Tödliche Offenbarung. Cornelia Kuhnert

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Tödliche Offenbarung - Cornelia Kuhnert

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Glas auf der Spüle ab und fährt sich durch die Haare. Soll sie ihm die Tür öffnen?

      28

      Felix rennt, ohne hinzusehen, weiter, stolpert über eine knorrige Baumwurzel und fällt flach hin. Unter den Knien fühlt er spitze Äste, mit der Nase liegt er in einer Heidelbeerpflanze, atmet den fauligen Dunst gegorener Früchte ein.

      Wieder peitscht ein Schuss an ihm vorbei, gefolgt von grölendem Gelächter.

      »Hast du den gesehen?« Matusch lacht immer lauter. »Der läuft wie ein Hase.«

      Felix krabbelt in gebückter Haltung weiter, sucht Schutz hinter einer Reihe dichter Büsche. Erneut ein Schuss, keine zwei Meter entfernt von ihm. Am Ende des Grabens steht eine dickstämmige Birke. Er wartet den nächsten Schuss ab, dann sprintet er los. Nach drei Sätzen hat er den schützenden Stamm erreicht. Plötzlich hört er Motorengeräusche. Der Nissan nähert sich. Und jetzt?

      Ohne nachzudenken, rast er los, spürt weder den Schmerz in den Rippen, noch am Kopf, geschweige denn den an Knien |91|und Waden. Die nächste Kugel trifft den Birkenstamm; da ist Felix aber schon über die ausgetrocknete Furche gesprungen, hat die krumme Kiefer hinter sich gelassen und durchquert ein wogendes weißes Meer von Wollgras, um zu dem schützenden Dickicht zu gelangen. Wieder ein Pistolenschuss, doch dieses Mal in erheblicher Entfernung. Felix atmet durch. Hoffentlich schafft es der Kerl mit dem Auto nicht über den Graben.

      Felix macht einen Sprung ins Buschwerk, Zweige peitschen in sein Gesicht. Er rennt, ohne zu denken, quetscht sich durch dornige Sträucher und kommt auf einer breiten Ebene mit Glockenheide heraus. Die Kratzer im Gesicht bluten, aber das bemerkt er genauso wenig wie die anderen Schmerzen. Atemlos drückt er sich an einen Birkenstamm und lauscht. Stille. Außer dem Surren der Insekten ist nichts zu hören. Vorsichtig löst er den Knoten des Knebels, wischt sich mit dem Unterarm über die Lippen und spuckt aus.

      »Verdammte Schweine!«, flucht er. Sein Selbstmitleid ist in Wut umgeschlagen. Irgendwie muss er hier heil wieder rauskommen – und dann könnten die beiden was erleben.

      Felix atmet einmal tief ein, dann läuft er weiter. Er schlägt einen Haken, überspringt eine Furche, quert eine wildwuchernde Fläche mit Heidelbeeren. Seine Füße laufen wie von alleine. Als er einen tiefen Graben vor sich sieht, springt er hinein und presst seinen Bauch fest auf den moorigen Boden. Die Angst lässt sein Herz bis zum Hals schlagen. Ist es klug, hier liegen zu bleiben?

      |92|29

      Auf Beckmanns Klopfen antwortet niemand. Er öffnet nach dem dritten Versuch die Tür und betritt die Wohnküche, die den Mittelpunkt des renovierten Fachwerkhauses bildet. Martha sitzt auf dem Sofa und liest. Mit ausdruckslosem Gesichtsausdruck hebt sie die Augen und sieht ihn an. Kein Gruß kommt über ihre Lippen.

      »Ich dachte schon, du wärst noch mal fortgegangen.«

      »Hallo Max.« Sichtlich um einen gelangweilten Ton bemüht, verschränkt Martha die Arme vor ihrer Brust. Sie mustert Beckmann von oben bis unten. Sein Igelschnitt ist verschwunden, die Haare sind länger. Das steht ihm gut. Er ist unrasiert, graue Bartstoppeln sprießen. Das macht ihn älter. Aber vielleicht stehen junge Mädchen auf so etwas. Marthas Blick wandert zu seinem Bauch. Er ist schlanker geworden. Ein guter Hahn wird selten fett. Sie zieht die Arme noch enger an sich.

