Maritime Erzählungen - Wahrheit und Dichtung. Detlev Sakautzky

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Maritime Erzählungen - Wahrheit und Dichtung - Detlev Sakautzky

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sich langsam dem Pier.

      „Vorleine an Land!“, befahl Martin.

      Die Vorleine wurde auch mithilfe der Wurfleine übergeben, die hinter dem Auge mit einem Slipsteg befestigt war. Die Festmacher an Land zogen die Leine auf den Kai und legten das Auge über den Poller. Auf dem Vorschiff holten zwei Decksleute die Vorleine durch und belegten diese über den doppelten Kreuzpoller. Achtern erfolgte die Übergabe der Leinen parallel zur Übergabe der vorderen Leinen.

      „Schiff ist fest!“, meldete Martin dem Kapitän.

      „Relingstreppe, Landgang anbringen und sichern!“, befahl der Kapitän den Bestmann von der Brückennock aus, der unverzüglich mit Hans Blank die Land-Schiff-Verbindung herstellte.

      Die Behörden gingen an Bord und meldeten sich beim Kapitän. Es erfolgte die Kontrolle der Schiffsdokumente und die Übergabe des Unfallberichtes. Der Zeitpunkt der Nachuntersuchung des Unfalls durch die Arbeitsschutzbehörde wurde für den Nachmittag festgelegt.

      Der Zoll kontrollierte das Schiff auf Schmuggelware, insbesondere auf die an Bord gekauften zollfreien Zigaretten.

      Der „Geldmann“ ging in die Messe und bereitete die Auszahlung der Heuer vor. Er hatte zwei Aktentaschen, mit Geld gefüllt, mitgebracht. Jedes Besatzungsmitglied erhielt eine Lohntüte, die eine Abschlagszahlung und die Restzahlungen der letzten Reise enthielt sowie einen personenbezogenen Abrechnungsbogen. Die Freigabe zum Betreten des Schiffes für die Angehörigen erfolgte erst, nachdem die Behörden ihre Zustimmung gegeben hatten. Die Männer gingen mit ihren Angehörigen in die Wohnkammern. Einige Ehefrauen hatten ihre Kinder mitgebracht, die ihre Väter freudig erwarteten, umarmten und das Neueste aus der Familie berichteten.

      Das Entladen des Schiffes erfolgte durch die Männer des Löschgangs. Der Lukendeckel des ersten Raumes wurde abgenommen, die Thermodeckel und das Eis wurden aus dem Lukensüll entfernt. Der Fisch wurde in Körbe gesammelt, mittels einer Talje auf ein Förderband gehievt und ausgeschüttet. In der kühlen, lang gestreckten Fischhalle wurde der Fisch, überwiegend durch junge kräftige Frauen, unter strenger fachlicher Aufsicht des Gütekontrolleurs, vom Band sortiments- und qualitätsgerecht in Holzkisten sortiert und mit Eis abgedeckt. Der Transport der gefüllten Kisten erfolgte mit Elektrokarren in die bereitstehenden Kühlwaggons, die den nachgefragten Fisch ins Land auf die Großmärkte zum Verkauf brachten.

      Die letzten Besatzungsmitglieder verließen gegen Abend das Schiff. Die Arbeitsschutzbehörde hatte wichtige Zeugen zum Unfall befragt. Block und Läufer wurden durch Martin an die Arbeitsschutzbehörde zur Materialprüfung übergeben.

      *

      Der Schiffswachdienst der Reederei übernahm die Bewachung des Schiffes für die folgenden Tage. Martin ging als Letzter von Bord. Das bestellte Gütertaxi seines Bruders war gekommen. Die persönlichen Sachen von Chris, zwei volle Seesäcke, wurden aufgeladen. Platz fand auch der von Chris ausgewählte Stein.

      Abends kam er am Heimatort an. Sein erster Weg führte zu Frau Kleinke. Martin betrat alleine das Haus. Frau Kleinke wartete im Wohnzimmer. Martin ging auf sie zu. Es wurde nicht gesprochen. Beide umarmten sich und weinten leise. Martin schilderte ihr das Geschehene und die Seebestattung. Er überreichte das Beileidsschreiben der Besatzung und einen Geldbetrag.

      Beide gingen vor das Haus. Martin übergab ihr die Seesäcke mit den persönlichen Sachen und den von Chris aufbewahrten Stein. Er legte den Stein im Blumenbeet des Vorgartens ab, wie es der Wunsch der Mutter war.

      Am anderen Tag, nachmittags, besuchte Linda Frau Kleinke. Sie hatte sich nach dem letzten Kirchgang bei ihr angemeldet. Der Tod von Chris hatte Linda schwer getroffen. Gestern hatte der Hausarzt ihre Schwangerschaft bestätigt, die sie schon vermutet hatte.

       Von Chris aufbewahrter Stein.

      Sie teilte Frau Kleinke die heimliche Verlobung und ihre Schwangerschaft mit. Das Geständnis von Linda löste bei Frau Kleinke Hoffnung, Freude und Kraft aus. „Liebe Linda, die Zeit für mich ist schwer, auch Du hast es schwer, wir werden es schaffen.“, sagte Frau Kleinke und blickte ihr fest in die Augen. Beide Frauen umarmten sich. Sie fühlten sich nicht mehr allein.

      *

      Nach vier Tagen war die Freizeit für die Besatzung der „Anna“ zu Ende. Martin ging wieder an Bord. Das Schiff wurde ausgerüstet. Die Reise ging wieder zu den Fangplätzen auf der Neufundlandbank.

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