Wie Schneeflocken im Wind. Denise Hunter

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Wie Schneeflocken im Wind - Denise Hunter

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bin schwere Arbeit gewohnt“, sagte sie schnell. „Ich lerne rasch und könnte sofort anfangen.“ Wie schon am Vortag kamen ihre Worte überhastet heraus und klangen deshalb vermutlich ziemlich verzweifelt, aber sein Blick bewirkte, dass sich Furcht wie eine kalte Hand in ihr Fleisch grub. „Und ich brauche auch nur vorübergehend etwas, sodass es eigentlich perfekt passen würde. Ich bin ziemlich belastbar und stärker, als ich aussehe.“

      Sie trat einen Schritt zurück, weil er aus dem Haus kam und die Tür hinter sich zuzog, und mit dem Luftstrom dabei kam aus dem Inneren des Hauses ein unglaublich köstlicher Duft nach draußen, sodass ihr Magen heftig zu knurren begann.

      „Ich würde Ihnen wirklich gerne helfen, aber die Stellen, die wir zu vergeben hatten, sind schon alle besetzt“, erklärte er.

      „Schade“, sagte sie, und dabei kondensierte ihr Atem, sodass sich vor ihrem Mund ein Wölkchen bildete. Als kein Job, kein Geld, kein Essen und keine Unterkunft.

      „Aber lassen Sie mir doch einfach Ihre Kontaktdaten da. Wenn es mit jemandem von den Leuten, die ich eingestellt habe, nicht klappt, rufe ich Sie an. Ein paar von ihnen sind Jugendliche – und Sie wissen ja, wie das ist.“

      Nein, das wusste sie eigentlich nicht.

      „Außerdem sind es auch nur Teilzeitjobs, und ich bin sicher, dass Sie dafür überqualifiziert sind.“

      „Sie würden sich wundern“, sagte sie und stieß ein ironisches Lachen aus in der Hoffnung, dass er nicht merkte, was für einen schweren Schlag er ihr gerade versetzt hatte.

      Er schaute auf die Uhr und sagte: „Ich muss jetzt wirklich los. Ich bin schon spät dran.“ Dann schaute er hinüber auf die Seite des Hauses, wo ein alter roter Pickup und ein Ford Explorer nebeneinanderstanden. „Sind Sie zu Fuß den ganzen Weg aus der Stadt hier herausgekommen?“

      „Ja“, antwortete sie und versuchte, begeistert zu klingen, so als wäre der flotte Marsch das Highlight ihres Tages gewesen. „Sehr malerisch … sehr waldig. Es ist wunderschön hier.“

      Er zog eine Augenbraue hoch und sah noch einmal auf Micah hinunter.

      Sie zog ihren Handschuh aus, um ihre Daten aufzuschreiben, und merkte erst da, dass sie ja gar nichts zum Schreiben dabeihatte. „Haben Sie vielleicht einen Stift?“

      „Ich kann die Nummer auch gleich in mein Handy eingeben“, sagte er und zeigte ihr sein Handy. „Ich heiße übrigens Beau. Beau Callahan.“

      „Kate“, stellte sie sich vor, und wenn sie die Hand, die er ihr gab, ein bisschen zu lange festhielt, dann nur, weil sie so schön warm war. „Und das hier ist Jack“, fügte sie noch hinzu.

      „Hallo, Jack“, begrüßte er auch den Jungen.

      Und dann nahm Beau sein Handy und sah sie erwartungsvoll an.

      Ach du liebe Zeit. Was hatte sie sich denn nur gedacht? Sie hatte doch gar keine Handynummer. Ja, sie hatte nicht einmal eine Adresse. Sie merkte, wie sie rot wurde, und wand sich unter seinem direkten Blick. „Ach – wissen Sie was? Am besten rufen Sie in dem Café an, wenn wieder irgendetwas frei wird. Im Frumpy Joes.“ Sie würde dort einfach jeden Tag nachfragen. Vielleicht sogar stündlich. „Hinterlassen Sie die Nachricht dann doch bitte bei Charlotte, ja?“

      „Klar, das kann ich machen. Sind Sie mit den Duprees verwandt?“

      „Äh …. nein“, antwortete sie rasch.

