Wie Schneeflocken im Wind. Denise Hunter

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Wie Schneeflocken im Wind - Denise Hunter

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ihrer letzten Rast hatte sie Micahs Füße kontrolliert, die zum Glück noch trocken gewesen waren. Er war wirklich tapfer gewesen den ganzen Tag über, denn sie hatte so ziemlich in jedem Laden in der Stadt nach Arbeit gefragt – ohne Erfolg.

      Wenigstens hatten sie kostenlos zu essen bekommen, denn die winzige Bibliothek feierte die Einweihung einer Erweiterung mit einem Tag der offenen Tür. Der Besuch war wegen des Wetters dürftig gewesen, aber Micah und sie hatten sich gütlich getan an den Snacks und für den Abend sogar noch ein paar Weihnachtsplätzchen eingesteckt. Darauf war sie bestimmt nicht stolz, aber es hatte sein müssen. Micah bekam bestimmt bald wieder Hunger, und sie hoffte, dass die Plätzchen eine Weile reichen würden.

      Ein Auto fuhr vorbei und wich ihnen in einem großen Bogen aus. Die Sonne ging langsam unter, und es blieb ihnen jetzt nur noch eine Möglichkeit. In drei verschiedenen Geschäften hatte sie von den Besitzern erfahren, dass auf einer Weihnachtsbaumplantage eine Aushilfe gesucht wurde. Das wäre perfekt, aber die Farm mit der Plantage lag ein paar Kilometer außerhalb der Stadt, sodass sie diese Möglichkeit bis zum Schluss aufgehoben hatte. Sie hatte schon versucht, dort anzurufen, aber es war sofort der Anrufbeantworter angesprungen.

      Micah entzog ihr seine Hand, und sie blieb stehen, während er sich den einen Schuh auszog.

      „Was ist denn los, Jack?“, fragte sie ihn. Sie musste sich daran gewöhnen, ihn so zu nennen, und er musste sich daran gewöhnen, so zu heißen, deshalb hatte sie ihn heute sehr oft so angesprochen. „Hast du nasse Füße?“

      Er schüttelte den Kopf und hielt sich an ihr fest, während er ein Steinchen aus seinem Schuh schüttelte.

      „Na, wie ist denn der da hineingekommen?“, fragte sie und befühlte sicherheitshalber noch einmal seine Socke. Besorgt schaute sie dabei in den Wald, in dem es langsam dunkel wurde, während er sich den Schuh wieder anzog.

      Sie fragte sich, ob sie ihre Spuren sorgfältig genug verwischt hatte oder ob Langley ihnen schon wieder auf den Fersen war. Sie musste noch einmal an ihre letzten Momente in der Schutzwohnung denken, und schon allein bei dem Gedanken bekam sie Herzrasen. Ihr Körper wurde von innen nach außen ganz kalt, und sie unterdrückte ein Zittern.

       Ach, Walter, es tut mir so leid.

      Jetzt nahm Micah wieder ihre Hand.

      Sie zuckte zusammen und schob die Erinnerung möglichst weit weg von ihrem verletzlichen Sohn.

      „Fertig?“

      Als sie zehn Minuten später einen Hügel hinaufgegangen waren und um eine Kurve bogen, tauchte ein Schild auf.

      „Callahan Weihnachtsbaumplantage“, stand darauf. „So, wir sind da, Mr. Jack. Und jetzt schauen wir mal, ob es hier einen Job für uns gibt.“ Das Schild war alt und rustikal mit leuchtend roten Buchstaben, aber die Beleuchtung war noch nicht eingeschaltet. Sie fragte sich, ob so spät an einem Samstagabend wohl überhaupt noch jemand im Büro war.

      Sie bogen in die Auffahrt, und der frische Schnee knirschte unter ihren Füßen. Fichten in den unterschiedlichsten Größen säumten den Weg, und dahinter lag hügeliges, schneebedecktes Land, so weit das Auge reichte.

      Kurz darauf gelangten sie zu einem Parkplatz, der noch nicht von Schnee geräumt war. In der Nähe des Parkplatzes stand eine große rote Scheune. Über einem Platz, wo, wie sie annahm, demnächst die bereits geschlagenen Bäume präsentiert werden würden, waren Lichterketten gespannt, die aber ebenfalls noch nicht eingeschaltet waren.

