Kreation Vollblut – das Rennpferd eroberte die Welt. Erhard Heckmann
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Zwischen 1800 und 1886, als St. Simon als Deckhengst noch nicht zur Verfügung stand, und der Lord als „outside breeder“ agierte und keine eigenen Hengste beschäftigte, erhielt er auch den von Hampton stammenden Derbysieger Ayrshire (1885), der 11 von 16 Starts und, neben dem Derby, auch die 2000 Guineas gewann. In den 1890er Jahren wurde der Duke of Portland jedoch zum „home breeder“ und hielt fünf Deckhengste. Und sein bester, St. Simon, sollte, neben den bisher genannten Produkten, auch noch drei weitere Klassepferde hinzufügen: Mrs. Butterwick (1890) gewann die Oaks, die ein Jahr jüngere Dreijährigen-Championesse Amiable heftete neben drei weiteren Siegen auch die 1000 Guineas und Oaks an ihre Farben, und bevor der schon erwähnte William The Third den Schlusspunkt setzte, fügte La Roche 1900 noch die Oaks hinzu und war die Championstute ihres Jahrgangs.
Trainer Mathew Dawson 1820-1898 (Foto: Courtesy of Keeneland Library)
Mit Mathew Dawson hatte der Duke aber auch einen erstklassigen Trainer, der mit diesem Job 1840 in Schottland begann, 1857 ins englische Lambourn wechselte, und sein Domizil neun Jahre später nach Newmarket verlegte, wo er in kürzester Zeit auf einen hochkarätigen Besitzerstamm verweisen konnte. Dawson, dessen Vater und zwei Brüder den gleichen Beruf ausübten, war einer der ersten seines Standes, der einen „öffentlichen“ Stall betrieb, statt für einen der Reichen als Privattrainer zu arbeiten, kam, bevor er 1898 verstarb, auf 28 klassische Siege: Je fünf 1000 und 2000 Guineas und Epsom Oaks; sechs Derbys und sieben St. Ledgers.
Als jedoch St. Simon dem Ende nahe war, ging es abwärts, und 1903 war der „große Run“ der Zucht Portlands vorüber. Vullier formulierte das einmal in etwa so: Wenn es ein Epoche gibt, in der die beste Qualität der Zucht auf nur zwei Hengsten beruht und man den Eindruck bekommt, als wären die übrigen Hengstlinien verkümmert, dann erscheinen nicht selten ein oder zwei hochkarätige Pferde, die diese dominante Kreuzung nicht besitzen und jene verdrängen. Als Beispiele führt er dazu an: Stockwell (1849) und Newminster (1848); anschließend Galopin (1872) und sein Sohn St. Simon (1881); dann Cyllene (1895) und sein Sohn Polymelus (1902), und danach The Tetrarch (1911) und Hury On (1913).
Galopin (1872; Vedette), einer der erfolgreichsten Deckhengste im 19. Jahrhundert und Vater von St. Simon, war ein Eckpfeiler in Portlands Gestüt (Foto: courtesy of Keeneland Library)
1916 hätte Portland fast erneut Glück gehabt, denn man bot ihm einen Jährling von Bayardo – Rosedrop an, doch der Duke folgte dem Aufruf seines Kanzlers, „freies Geld in Kriegsanleihen“, statt in Rennpferde zu investieren. Und der Jährling hieß später Gainsborough, gewann die Dreifache Krone Englands und wurde Vater von Hyperion!
Der Goldfuchs Doncaster (1870) der die Darley Arabian-Hengstlinie fortsetzte und Vater von Bend Or wurde (Foto: Public Domain)
DER DUKE OF WESTMINSTER
konnte kaufen, was immer er wollte. Der Preis spielte keine Rolle. Mit John Porter hatte er auch einen hervorragenden Trainer zur Hand, dessen Quartier in Newbury lag und noch heute als „Kinsclere“ aktiv ist. Siebzig Jahre nach dem Tod des Duke zog dort Mill Reef bei Ian Balding ein, und heute trainiert dessen Sohn Andrew 170 Vollblüter auf privatem Besitz, der als solcher zu den weltbesten Trainingsanlagen zählt.