      Er steckte sein Handy wieder in die Tasche, holte seine Autoschlüssel heraus und fragte: „Soll ich Sie wieder mit zurück in die Stadt nehmen? Ich fahre jetzt nämlich dorthin.“

      Er war ja anscheinend ganz nett, aber das war Antonio auch gewesen. Und Langley ebenfalls. Sie vertraute seitdem niemandem mehr, und schon gar nicht ihrem eigenen Urteil.

      Sie griff nach Micahs Hand, ging zur Verandatreppe und antwortete: „Nein, vielen Dank. Wir kommen schon zurecht.“

      Die Stelle zwischen seinen Augenbrauen kräuselte sich, und er sagte in besorgtem Ton: „Aber es wird bald dunkel, und es gefällt mir gar nicht, dass Sie ganz umsonst hergekommen sind.“

      „Machen Sie sich darüber bloß keine Gedanken“, entgegnete sie, aber fünf Minuten später fragte sie sich, ob diese Entscheidung richtig gewesen war, denn sie zitterte so heftig, dass ihre Zähne klapperten. Micah hatte angefangen zu quengeln, und sie hatten noch nicht einmal die lange Auffahrt zurück zur Hauptstraße hinter sich. Wie sollten sie es da den ganzen Weg zurück in die Stadt zu ihrem Auto schaffen?

      „Ach, mein Kleiner. Mir ist auch so kalt“, sagte sie.

      Und hungrig war sie ebenfalls, aber das erwähnte sie lieber nicht, weil er seinen eigenen Hunger vielleicht noch gar nicht bemerkt hatte. Beau hatte recht. Die Sonne war hinter den Hügeln verschwunden, und es wurde dunkel. Der Weg zurück in die Stadt war weit, das Café schloss um sechs, und sie bezweifelte, dass es in der Kleinstadt etwas gab, das länger geöffnet hatte. Sie hatte eine kleine Kirche gesehen, aber die war sicher verschlossen, und eine Obdachlosenunterkunft gab es wahrscheinlich auch nicht. Dafür war die Stadt einfach zu klein.

      Herr … Gott. Jetzt wünschte sich Eden Martelli schon eine Obdachlosenunterkunft. Wie hatte es nur so weit kommen können?

      Wieder wimmerte Micah, und sie beugte sich nach unten, um ihn auf den Arm zu nehmen.

      „Na, brauchst du eine Pause, Jack?“

      Er legte sein Gesicht an ihren Hals, und sie spürte den Gegensatz zwischen seinen kalten Wangen und dem warmen Atem. Als sie endlich wieder die Hügelkuppe erreicht hatten, taten ihr die Arme und der Rücken weh, ihre Lunge brannte, sie spürte ihre Zehen nicht mehr und blieb keuchend und völlig außer Atem stehen. Sie beugte sich noch einmal nach vorn, um Micah wieder abzusetzen, aber er klammerte sich wimmernd an ihrem Hals fest. Der arme Kleine.

       Du kannst dich nicht einmal richtig um deinen Sohn kümmern. Was bist du bloß für eine Mutter?

      Doch sie verscheuchte diese Stimme in ihrem Inneren, ging neben Micah in die Hocke und schloss ihn in die Arme. Solange sie nachdachte, konnte sie ihn ebenso gut auch wärmen.

      Sie schaute sich in der immer dunkler werdenden Gegend um, so als könnte wie durch Zauberhand plötzlich eine Blockhütte auftauchen. Es war unmöglich, es zu Fuß bis ganz zurück in die Stadt zu schaffen, und Micah musste unbedingt aus der Kälte raus. Auf dem Hinweg waren sie zwar an ein paar Häusern vorbeigekommen, aber sie würde sich hüten, irgendwelchen Fremden zu vertrauen.

      Ein Stückchen weiter die Straße entlang fiel ihr dann plötzlich wieder der Schuppen ein, an dem sie vorbeigekommen waren. Er war sehr klein und wahrscheinlich auch verschlossen, aber wenn es sein musste, würde sie eben ein Fenster einschlagen. Sie würde es Beau Callahan irgendwann wieder ersetzen.

      FÜNF

      Beau beendete das Telefongespräch, während er rückwärts von der Auffahrt vor Paiges Haus auf die Straße fuhr. Ihr gemeinsamer Abend war durch den Anruf vorzeitig beendet worden, was allerdings nicht hieß, dass es zuvor besonders gut gelaufen

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