      „Sieht so aus, als ob geschlossen ist. Wir versuchen es einfach mal im Haus. Die Frau in dem Laden hat gesagt, es wäre am Ende der Auffahrt.“

       Bitte, Gott. Ich weiß, ich habe dich in letzter Zeit um ziemlich viel gebeten, aber ich brauche diesen Job unbedingt.

      Doch selbst wenn sie ihn bekäme, würde das noch nichts an ihrer momentanen Notlage ändern. Es würde mit Sicherheit eine Woche dauern, bis sie ihren ersten Lohn bekäme, und wovon sollten sie bis dahin leben? Und wo sollten sie unterkommen?

       Hör nicht auf zu glauben, Eden.

      Ab und zu hörte Eden in ihrem Kopf Karens Stimme, so als wäre sie noch bei ihr. Diese ganz normalen, unkomplizierten Tage schienen schon so weit weg, so lange her, fast wie aus einer völlig anderen Welt. Karen wäre bestimmt sehr traurig über all die schlechten Entscheidungen, die Eden getroffen hatte.

       Und du siehst ja auch selbst, wie weit sie dich gebracht haben!

      Micah blieb plötzlich stehen und zeigte nach links. Ein schmaler Weg führte zu einem Schuppen aus Holz, aus dessen Dach ein Rohr ragte. Der Weg dorthin war ebenfalls nicht geräumt, und es waren auch keine Spuren darauf zu sehen.

      „Ich glaube nicht, dass es das ist, Jack“, sagte sie.

      Sie gingen also weiter die kurvige Auffahrt hinauf, und nachdem sie noch einmal eine kleine Steigung hinaufgegangen waren, sahen sie in der Senke dahinter ein Haus. Es war ein zweigeschossiges Farmhaus mit einer breiten, einladenden Veranda davor. Eden stieß einen leisen Seufzer aus, als sie die Fenster sah, hinter denen behagliches Licht zu sehen war.

      Sie warf noch einmal einen Blick auf ihre Uhr, die billige, die sie erworben hatte, nachdem sie ihre Cartier-Uhr verkauft hatte. Es war fast Abendessenszeit – aber wenigstens war jemand zu Hause.

      Kurz darauf stapften sie die Verandatreppe hinauf. Sie zog Micah ganz nah an sich heran und rieb seine Arme schnell und fest, um ihn warm zu halten, während sie gleichzeitig versuchte, ihre steifgefrorenen Zehen zu bewegen. „Alles in Ordnung, Jack?“

      Er nickte. Seine Wangen waren gerötet, und seine Nase lief.

      Sie streckte die behandschuhte Hand zur Klingel aus, aber im selben Moment ging auch schon die Tür auf. Sie trat einen Schritt zurück und zog Micah noch näher an sich heran.

      Ein Mann blieb abrupt in der Tür stehen und zog seine dunklen Augenbrauen hoch, als sich ihre Blicke trafen. Er war groß, hatte schwarzes, etwas längeres Haar, und weil er auf der Schwelle stand, wirkte er riesig.

      Sein Blick ging nach unten zu Micah, und dann schaute er wieder sie an. „Hallo“, sagte er.

      „Hallo“, erwiderte sie. Ihr Herz klopfte zum Zerspringen, als sie sagte: „Ich wollte gerade bei Ihnen klingeln.“

      Die Verandabeleuchtung warf Schatten auf sein kantiges Kinn, und das warme Licht betonte sein gutaussehendes Gesicht. Seine Augen waren so dunkelbraun, wie sie es noch nie zuvor gesehen hatte. Das war vielleicht auch der Grund, weshalb sie gar nicht wieder wegschauen konnte. Das – und vielleicht auch seine Ähnlichkeit mit Keanu Reeves.

      „Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein? Ich wollte gerade nach draußen“, sagte er.

      Er musterte ihr Gesicht, und zum ersten Mal seit Monaten fragte sie sich, wie sie wohl aussah. Sie widerstand dem Drang, sich eine Haarsträhne, die sich gelöst hatte, wieder unter die Baseballkappe zu stecken, und hoffte, dass ihr neuer Blondton nicht allzu künstlich wirkte.

      „Ich habe von Charlotte aus dem Frumpy Joes erfahren, dass Sie Jobs für Aushilfen auf der Weihnachtsbaumplantage zu vergeben haben.“

      Seine Mundwinkel gingen nach unten, und

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