Wie man glücklich wird und dabei die Welt rettet. Holger Dr. phil. Wohlfahrt
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Leider ist dennoch gerade in Berufen mit gesellschaftlichem Mehrwert, seien es pflegende, kurierende oder pädagogische Berufe, die Burn-Out-Rate besonders hoch. Das liegt unter anderem auch daran, dass die ursprünglichen Ziele oft in zu weite Ferne rücken. Sie können bisweilen nicht mal mehr als grober Orientierungspunkt am Horizont erkannt werden. Stattdessen werden bürokratische, rechtliche, wirtschaftliche, dabei immer öfter marketingtechnische Elemente zum Hauptgeschäft. Wenn zu dieser ungewollten Zielverschiebung noch eine erhöhte Arbeitsbelastung hinzukommt und, wie etwa im Bereich der Pflege, selbst die sekundären Ziele wie Ansehen und Einkommen nicht erreichbar sind, ist das Abgleiten in den Burn-Out nahezu vorprogrammiert.
Nachhaltig in ihrem Beruf aufgehen können Menschen auch dann, wenn sie genau jener Tätigkeit nachgehen, die ihnen am besten entspricht. Sie haben schließlich ihre eigene Aufgabe und damit ihr eigenes Ziel aus ihren Talenten abgeleitet. Der Beruf ist dann lediglich Mittel zum Zweck für die Umsetzung dieses Talents. Wer also beispielsweise handwerklich sehr geschickt ist, gerne schreinert und von jeher das Ziel hatte, Schränke, Tische und Stühle herzustellen, der wird in dem Beruf des Schreiners langfristig von einem Sinn getragen werden. Leider werden Berufe mit derartig praktischem Umsetzungspotential gerade im handwerklichen Bereich immer seltener. Die meisten Produkte lassen sich günstiger und effizienter in maschineller Form an entlegenen Billiglohnstandorten anfertigen und in Teilarbeit an Fließbändern oder fließbandähnlichen Arbeitssystemen zusammenschrauben.
Ein Großteil heutiger Berufe scheint nun aber keinen anderen Sinn zu haben als den, das aktuelle Wirtschaftssystem am Laufen zu halten. Der einzelne Mitarbeiter weiß, wenn er sich selbst gegenüber ehrlich ist, oft gar nicht, was genau das Ziel seines Tuns ist. Der Soziologe David Graeber (geb. 1961) von der London School of Economics and Political Science schreibt: „Insbesondere in Europa und Nordamerika führen Heerscharen von Menschen während ihres ganzen Berufslebens Tätigkeiten aus, von denen sie insgeheim glauben, dass sie nicht ausgeführt werden müssten. Aus dieser Situation erwächst ein weitreichender moralischer und geistiger Schaden. Er ist eine Narbe, die sich quer über unsere kollektive Seele zieht.“
Aufgewertet werden viele dieser Jobs nicht nur durch das Gehalt, sondern immer öfter auch durch gut klingende Berufstitel, die gesellschaftliches Ansehen bringen sollen, in Wahrheit aber nur verbergen, welche Banalität eigentlich hinter der Tätigkeit steht.
Das einzige Ziel zahlloser Angestellter liegt wohl tatsächlich nur darin, über jede Notwendigkeit hinausgehende Mengen an Geld und Anerkennung zu erlangen oder einen Karrieresprung zu machen, der dann eben mehr Geld und Anerkennung zu bringen verspricht. Doch derartige Ziele sind schlichtweg zu klein, um lange tragen zu können. Entweder sie erfüllen sich oder es wird nach einigen Arbeitsjahren deutlich, bis zu welchem Grad sie maximal erfüllbar sind. In beiden Fällen werden sie sich früher oder später erschöpft haben. Nun bleibt für viele als langfristiges Ziel nur noch der Wunsch nach Ruhestand und viel frei gestaltbarer Zeit übrig. Passive Wünsche können jedoch nie sehr sinnstiftend sein, da sie nicht direkt beeinflussbar sind.
Gerade in Phasen der Freizeit wird zudem oft erst deutlich, wie wenig ein Mensch ohne Lebenssinn mit dieser Zeit anfangen kann.