Der Duke Hugh Lupus Grosvenor war der älteste Sohn von elf Kindern des Politikers Richard Grosvenor, bekam eine erstklassige Ausbildung, beherrschte mehrere Sprachen, und als sein Vater 1869 verstarb, beerbte ihn der Sohn als Marquess of Westminster und wurde 1874 zum Duke erhoben. Seine Zucht startete er mit dem 14.000-Pfund-Kauf und Stockwell-Sohn Doncaster (1870), dessen wichtigste Siege Epsom Derby, Goodwood- und Ascot Gold Cup waren. Als dieser Goldfuchs sein Derby als 45:1-Chance locker gewann, galt der deutsche Hochstapler, der die Farben des Grafen Johannes Renard trug, als Favorit. Dieser Stockwell-Enkel hatte kurz vorher zu Newmarket überlegen gewonnen, nahm nach 1.600 Metern auch kurz die Spitze, doch hatte er nach einer Rempelei zu Tattenham Corner wohl genug und endete unter 12 Startern als Viertletzter, während es auf Platz zwei und drei totes Rennen gab. Im St. Ledger wurde Doncaster von seiner sehr guten Stallgefährtin Marie Stuard, die im Gestüt enttäuschen sollte, in einem großen Finish um Kopflänge geschlagen. Vierjährig wechselte Doncaster nach dem Start-Ziel-Sieg im Ascot Gold Cup, in dem er 12 Monate vorher hinter Frankreichs Prix du Cadran-Sieger Boiard den Ehrenplatz belegt hatte, für 10.000 Pfund in den Besitz seines Trainer Robert Peck. Und dieser spannte ihn einen Tag später in den Alexandra Stakes über drei Meilen erneut an. Der eiserne Steher gewann unter 62 Kilo und verabschiedete sich damit gleichzeitig von der Rennbahn. Danach wurde der Hengst zum dritten Mal verkauft und kam in das Eaton Hall Stud des Duke of Westminster. Der letzte Handel war das aber auch noch nicht, denn 1884 wurde Doncaster für 5.000 Pfund nochmals an das ungarische Staatsgestüt Kisber verkauft, wo er sich 1892 in den Pferdehimmel verabschiedete.
Die 14.000 Pfund für den Hengst waren damals ein stattlicher Preis, doch Doncaster gründete die Phalaris- und Teddy-Hengstlinien, als auch die der Sprinter Gold Bridge (1929) und Panorama (1936). Zu Lord Derbys Phalaris (1913) führte der Weg von Doncaster über Bend Or, Bona Vista (1889), Cyllene (1895) und Polymelus (1902), während Teddys (1913) Vaterlinie den von Edmond Blanc gezogenen Franzosen über Bend Or, Ormonde, Orme (1889), Flying Fox (1896) und Ajax (1901) erreicht. Der „Abzweig“ der Sprinter erfolgt bei Orme und führt über Orby (1904) zu The Boss (1910), dessen Söhne Golden Boss (1920) bzw. Sir Cosmo (1926) die Verbindung zu Gold Bridge (1929) und Panorama (1936) herstellen.
In der Zucht führte der Goldfuchs Doncaster die von Darley Arabian gegründete Hengstlinie – 13 Generationen zurück – erfolgreich weiter. Und Bend Or, der Doncasters erstem Jahrgang entstammte und sein bester Sohn war, blieb, anders als sein Vater, der in diesem Alter nie lief, als Zweijähriger in fünf Rennen unbesiegt. 1880 gewann er das Derby im letzten Galoppsprung gegen Robert The Devil mit Kopfvorsprung unter dem großen Fred Archer, der, praktisch „einarmig“ einen absoluten Meisterritt abgeliefert hatte, denn sein zweiter Arm war schrecklich zerbissen, und Bend Or, der unter Schienbeinen litt, gab im Endkampf sicherlich nicht alles freiwillig.
Vierjährig gewann Bend Or, der Lord Westminsters einflussreichster Beschäler wurde und zweimal die Liste der Zuchthengste erfolgreicher Mutterstuten anführte, drei seiner vier Starts. In den Champion Stakes bezwang er dabei den ein Jahr jüngeren, in Amerika gezogenen Epsom-Derbysieger Iroquis. Obwohl sein Vater ein eiserner Steher war, kamen Frühreife und Speed des Doncaster-Sohnes wohl über seine sieglose Mutter Rouge Rose, die von Thormanby (1857) abstammte.
Als Bend Or sein Derby gewonnen hatte, gab es hinsichtlich der Identität des Pferdes Fragen der Rennleitung, doch, so wurde überliefert, wurde die Aussage des Duke of Westminster von jener akzeptiert. Das Skelett des Hengstes fand nach seinem Tod im „Natural History Museum of London“ einen Platz, um es der Nachwelt zu erhalten. 2012 war jedoch in der Fachpresse zu lesen, dass eine durchgeführte Skelett-Analyse ergeben habe, dass das ausgestellte Skelett das des gleichaltrigen Hengstes Tadcaster ist, der ebenfalls von Doncaster stammte. Wahrscheinlich sind die beiden Pferde im Jährlingsalter zu Eaten Hall vertauscht worden, und das, was man Tadcaster zuschrieb (fünf Siege auf der Flachen und über Hürden), ist wohl in Wirklichkeit das Etikett von Bend Or. Es ist allerdings verständlich, dass man das Englische Gestütsbuch nach mehr als 130 Jahren nicht umschreiben will.
Diesen Eckpfeiler seiner Zucht behielt der Duke of Westminster bis zu seinem Tod, während er von Doncaster keine große Meinung hatte und ihn 14-jährig an das ungarische Staatsgestüt Kisber verkaufte. Bei Bend Or zeigte sich, dass er besonders gut mit Töchtern