihrer Wohnung im Erdgeschoss.

      »Also, was ist denn das?«, entfuhr es Maras Mutter, als sie sich im Spiegel neben den Garderobenhaken musterte und dann mit vorwurfsvollem Blick den Zweig aus ihrer Frisur zupfte. »Du hättest mir ja mal sagen können, dass ich den ganzen Weg hierher ausgesehen habe wie die Hottentotten!«

      Unter normalen Umständen hätte Mara vielleicht mit ihrer Mutter diskutiert, ob man mit nur einem einzigen Zweig im Haar schon aussah wie ein ganzer afrikanischer Volksstamm, der im Übrigen sicher völlig zu Unrecht als Sinnbild für Chaos und Unordnung gilt. Aber im Moment interessierte Mara nur eines: Sie musste unbedingt den Zweig wieder aus dem Müll fischen, ohne dass ihre Mutter es bemerkte.

      Nur 52 Sekunden später saß Mara schon an ihrem Schreibtisch und musterte den Zweig, der nun vor ihr in einem Stiftebehälter stand. Von ihrem Platz hatte Mara einen Blick in den Hinterhof und auf die große Esche, die zwar wenig Sonnenlicht in ihr Zimmer ließ, aber dafür vor den Blicken der Nachbarn schützte. Mara schaute auf den Zweig und irgendwie schaute der Zweig auch auf Mara, aber keiner sagte das erste Wort.

      Hatte sie sich das Ganze doch nur eingebildet? Oder sah es tatsächlich so aus, als würde der Zweig gerade ihr Zimmer inspizieren?

      Von seinem Platz auf dem Schreibtisch konnte er immerhin an ihr vorbei den ganzen Raum überblicken und plötzlich war Mara ihr alter Hello-Kitty-Bettbezug unangenehm. Eigentlich mochte sie den ganz gerne, aber nicht, wenn Besuch da war.

      Links neben dem Bett stand Maras klappriger Kleiderschrank, rechts davon ein kurzes Wandregal mit Büchern und neben dem Regal kam auch schon die Tür. Mehr passte in das kleine Zimmer beim besten Willen nicht hinein – zumindest nicht, wenn man irgendwo noch eine Mara unterbringen wollte.

      An allen Wänden und sogar an der Decke klebten Poster der Beatles. Mara war ein großer Beatles-Fan. Ganz besonders von Ringo, dem Schlagzeuger, denn der wirkte irgendwie immer gut gelaunt und auch ansonsten so ganz anders als Mara selbst. Außerdem hatte Ringo eine deutlich dickere Nase. Kannten Zweige die Beatles? Konnte man die Beatles nicht kennen? Machten Zweige Musik? Hilfe!

      Mara hielt es einfach nicht mehr aus.

      »Hast du jetzt gesprochen oder hab ich mir das nur eingebildet?«

      Der Zweig blickte sie an, als wolle er sagen: »Das ist eine alberne Frage.«

      »Das ist eine alberne Frage«, sagte der Zweig und es passte gut zu seinem Blick.

      Seine weiche, volltönende Stimme klang wie die eines erwachsenen Mannes, obwohl er gar nicht so alt wirkte. Aber das war bei Zweigen vermutlich etwas anders. Die bekamen ja auch keine grauen Haare und fanden auch nicht automatisch alles besser, was es seit mindestens zwanzig Jahren nicht mehr gab.

      »Entschuldigung«, murmelte Mara.

      »Schon in Ordnung«, sagte der Zweig. »Aber du solltest wissen, dass wir für so etwas leider keine Zeit haben. Genau genommen, haben wir höchstens noch vier bis fünf Stunden.«

      Mara blickte den Zweig so verständnislos an, wie man einen Zweig nur anblicken konnte, der Dinge sagte, die man nicht verstand.

      Der Zweig machte ein Geräusch, das wie ein Seufzer klang, und dabei schienen seine Blätter leise zu flattern.

      »Gut, dann stell dir mal einen Zweig vor, der mehr als ein paar Stunden von seinem Baum getrennt ist.«

      »Ah! Oh! Äh … soll ich dir vielleicht ein Glas Wasser holen?«, schlug Mara vor.

      »Das wäre wirklich nett von dir«, antwortete der Zweig in einem im wahrsten Sinne des Wortes trockenen Tonfall.

      Mara sprang so hektisch von ihrem Stuhl auf, dass der fast nach hinten umgefallen wäre, und nur 21 Sekunden später fand sich der Zweig in einem wohltemperierten Wasserglas wieder.

      »Ah … schon viel besser!«, sagte er und irgendwie drängte

Скачать книгу