Die Gestaltung der Freizeit stellt für viele eine Überforderung dar. Sie betäuben sich mit kurzen Gefühlshochs, die ihnen Unterhaltungsindustrie und Konsumwirtschaft bescheren. Oder sie versuchen verzweifelt, den Sinn der Arbeit in ihre Freizeit hinüberzuretten. Nicht wenige sind durchaus froh, wenn sie auch während des Feierabends noch vorgeblich wichtige und belastende Telefonate führen können oder eMails am Küchentisch diensteifrig bearbeiten dürfen. Die innere Langeweile und Leere kann damit gut kaschiert werden. Der Philosoph Mark Kingwell schreibt hierzu treffend: „Der Workaholic kolonisiert seine Verzweiflung angesichts der Leere des unproduktiven Lebens, indem er es mit Arbeit ausfüllt.“
Wenn eines Tages der unvermeidliche Ruhestand eintritt, werden viele von der empfundenen Sinnlosigkeit ihres Daseins vollends eingeholt. Wer sein Leben lang nur kurzfristig anberaumte und fremdbestimmte Aufgaben übernommen hat und sich in der Freizeit vor allem mit dem Konsum von Gütern oder billiger Unterhaltung abzulenken gelernt hat, wird sich schwer tun, im Ruhestand plötzlich eigene Lebensziele zu definieren und somit tieferen Sinn zu finden.
Das Fehlen eines Lebenssinns lässt nicht nur den eigenen Antrieb erlahmen und das Leben somit freudlos werden, sondern es erhöht auch das Frustrationspotential. Da es schließlich keinen großen Plan gibt, der alles überlagert, werden die Banalitäten des Alltags ungefiltert als schier unerträgliche Belastung wahrgenommen. Wer sich hingegen von einem großen Ziel leiten lässt, wird sich von drei Tagen Regen, einem verspäteten Zug, einer dezenten Staubschicht in einem Hotelzimmer oder anderen vergleichbaren Lappalien nicht verdrießen lassen. Stattdessen wird er höchstwahrscheinlich selbst mit wahrhaften Problemen, wie etwa ernsten Krankheiten oder Unglücksfällen ganz gut zurechtkommen. Er wird diese lediglich als unangenehme Hürden auf seinem klar umrissenen Weg erkennen und daher sofort tateifrig daranmachen, sie zu überwinden. Sie werden dabei jedoch nicht zum bestimmenden Momentum im Leben und somit ihrer Schärfe beraubt.
Immerhin können auch kleine Alltagsprobleme im Äußeren, wie die Staubschicht im Hotel oder der verspätete Zug, den Fokus auf sich ziehen. Wenn sie schon keinen Sinn geben, so stellen sie doch winzige Herausforderungen und Aufgaben dar. Das Verfassen eines Beschwerdebriefs an die Hotelleitung oder den Betreiber der Bahn wird dann schnell zu einem kurzzeitigen Ziel, das wenigstens für den Moment Orientierung gibt.
Noch schlimmer wird es, wenn selbst diese belanglosen Probleme wegfallen, wenn der leere Mensch also ganz auf sich zurückgeworfen wird. Wenn es nichts mehr im Äußeren gibt, worauf der Fokus gerichtet werden kann, dann richtet er sich nach Innen. Jetzt wird jedes kleine Kratzen, jedes Jucken, jede hormonell bedingte Stimmungsschwankung einer peniblen Selbstanalyse unterzogen. Der leere Mensch fühlt sich nun krank, schwach und leidet oft fürchterlich an Dingen, die von der Außenwelt nicht als problematisch erkannt werden. Vielleicht findet er in einer angenommenen Krankheit tatsächlich sogar einen Lebenssinn. Die regelmäßigen Arztbesuche, die ständige Versorgung mit Medikamenten, die Umstellung der Diät und vieles andere füllen das Leben aus. Der Kampf gegen die mehr oder weniger eingebildete Krankheit wird zur erfüllenden Aufgabe.
Das, was die menschliche Umwelt bei solchen Menschen als einen wehleidigen, dauer-nörgelnden oder frustrierten Ton wahrnimmt, ist letztlich nichts anderes als ein Symptom tiefer Sinn-Leere. Zu der eigenen Unzufriedenheit des leeren Menschen kommt dann oft noch hinzu, dass Mitmenschen auf Abstand gehen, da sie übertriebene Larmoyanz nicht gut ertragen können.
Das moderne Sinn-Angebot der institutionalisierten
Arbeitswelt als Gefahr
Neben dem Dilemma, dass die ausdifferenzierte, hoch spezialisierte Arbeitswelt zwar das letzte gesamtgesellschaftlich verbindende und institutionalisierte, aber eben überwiegend nicht nachhaltige Sinnmodell der Gegenwart anbietet, gibt es ein zweites, diesem Sachverhalt entwachsendes, dabei allerdings noch weitaus bedrohlicheres Problem. Dieses besteht darin, dass durch jenes arbeitsame Tun die begrenzten Ressourcen der Erde in erschreckendem Maße aufgebraucht werden. Indem in immer größerer Menge unnütze Dinge hergestellt werden, deren Erfindung, Produktion und