Nox Arcanum. Asenath Mason
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In der ägyptischen Mythologie, die ein exzellentes Beispiel für eine feste und bis ins Detail durchdachte und strukturierte Hierarchie ist, begegnen wir dem Linkshändigen Pfad in der Gestalt des Gottes Seth, der permanent die göttliche Ordnung in Form seines Bruders Horus attackiert. Horus, der geflügelte Falkengott, wird natürlich mit dem Himmel assoziiert, während Seth für die chthonischen Kräfte der Erde steht. Erze im Erdboden nannten die alten Ägypter die „Knochen des Seth“. Hier finden wir also erneut die Kräfte des Linken Pfades im Erdinneren, während jene des Rechten Pfades im Himmel weilen. Obwohl Seth sich gegen die bestehende göttliche Ordnung wendet, handelt er nicht gegen die Schöpfung, sondern tritt vielmehr als deren Bewahrer auf, denn einer der bekanntesten Mythen um Seth erzählt von seiner nächtlichen Fahrt auf der Sonnenbarke, bei der er die Meeresschlange Apep in Schach hält, welche die Schöpfung vernichten will. Ebenso gibt es Darstellungen der Sonnenbarke, bei der diese von Seth-Tieren, und nicht, wie üblich, von Schakalen gezogen wird.
Ein Pyramidentext setzt die Kraft Seths gleich mit der Kraft der Pharaonen; ein Ausspruch, dessen überwältigende Bedeutung wir erst dann verstehen können, wenn wir uns ins Gedächtnis rufen, dass die Pharaonen als Götter betrachtet und behandelt wurden (dies ist also letztendlich nichts anderes als die Gottwerdung der Linkshändigen Kabbalisten). Anders als im Christentum waren sie keine Stellvertreter mit vermeintlich gutem Kontakt nach oben, sondern tatsächliche Emanationen göttlicher Macht.
Im Namen des Set, roter Gott, schwarzer Gott.
Wir preisen Dich, Set,
Vielverkannter, Ofterkannter,
Brecher der ehernen Tafeln,
Brecher, Zerbrecher,
Grenzerhöher, Grenzzerstörer,
erschaffender Geist,
sich erhebend aus totem Gebein und der Asche der Sterne.
Du gelangst in unsere Welt aus den endlosen Wüsten,
der Weite des Meeres,
den Unendlichkeiten des Alls,
umgürtet mit der Schlange Leviathan,
Dein Kelch ist ein schwarzes Loch,
verschlingend und gebärend am Firmament hinter dem Westtor,
wo sich die Nebel des Chaos umwinden.
Dein pulsierendes Herz ist reine, rote Glut,
auf dem Amboss der Zeit geschmiedet in der Stadt der Pyramiden.
Und das Feuer lodert auf und blitzt durch Deine Augen,
die entflammen, was sie erblicken.
Du bist fest verwurzelt in den Tiefen der Erde,
in Ewigkeit verschlungen mit Deiner Mutter,
die Deine Geliebte ist im Zentrum Deines Zeichens,
dem Taukreuz.
Und doch trägt der Nachtwind Dich fort in die fernen Reiche bis
hinter die Sterne,
hinein in unsere Träume,
unser Sehnen, Wünschen und Lieben,
unser Streben, Hassen und Zähnezeigen.
Seth, ich bin wie Du, ein Werdender!
Ich habe mich aufgerüstet zu voller Größe.
Da ist ein Gott, wo ich bin.
Alles Heil dieser Welt,
wir bleiben Deiner Erde treu, Set!
Wir leben im Wind, im Sturm.
Wir leben auf der Erde und graben unsere Hände tief hinein.
Wir sind das Feuer und unsere Stütze ist ein Stab,
der die Schlange birgt. 1
(Frater Eremor)
Diese Anrufung des Gottes Seth beinhaltet mit der Gottwerdung, dem Schwur an die Erde und der Symbolik der Schlange die drei prägnantesten Motive des Vama Marg. Ebenfalls in diesem Kontext muss das Sinnbild Kephras gesehen werden, dem Skarabäus, der sich aus sich selbst heraus erschuf. Kephra gilt als Erscheinungsform des Urgottes Atum und würde in späterer Zeit als ein Aspekt des Sonnengottes Re gedeutet. Kephra symbolisiert das sich selbst Erschaffen, das aus sich selbst heraus Werden. Kephra gebiert sich selbst, aus seinem eigenen Willen heraus formt er sich und erhebt sich am östlichen Firmament. Die diesem Sinnbild innewohnende Symbolik ist zutiefst mit dem Linkshändigen Pfad verbunden, ist Kephra doch keiner höheren Macht unterworfen, sondern wird selbst zum Schöpfer. Er befindet sich in einem permanenten Schöpfungsprozess, denn er „ist“ niemals, sondern er „wird“ beständig. Kephra ist vergleichbar mit dem ewig strömenden Tao und dem „Wyrd“ der nordischen Mythologie. Eine ständige und niemals abgeschlossene Schöpfung, die lediglich dem eigenen Willen folgt. Dieser Logik folgend zeigt die ägyptische Hieroglyphe für den Terminus „Entstehung“ eben jenen Käfer. Interessanterweise haben wir es hier aber mit einem gezähmten Aspekt des Linkshändigen Pfades zu tun, denn anders als Seth, der auch zu altägyptischer Zeit gefürchtet wurde, erfreute sich die Gestalt Kephras großer Beliebtheit, was sich nicht zuletzt an der bis heute anhaltenden Tradition der Verwendung Kephras als Glücksbringer in Gestalt des Skarabäus zeigt.
Schwerer zu fassen ist der Linkshändige Pfad im Rahmen der germanischen Religion. Es gibt hier kein klassisches dualistisches Schema, alle Götter haben gute und schlechte Eigenschaften und ihre Schicksale sind zutiefst miteinander verwoben. Das Gute entsteht hier aus dem Bösen und umgekehrt – die komplexe Mythologie,