Maritime Erzählungen - Wahrheit und Dichtung. Detlev Sakautzky
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Alle weiteren persönlichen Sachen wurden in zwei Seesäcken verstaut, verplombt und in dem Wäschestore zur Aufbewahrung gebracht.
Das Schiff war auf Heimatkurs. Kapitän Bering hatte das Unfallgeschehen in das Schiffstagebuch eingetragen. Anhand dieser Eintragung wurde durch die Behörde im Heimathafen der amtliche Totenschein ausgestellt.
Hans fertigte mit Fritz den Sarg in der Netzlast an. Beide sägten die neuen Raumschotten unter Berücksichtigung der Körpermaße von Chris zu und verschraubten diese zu einem Sarg. Die Innenwände wurden mit Filzstreifen ausgeschlagen, sodass der Körper weich lagerte. Im Fußbereich war ein Raum für Beschwerungsmittel vorgesehen. Aus der Persenning, die für die Anfertigung von Abdeckkappen vorgesehen war, wurde der Überzug für den Sarg gefertigt. Sechs Ösen aus dickem Sisaltauwerk wurden fest aufgenäht, die das Tragen des Sarges ermöglichten.
Am späten Abend meldete Hans die Fertigstellung des Sarges. Kapitän Bering überprüfte den Sarg, hatte keine Beanstandungen und ordnete die Einsargung an. Der Sarg wurde in den Trockenraum gebracht, wo die Leiche von Chris auf der Krankentrage lag.
Gemeinsam mit den Brüdern Kessel entfernte Martin die Arbeitsbekleidung und zog Chris die ausgewählten Kleidungsstücke an. Der Kopf wurde auf dem kleinen Kissen abgelegt und gerichtet. Das bunte Halstuch, das die Mutter Chris beim Abschied schenkte, wurde durch Martin beigelegt.
Die Halteschlaufen wurden verknotet und gaben den Körper Halt und sicherten ihn gegen Verrutschen. Der Fußraum wurde mit Beschwerungsketten, kurzen Ankerkettengliedern, ausgefüllt.
Zum letzten Mal betrachtete Martin seinen Freund. Das Geschehene erschien ihm wie ein Traum. Er dachte an die Mutter von Chris. Wie sollte er ihr das Geschehene erklären?
„Hans, verschraube den Deckel. Es ist alles getan“, sagte Martin mit leiser Stimme.
Gemeinsam zogen die Männer den neu gefertigten Segeltuchbezug über den Sarg. Fritz nähte das offene Ende des Bezuges zu.
Die Lagerung des Sarges bis zum Zeitpunkt der Seebestattung erfolgte auf Pallungen im Trockenraum. Martin übernahm als Erster die Totenwache.
*
Der Kapitän ordnete für den folgenden Tag die Seebestattung an. Das Schiff hatte die Neufundlandbank verlassen und befand sich im Atlantik. Der Echograph zeigte die Meerestiefe nicht mehr an. Der Erste Steuermann übernahm den Wachdienst des Kapitäns. Als Zeichen der Trauer wurde die deutsche Flagge auf Halbmast gehisst.
Kapitän Bering begab sich an Deck. Sechs ausgewählte Decksleute legten den Sarg auf der ersten Luke ab und sicherten diesen gegen das Verrutschen durch Krängung und Stampfen des Schiffes. Der Erste Steuermann stoppte das Schiff auf der vorgesehenen Position und legte es quer zur See.
Die Füße des Toten zeigten zur Steuerbordseite. Wind und See kamen von Steuerbord. Überkommende See spülte über das Deck. Die wachfreie Besatzung stand, in Ölzeug gehüllt, beidseitig des Sarges. Die Gesichter der Männer waren starr, die Augen feucht. Martin stand innerlich gebrochen am Sarg. Die Schmerzen in der Brust nahmen zu, das Gesicht war verzerrt.
Kapitän Bering hielt die Trauerrede.
