Wie man glücklich wird und dabei die Welt rettet. Holger Dr. phil. Wohlfahrt

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Wie man glücklich wird und dabei die Welt rettet - Holger Dr. phil. Wohlfahrt

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und großzügige Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland verschenkt darin die Birnen einen Baumes in seinem Garten an vorbeikommende Kinder. Er stiftet damit viel Freude. Als er seinen Tod kommen spürt, bittet er „vorahnend schon und voll Misstraun [sic] gegen den eigenen Sohn“, eine Birne mit ihm ins Grab zu legen. Wie er es vorhersah, entwächst dem Grab einige Jahre nach seinem Tod ein neuer Birnbaum. Die Kinder des Havellandes können sich somit auch nach dem Tod des Herrn von Ribbeck an dessen Güte erfreuen. Abschließend heißt es: „Und so spendet Segen noch immer die Hand, des von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland.“

      Herr von Ribbeck auf Ribbeck hat sich durch seine gutherzige Tat unsterblich gemacht. Noch aus seinem Grab heraus wirkt er weiter. Er spendet über den Tod hinaus Segen. Die anhaltende Beliebtheit des Gedichts verdankt sich zweifelsohne auch jener Metapher für das ur-menschliche Verlangen, generativ zu überdauern und sich und sein Leben somit in einem wohltuenden größeren Zusammenhang zu verorten.

      Doch es ist nicht nur die literarische Figur des Herrn Ribbeck auf Ribbeck im Havelland, die unsterblich zu sein scheint. Auch sein Verfasser lebt in der literarischen Figur auf ewig weiter. Selbst weniger einflussreiche Werke als Fontanes Meisterballade schaffen es oft, zumindest in kleinerem Kreise, zu überdauern. Ein Poet, also jemand der dem Wortsinn nach (vom Griechischen „poietes“, Hersteller, Brückenbauer) etwas baut oder zusammensetzt, fügt immer erlebte Erfahrung und tradiertes Wissen zu einem Werk für sich und seine Umwelt zusammen.

      Wer also beispielsweise Literatur verfasst, aber auch Musik komponiert, Bilder malt oder Skulpturen meißelt, wird dies wahrscheinlich auch tun, um sich selbst auszudrücken und damit eine Brücke zu seinen Mitmenschen der Gegenwart und Zukunft zu bauen. Er übersteigert die eigenen Gefühle und bringt sie in transzendierter Form seinen Mitmenschen bereitwillig dar.

      Das Bedürfnis des Weiterlebens, des Überdauerns in nachfolgenden Generationen, wird also nicht nur in der Geburt der eigenen Kinder oder der Geburt eines selbstentworfen, vorbildhaften Lebens ein Stück weit erfüllt, sondern auch in der Erzeugung von Werken, die dereinst tradiert werden. Es fällt auf, dass oft gerade künstlerisch und geistig aktive Menschen keine eigenen Kinder haben. Die Zahl der kinderlosen Geistesgrößen und Kreativmenschen erscheint tatsächlich fast endlos lang und reicht von Philosophen wie Roger Bacon, René Descartes, John Locke, David Hume, Immanuel Kant, Jean- Paul Sartre, Simone de Beauvoir über Komponisten wie Georg Friedrich Händel oder Ludwig van Beethoven und Musiker wie Maria Callas oder Louis Armstrong bis hin zu Wissenschaftlern wie Isaac Newton oder John Maynard Keynes.7 Ihre Geburten waren ausschließlich geistiger Natur.

      In extremen Fällen kann die oft überaus mühsame, vielleicht auch schmerzhafte Geburt eines eigenen Werkes in der Wahrnehmung des Urhebers sogar die menschliche Geburt übertreffen. So schrieb der Naturphilosoph, Mathematiker und Astronom Johannes Kepler (1571-1630) anlässlich der Geburt eines seiner Kinder: „Gerade als ich mich mit der Quadratur meines Ovals beschäftigte, kam mir ein ungelegener Gast durch eine Geheimtür ins Haus, um mich zu stören.“ Und Albert Camus bezeichnet die eigenen Kinder in seinen Tagebüchern als seine „Nebenwerke“. Die Hauptwerke blieben seine Bücher.

      Der französische Philosoph Denis Diderot (1713-1784) schrieb im 18. Jahrhundert: „Die Nachwelt ist dasselbe für den Philosophen, wie das Jenseits für einen Gläubigen.“ Im Verständnis Diderots will der Philosoph ebenso wie der Künstler bleibende Werke erschaffen. Wie Gläubige tradieren Philosophen und Künstler dabei ihr eigenes Ich. Während Eltern in ihren Kindern ein Stück weit überdauern und Gläubige darauf spekulieren, im Jenseits in Form einer göttlich-transzendenten Wandlung fortzubestehen, hoffen tugendhafte Menschen darauf, mit ihrem „Lebenskunstwerk“ im Sinne Senecas als Vorbilder fortzuleben. Künstler und Philosophen streben hingegen danach, in ihren erschaffenen Werken unsterblich zu werden.

      In der technisch und wissenschaftlich hoch entwickelten Welt des aufgeklärten und industrialisierten Westens sind es immer öfter aber auch wissenschaftliche Erkenntnisse, Erfindungen und Entdeckungen sowie technische Errungenschaften, die einen Moment der Transzendenz ganz im Sinne Diderots schaffen können. Einer der einflussreichsten Wissenschaftler des 20. Jahrhunderts, Albert Einstein (1879-1955), meinte denn auch, dass ihm seine wissenschaftlichen Studien einen tiefen Lebenssinn gaben. Sie verliehen ihm „innere Freiheit und Sicherheit“ und vermittelten einen „Gefühlszustand, der […] dem eines religiösen oder verliebten Menschen ähnlich ist“. Einstein empfand das Glück, das „geistige Generativität“ spendet. Er fühlte sich tief eingebunden in die Zusammenhänge der Welt.

      Die sinnstiftende Wirkung „geistiger Generativität“ tritt aber nicht nur ein, wenn man selbst gestaltend tätig ist, sondern bisweilen auch dann, wenn man sich mit den überwältigenden Werken menschlicher Vorfahren auseinandersetzt. Man kann Sinn also auch durch den bewussten Einsatz seiner Sinne empfinden. Die Sinne schaffen dabei eine Verbindung zur Vergangenheit, die in einer Ballade Fontanes genauso zum Ausdruck kommen kann wie beispielsweise in der Musik eines Mozart, dem Gemälde eines Caravaggio oder der Skulptur eines Donatello. Anhand jener unsterblicher Momente, die als Ausdruck einer überpersönlichen Wahrheit einer tiefen Weltenseele entsprungen zu sein scheinen, kann der Einzelne eine Verschmelzung mit einem größeren Ganzen spüren und so etwas wie wahrhaftes inneres Glück empfinden.

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