Rosaleen Norton. Nevill Drury
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Nevill Drury
Milton, New South Wales, Australia
Die Tochter des Pan
Als würde das Schicksal die spektakulären Ereignisse ihres späteren Lebens vorwegnehmen, wurde Rosaleen Norton in Dunedin, Neuseeland, während eines heftigen Gewitters geboren. Es war am 2. Oktober 1917 gegen 4.30 Uhr morgens, und wie Norton später erzählte, war dieses Gewitter vielleicht der Grund dafür, warum sie eine zeitlebens anhaltende Schwäche für Stürme und die Nachseite des Lebens entwickelte. „Stürme bewirken in mir ein merkwürdiges Gefühl der Begeisterung, ja fast der Trunkenheit, “ erinnerte sie sich im Jahre 1957. „Die Nacht ist für mich die Zeit, in der alle meine Sinne alarmiert sind; ich mich wacher fühle als sonst und am besten funktioniere. Diese Idiosynkrasie war ein ständiger Grund für Auseinandersetzungen mit meiner Mutter, denn mich zum ins Bett gehen zu überreden war für sie keine einfache Aufgabe – genauso wenig wie mich morgens aufzuwecken.“ Rosaleen Norton war als die jüngste von drei Schwestern von Anfang an ein unkonventionelles Kind. Cecily und Phyllis waren zwölf und zehn Jahre älter als sie. Die Familie gehörte der Britisch-Orthodoxen Kirche an, und Norton beschreibt ihre Eltern als „nicht tief religiös, aber gottesfürchtig.“ Für sie war das Befolgen religiöser Vorgaben „mehr eine Frage der Gewohnheit denn persönliche Überzeugung und ihr sporadischer Besuch des Gottesdienstes mehr ein Zeichen der Höflichkeit als alles andere.“1
Nortons Vater Albert Thomas Norton, der aus England stammte, war als Kapitän mit großem Patent bei der neuseeländischen Dampfschifffahrtsgesellschaft tätig und seit seiner Zeit als Deckhand im Alter von 16 Jahren zur See gefahren. Viel später dann, als Italien im Jahre 1940 in den Zweiten Weltkrieg eintrat, wurde er Kapitän auf der Remo, einem italienischen Schiff, das in Melbourne stationiert und als Kriegsbeute wieder in Dienst gestellt worden war. Auch in den 1920er Jahren war er oft sehr lange auf See und besuchte Orte wie Vancouver, San Francisco und die pazifischen Inseln. In Anbetracht seiner häufigen Reisetätigkeit war man der Ansicht, dass Sydney für diese Fahrten ein besserer Ausgangspunkt sei als Dunedin, sodass die Nortons im Juni 1925 nach Australien auswanderten und sich in Lindfield am Nordufer Sydneys niederließen. Die Familie lebte in einem solide gebauten Backsteinhaus in der Wolseley Street, auf der westlichen Seite der Stadt und unweit der Bahnlinie. Die Nortons waren recht wohlhabend, und wie Rosaleens Schwester Cecily sich später erinnerte, führten sie ein glückliches und komfortables Leben – ihr Zuhause war ein Ort „voller Tiere, Musik und Bücher.“ Albert war ein warmherziger und freundlicher Mann und der Vetter des Komponisten Ralph Vaughan Williams, dem er äußerlich auch ähnlich sah. Doch wegen seiner längeren Aufenthalte auf See fiel die tägliche Pflicht der Kindererziehung notwendigerweise seiner Frau Beena zu, welche sich dieser Aufgabe als verantwortungsbewusste Mutter auch ganz und gar widmete.