„Wir sind hier, um von Chris Abschied zu nehmen. Wir trauern um einen Kollegen, der gern seinen Beruf ausübte, kollegial, freundlich, hilfsbereit zu jedermann war, die beruflichen Aufgaben an Bord tatkräftig und zuverlässig erfüllte und unerwartet aus dem Leben gerissen wurde. Es ist nicht der Friedhof, die Friedhofskapelle im heimatlichen Ort, wo wir Abschied nehmen, sondern das Deck unseres Schiffes. Lasst uns Chris gedenken“, sprach der Kapitän mit fester Stimme und verneigte sich vor dem Sarg.
Die Männer verharrten regungslos. Der Schrei einzelner Möwen, die Geräusche des Windes und das durch die Wasserpforten an Deck spülende Seewasser begleiteten die Zeremonie des Gedenkens.
Nach dem Signal aus dem Typhon, ausgelöst durch den Ersten Steuermann, hoben die neben dem Sarg stehenden Männer diesen auf das Schanzkleid. Durch die Krängung des Trawlers nach Steuerbord glitt der Sarg in die brechenden Wellen und versank in die Tiefe des Atlantiks. Das Schiff trieb vor Wind und Wellen und entfernte sich langsam von der Bestattungsposition.
Eine lange Zeit standen die Männer noch am Schanzkleid und gedachten des Kollegen und Freundes.
In Gruppen verließen die Männer das Deck, suchten ihre Kammern auf oder begannen mit dem Tages- und Wachdienst.
*
Der Wetterbericht meldete schweren Sturm aus Nordwest rechtsdrehend.
„Veranlassen sie das Ziehen von Strecktauen auf dem Arbeits- und Bootsdeck“, befahl der Kapitän dem Bestmann, nachdem dieser die Brücke auf Anforderung betreten hatte.
Nicht selten verursachten die überkommende See sowie das Krängen und das Stampfen des Schiffes Unfälle beim Begehen des Decks. Auf der vorletzten Reise hatte sich der Netzmacher durch einen Sturz auf dem Arbeitsdeck, verursacht durch große Krängungen des Schiffes, die Hand gebrochen.
Über den Bordfunk wurde die Besatzung durch den Ersten Steuermann aufgefordert, die Bullaugen in den Kammern mit den angebrachten Stahlblenden zu verschließen, um beim Brechen des Glases durch Seeschlag einen Wassereinbruch in den Kammern zu verhindern.
Netzreparaturarbeiten, Spleißen von Netzstandern und Stropps, Konservierung von Schäkeln, Blöcken und Tauwerk, Reinigung der Betriebsgänge, Kammern und Stores wurden während der Heimfahrt durch die nicht im Wachdienst Tätigen vorgenommen. Das Verhalten der Männer hatte sich aufgrund des schlimmen Ereignisses verändert. Sie waren in sich gekehrt und in ihren Gedanken häufig bei Chris. Fröhlichkeit, Spaß und Heiterkeit fehlten gänzlich.
In der Nordsee, im Skagerrak und Kattegat nahm der Wind zusehends ab, in der Ostsee trat eine wesentliche Wetterverbesserung ein.
*
Am frühen Morgen lief das Schiff mithilfe des Lotsen im Fischereihafen ein. Es hatte ein wenig geschneit. Endlich wieder zu Hause! Zoll-, Arbeitsschutz- und Grenzschutzbehörde, der Einklarierer der Reederei, der „Geldmann“ und die Angehörigen der Besatzung warteten geduldig und beobachteten das sich nähernde Schiff.
Die Mutter von Chris war nicht gekommen.
Das Festmachen des Schiffes erfolgte auf der Steuerbordseite, vor der Fischhalle.
Martin beaufsichtigte das Festmachen auf dem Vorschiff.
„Vorspring über!“, rief der Kapitän aus der Brückennock in Richtung Vorschiff.
Die an der Vorspring befestigte Wurfleine wurde auf die Pier geworfen und durch die Festmacher an Land erfasst. Die Spring wurde an Land gezogen. Das Auge wurde über den Poller gelegt. Auf dem Vorschiff wurde die Leine durch die bereitstehenden Decksleute über den Doppelpoller geholt und langsam mit gefiert.
„Nicht in die laufenden Buchten treten!“, warnte Martin die vor dem Poller stehenden Decksleute.
„Halt fest die Vorspring!“, rief der Kapitän, der das Anlegen des Schiffes überwachte.
Björn wiederholte die Order