Tödliche Offenbarung. Cornelia Kuhnert

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Tödliche Offenbarung - Cornelia Kuhnert

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Trixi hat vorhin eine Leiche entdeckt, Borgfeld und Streuwald wuseln im Golfclub herum …« Diese weit aufgerissenen Augen, der offene Mund … Martha schluchzt noch lauter, als sie daran denkt.

      Beckmann hat mit allem gerechnet, aber nicht mit einem solchen Ausbruch. Beschissen, Leiche, Trixi. Seine alten Kollegen Borgfeld und Streuwald. In was ist Martha jetzt schon wieder hineingeraten?

      »Was ist … was ist passiert?«, stammelt er mehr, als dass er redet.

      »Das weiß ich doch nicht. Nach dem Golftraining … Trixis Tasche ist umgefallen, die Bälle rollten raus und …« Reiß dich zusammen Martha, lass dich nicht so gehen. Erzähl in vernünftigen Worten, was passiert ist. Los! Ihre Stimmlage ist eine Nuance schriller als sonst, als sie sagt: »… da hat sie den Toten gefunden.«

      »Und dann?«

      Was ist das für eine blöde Frage? Kann dieser Mann nicht ein bisschen Einfühlungsvermögen zeigen? Den ganzen Vormittag lang hat Martha sich beherrscht. Jetzt kann sie nicht mehr. Sie fängt hemmungslos an zu heulen.

      Beckmann ist irritiert. Als das Schluchzen am Telefon sich beruhigt, sagt er in leisem, doch bestimmten Ton: »Ich komme vorbei.«

      Martha sieht die Szene im Dorfkrug mit Vanessa wieder |67|vor sich. Vanessas Arme, die Beckmann umschlingen. Vanessas Liebesgesäusel. Trotzdem kommt ihr seine Stimme so vertraut vor. Vielleicht … nein, ermahnt sie die Stimme der Vernunft. Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende. Sag Nein. Leg den Hörer auf.

      »Ich weiß nicht«, murmelt sie und möchte am liebsten gleich wieder losheulen.

      »Aber ich. In einer halben Stunde bin ich bei dir.«

      Erschöpft drückt sie auf die rote Taste ihres schnurlosen Telefons. Sie kann ja immer noch einfach so tun, als ob sie nicht zuhause ist, wenn er kommt.

      21

      Als Felix wieder zu sich kommt, schmerzt sein Brustkorb.

      »Was machst du hier, du Arsch?«, schreit eine fremde Stimme ihn an.

      Felix fühlt den heftigen Tritt, hört das Krachen seiner Rippen, spürt ein stechendes Ziehen in der Brust. Schützend hält er die Hände vors Gesicht. Aus dem Augenwinkel erkennt er die 88. Im nächsten Moment holt die Doppelacht zum Stoß aus. Felix rollt sich zur Seite. Nicht schnell genug. Er schreit vor Schmerz auf, als ihn die Kappe des Springerstiefels im Magen trifft.

      »Ich hab dich was gefragt, du Arschgesicht. Antworte!« Der nächste Fußtritt landet in der anderen Körperhälfte. »Rede gefälligst!«

      Felix liegt rücklings auf dem Boden, sein Peiniger steht breitbeinig vor ihm, in der rechten Faust einen Baseballschläger, |68|dessen unteres Ende er mit lauerndem Blick ständig in die linke Handflächenhälfte schlägt.

      »Spuck’s aus, sonst nehm’ ich dich in die Mangel.«

      Der Schlagstock kracht schon im nächsten Augenblick auf seine Wade. Felix bäumt sich vor Schmerz auf. Was soll er nur machen?

      »Ich …«, stottert Felix, »… ich mache Fotos.« Sein Herz schlägt bis zum Hals. »Naturaufnahmen.« Scheiße, in was ist er da hineingeraten?

      »Das ist hier Privatgelände, du Arsch. Da hast du nichts zu suchen.« Der Baseballschläger donnert erneut auf ihn nieder. Dieses Mal trifft die 88 seine Schulter. Felix hört einen Knochen krachen. Das Schlüsselbein? Ein stechender Schmerz zieht von der Schulter abwärts. Felix hat Angst. Riesengroße Angst. Was soll er tun? Er muss den Typen beruhigen, sonst schlägt der immer weiter. Aber womit?