      »Was ist passiert?« Beckmann sucht ihre Augen, doch Martha starrt an ihm vorbei zum Gläserschrank. Blass sieht sie aus, fremd und doch vertraut. Warum lächelt sie ihn nicht wenigstens einmal an? Sie kann sich doch denken, dass es für ihn auch nicht leicht ist, einfach wieder vor ihrer Tür zu stehen, als wäre nichts passiert. Aber was ist eigentlich passiert? Diese eine Nacht, dieser eine Ausrutscher. Beckmann möchte Martha am liebsten an sich drücken, sie trösten, aber er traut sich nicht.

      Martha starrt auf den Holzfußboden. Was ist passiert? Was für eine blöde Frage. Vieles ist passiert, seit sie ihn das letzte |93|Mal gesehen hat. Soll sie ihm etwa sagen, dass sie sich elend fühlt, dass sie ihn vermisst hat?

      »Nun sag schon!« Beckmann wirft ihr einen aufmunternden Blick zu, obwohl er sich von Sekunde zu Sekunde unwohler in seiner Haut fühlt. Wenn sie ihn doch wenigstens einmal ansehen würde. Er hat schon immer gut in ihren Augen lesen können. Dort und nirgends anders zeigen sich ihre Gefühle.

      Endlich lösen sich Marthas Augen vom Fußboden.

      »Trixi hat heute Morgen einen Toten im Golfclub entdeckt.«

      Immerhin hat sie geredet und immerhin hat sie aufgeschaut. Wenn auch nur Richtung Fenster. Unsicher, was er machen soll, steht Beckmann immer noch vor der Eingangstür.

      »Was machst du eigentlich im Golfclub?«

      »Ich lerne Golf.«

      »Du?«

      Täuscht sie sich oder zwinkert er ihr mit dem rechten Auge zu?

      »Du hast dich doch früher immer darüber lustig gemacht.«

      Wehe, er wiederholt jetzt diesen Witz. Dann fängt sie sofort an zu schreien.

      Beckmann macht einen Schritt auf sie zu. Haben Sie noch Sex oder golfen Sie schon? Nein, das lässt er besser. Und jetzt? Beckmann zögert erneut, dann legt er seinen Arm auf ihre Schulter. Martha macht sich bei der Berührung steif. Trotzdem geht es ihr sofort besser.

      Ihre zu Fäusten zusammengeballten Finger öffnen sich und sinken langsam auf ihre Oberschenkel. Beckmann tritt noch |94|dichter an sie heran und legt seinen anderen Arm um ihre Taille.

      Martha lehnt vorsichtig ihren Kopf an seine Schulter. Sein vertrauter Geruch tut ihr gut.

      30

      »Wo steckt Felix nur?« Sonja schaut auf ihre Uhr. »Er ist schon mehr als drei Stunden fort.«

      Ihr Bruder verzieht den Mund. »Das dauert eben länger. Hier, sieh dir mal die Seite im Internet an. Wir für Niedersachsen. Die Autonomen sind die Vermummten, die kaum einen Satz richtig herauskriegen – und die »Aufrechten Deutschen« tragen hübsche ordentliche Pullis, akkurate Haarschnitte und sind die mit den erstrebenswerten Idealen.«

      Ali tippt auf die Taste für die Lautstärke. Klar und deutlich sind die Stimmen zu hören: »Wir sind für ein Leben in Gemeinschaft und Verlässlichkeit.« »Nicht der Konsum soll im Mittelpunkt stehen, sondern gemeinsame Erlebnisse, die Kameradschaft.« »Freie Menschen statt freie Märkte.«

      Ali dreht den Monitor zu seiner zwei Jahre älteren Schwester herum. »Könnte glatt von dir sein.«

      Sonja schaut nicht hin. Ihre Unruhe wächst von Minute zu Minute. Felix wollte nur kurz zu dem Haus. Ein paar Fotos machen, das kann doch nicht so lange dauern. Danach wollte er sich sofort melden. Die Aufnahmen sollten schließlich noch mit ins Netz gestellt werden.

      »Ich fahre da jetzt hin. Vielleicht ist etwas passiert.«

      »Quatsch, der ruft bestimmt gleich an. Außerdem: Was |95|hast du plötzlich mit diesem Felix? Läuft da was?« Ein breites Grinsen umspielt Alis Mund.

      »Quatsch!« Ihre Stimme ist eine Nuance schriller als sonst. »Das nennt man Solidarität. Musst du dir mal merken.«

      31

      Goldmann

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