Tödliche Offenbarung. Cornelia Kuhnert

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Tödliche Offenbarung - Cornelia Kuhnert

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ist da?«

      Die Tür öffnet sich und der Kopf von Matusch schiebt sich herein.

      »Was gibt es, Matusch?«, zischt Wörstein. Er mag es nicht, wenn er gestört wird.

      »Die ersten Neuzugänge fürs Wochenende sind eingetroffen.«

      »Das heißt: Melde gehorsamst, die Neuzugänge sind eingetroffen, Kamerad Freiherr zu Wörstein.«

      Matusch wiederholt den Satz, obwohl er es hasst, sich wie ein Zirkuspferd vorführen zu lassen. Nur weil dieser alte Sack da mit seinem dicken Schlitten angerauscht gekommen ist, hat er noch lange keine Lust, hier den Affen zu machen.

      »Da ist noch was.«

      »Da ist noch etwas, Kamerad Freiherr zu Wörstein.«

      »Da ist noch etwas, Kamerad Freiherr zu Wörstein«, leiert Matusch herunter.

      »Ich höre.«

      »Da war jemand auf dem Grundstück, Kamerad Freiherr zu Wörstein.«

      »Und?«

      »Wir haben ihn …«, er zögert einen kurzen Moment, »… wir haben ihn verscheucht, Kamerad Freiherr zu Wörstein.«

      Von dem kleinen Ausflug würde er nichts sagen, sonst müsste er das alles in diesem gedrechselten Ton abkaspern, den Wörstein vor diesem Typen hören will.

      Wörstein nickt kurz, obwohl ihm diese Mitteilung ganz und gar nicht gefällt; vor seinem Gast möchte er jedoch das Thema nicht vertiefen.

      |101|»Zeig den Neuen die Zimmer, Matusch. Wir reden später.«

      Wörstein ist beunruhigt. Ungebetene Gäste behagen ihm nicht. Er ist ein Mann von Prinzipien und möchte nicht von Entwicklungen überrumpelt werden. Er ist es gewohnt, die Linie vorzugeben. Wie beim Schach. Immer drei Züge weiter denken, am besten fünf – und die des Gegners ebenfalls im Voraus kalkulieren, damit man von keinem Gegenzug überrascht wird.

      Zum Glück hatte er Matusch fürs Grobe. Der erledigt kleine Aufträge, ohne viel nachzufragen. Schon als er ihn das erste Mal gesehen hatte, wusste er, dass er der Richtige ist. Die grenzenlose Wut, die in dem ungehobelten Jungen steckt, die ständige Gewaltbereitschaft. Einer, der zuschlägt, ohne vorher zu fragen, einer, der das Gesetz der Straße beherrscht, der keinem Konflikt aus dem Weg geht. Im Gegenteil. Dennis Matuschenko provoziert gerne und haut erbarmungslos zu. Das ist das Einzige, was er gut kann, dafür trainiert er jeden Tag.

      Es war nicht leicht für ihn als Anwalt, den Richter und den Staatsanwalt zu überzeugen, dass sie seine Strafe zur Bewährung aussetzen. Körperverletzung ist kein Kavaliersdelikt. Vorsätzliche schon gar nicht.

      »Was für eine Chance hatte Dennis denn?«, fragte er den Richter und zeigte auf Dennis, der statt des kahlgeschorenen Schädels mit akkuratem Seitenscheitel vor Gericht erschienen war. »Seine Großeltern mussten aus Schlesien flüchten und landeten nach etlichen Fehlstarts in Hannover. Seine Mutter hat es nie bis zur Berufsausbildung geschafft. Mit siebzehn wurde sie schwanger und lebt seitdem von der Sozialhilfe. Dennis Matuschenko ist in Vahrenheide aufgewachsen, |102|in einer Umgebung, die so heruntergekommen ist, dass man das Hochhaus, in dem er wohnte, abgerissen hat, weil man die sozialen Probleme in diesem Umfeld nicht mehr in den Griff bekam.«

      Als Wörstein nach diesem Vortrag den Gesichtsausdruck des Richters taxierte, wusste er, dass er ihn in der Tasche hatte – und Matusch für immer auf seiner Seite.

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