      »Da hab ich mich wohl verlaufen«, versucht er es. »Kann doch passieren.«

      »Los, Karl, zeig ihm, was wir mit Leuten tun, die heimlich auf unserem Gelände rumschleichen. Polier ihm die Fresse.« Die 88 zieht Felix mit seiner riesigen Pranke hoch. »Verpass ihm einen Denkzettel, den er so bald nicht vergisst.«

      Der andere Junge tritt einen Schritt vor und ballt die Fäuste. Sie schnellen auf Felix’ Bauch zu, stoppen jedoch im letzten Moment, so als wenn sie es sich anders überlegt hätten.

      »Lass gut sein, Matusch. Der hat genug abbekommen.«

      Felix atmet erleichtert auf. Jetzt setzt die Vernunft bei denen ein. Natürlich. Die müssen doch Angst vor den Konsequenzen haben. Eine Anzeige wegen Körperverletzung ist nicht ohne. Und die können ihn schließlich nicht …

      |69|»Quatsch, der kann noch mehr vertragen.« Matuschs Faust findet den Weg in Felix’ Magengrube. Felix klappt wie ein Taschenmesser zusammen.

      »Ist doch keine Streichelwiese hier«, grunzt Matusch und reibt sich die rechte Hand. »Los, jetzt du, Karl. Sollst auch deinen Spaß haben.«

      Der Junge mit der 18 auf dem Rücken zögert. Er weiß nicht genau, was er machen soll. Matusch ist oft jähzornig. Bei dem weiß man nie. Am Ende bekommt man selbst was ab – andererseits hat dieser Felix ihm oft genug aus der Patsche geholfen. Früher, in der Grundschule, genau wie später im Fußballverein. Felix ist Mannschaftsführer in der F-Jugend gewesen. Mit Nachdruck hatte er mehr als einmal gefordert, dass er zum Spiel aufgestellt wurde, auch wenn er mal wieder nicht beim Training erschienen war, weil … einer musste sich doch um seine Mutter kümmern. Manchmal hatte sie voll wie eine Haubitze mitten im Flur gelegen … Felix hatte sogar in der Schule freiwillig neben ihm gesessen. Die anderen hatten ihn als Hosenpisser verspottet, nur weil er einmal, ein einziges Mal … Scheiß Zeit damals. Eigentlich will er überhaupt nicht mehr daran zurückdenken. Trotzdem gibt er sich einen Ruck.

      »Der Typ ist in Ordnung. Echt. Der hat mir häufig beigestanden.«

      »Du kennst das Arschgesicht?«

      »Aus der Schule und vom Fußball.«

      Jetzt dämmert auch Felix, warum ihm das Gesicht so bekannt vorgekommen ist. Nicht Karl ist das, sondern Kevin, Kevin Fischer. Ein schmaler, dünner Kerl, der von allen gehänselt wurde. Einmal hatte Felix ihn in den Schlichthäusern |70|Drei Eichen am Rande der Burgdorfer Südstadt besucht, um ihm Hausaufgaben vorbeizubringen, weil er ein paar Tage nicht zum Unterricht erschienen war.

      »Kümmere dich ein bisschen um ihn. Der hat sonst keinen«, hatte die Lehrerin ihm nach der Stunde zugeflüstert.

      Schmächtig ist Kevin mittlerweile nicht mehr. Breite Schultern hat er, kräftige Oberarme, dazu die Tätowierung am Unterarm. Prügeleien geht der garantiert nicht aus dem Weg. Die platte Nase und der Schneidezahn sprechen Bände.

      »Na gut. Wenn du nicht willst – selbst Schuld. Aber ich will meinen Spaß haben.« Die starke Hand packt Felix am Genick und zieht ihn hoch. »Gib mir deinen Fotoapparat.«

      Felix reicht ihm zitternd seine neue Nikon. Matusch nimmt sie grinsend entgegen.

      »Und jetzt machen wir eine kleine Spritztour.«

      22

      Streuwald und Borgfeld stehen unschlüssig vor den rotweißen Absperrbändern, die den Fundort der Leiche sichern.

      »Wie lange müssen wir hier noch bleiben?« Borgfelds Magen knurrt und seine Laune ist auf dem Tiefpunkt angelangt.

      Bei Streuwald

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