Rosaleen im Alter von fünf Jahren
Cecily und Phyllis neigten dazu, ihre jüngere Schwester zu verhätscheln und zu verwöhnen, sodass sich die kleine Rosaleen daran gewöhnte, stets ihren Willen zu bekommen, was nicht verwunderlich war. Für Beena war es manchmal schwer, sie unter Kontrolle zu halten, doch sie liebte ihre Jüngste abgöttisch; und obgleich Rosaleen sich vielleicht ein wenig unterdrückt gefühlt haben mag, gibt es keinen Zweifel, dass sie ihre Mutter sehr mochte. Ein Brief, den sie einmal im Urlaub an ihre Mutter schrieb, begann mit den Worten: „Meine allerliebste, wertvollste Mami … “ und war am Rande mit gezeichneten Küssen versehen. Später jedoch beschrieb sie ihre Mutter als eine „konventionelle, hoch emotionale Frau, die viel zu sehr mit ihrer Familie beschäftigt war“, und in einem Interview im Jahre 1949 mit dem Psychologen L.J. Murphy an der University of Melbourne stellte sie ihre Mutter als eine „sehr schwierige Frau“ dar, „die hysterisch, emotional und besitzergreifend war.“ Auf ihre Kindheit zurückblickend schien es, dass Norton einen Groll gegen ihre Mutter hegte, weil diese, wie sie es ausdrückte, „nicht mit fairen Mitteln kämpfte.“ Nach Nortons Ansicht war sie regelmäßig in Tränen ausgebrochen, hatte beteuert, wie sehr sie ihre Tochter liebte und sie dadurch dazu gedrängt, die Dinge so zu machen, wie sie es wollte. Ihren Vater dagegen respektierte sie. Obwohl er nur sporadisch zuhause war, hatte Norton zu ihm eine klar definierte Beziehung, die mehr nach ihrem Geschmack war. „Er kämpfte mit fairen Mitteln“, sagte sie dem Universitätspsychologen. „Wenn ich als Kind ungehorsam war, gab er mir eine Backpfeife und zwang mich zu dem, was er wollte, und zwar ohne die ganzen emotionalen Querelen, die ich mit meiner Mutter auszustehen hatte.“
Als die Familie nach Lindfield zog, hatten Nortons zwei Schwestern bereits die Schule verlassen; Rosaleen, welche die Schule im Alter von vier Jahren in Dunedin begonnen hatte, wurde nun zuerst auf eine Privatschule für Kinder und anschließend auf die Mädchenschule der Church of England in Chatswood am Nordufer von Sydney geschickt. Von Beginn an hatte sie einen Hang zum Ungehorsam. An das rebellische Kind, was sie gewesen war erinnerte sie sich später:
Ich mochte die Schule nicht und ich mochte die anderen Kinder nicht – ich hasste die Art und Weise, wie sie sich dem Lehrer „anbiederten.“ Ich liebte es, die Lehrer in den Wahnsinn zu treiben, indem ich die anderen Kinder dazu brachte, ungehörige Dinge zu machen. Sie taten, was ich wollte; doch ich denke nicht, dass sie mich mochten. Dabei übernahm ich immer die Verantwortung, wenn irgendwas schief ging.2
Vielleicht übertrieb sie, wenn sie von den Spannungen in ihrer frühen Kindheit sprach und ihr frühes Leben als eine „allgemein ermüdende Periode sinnloser Plattitüden, herumschnüffelnder Erwachsener, abscheulicher oder depressiver Kinder, die sie leiden können sollte, sowie elterlicher Vorwürfe“ beschrieb. Dies alles führte jedenfalls nicht zu einem besonderen Gefühl von Unabhängigkeit, was nicht überrascht:
Als Kind war mein Hauptziel, auf mich allein gestellt zu sein, und um dies zu erreichen führte ich sogar einen Hungerstreik auf, um das Recht durchzusetzen, meine Mahlzeiten allein einnehmen zum können (was ich gerne auf dem Dach des Hauses oder an anderen seltsamen Orten tat). Nach ein paar Tagen kapitulierte meine Mutter – es war ihr offenbar nicht bewusst, dass ich Zugang zu einem gut gefüllten Vorratsschrank hatte. Kurz darauf kaufte ich mir ein Zelt, welches ich im Garten aufstellte und das mein Schlafgemach wurde, bis es drei Jahre später in Fetzen auseinanderfiel.3
Es war zur Zeit jener Eskapaden im Garten, da die junge Rosaleen eine spezielle Vorliebe für Insekten und besonders für Spinnen entwickelte, die später in ihren makabren Zeichnungen auftauchen sollten. Tatsächlich nahm sie sich in der Zeit, als sie im Garten übernachtete, ihr erstes Haustier:
Eine große, haarige Nachtspinne aus der Gattung der Radnetzspinnen begann schon bald damit, ihr Netz des Nachts über den offenen Eingang meines Zeltes zu weben. Ich begann dieses Wesen, das ich – unabhängig von seinem Geschlecht – Horatius nannte, sehr zu mögen, da es mich ganz allein vor dem Eindringen anderer Menschen in mein Zelt bewahrte. Die meisten Mitglieder meiner Familie fürchteten sich vor der Spinne, sodass ich bis in die Morgenstunden wach bleiben konnte, wenn ich es wollte; solange die Spinne in ihrem großen runden Netz über meinem Zelteingang saß, war ich sicher vor Störungen.4
Dies war für Rosaleen Teil des instinktiven Prozesses, sich der Natur anzunähern und eine zunehmende Vertrautheit mit