Zwei Millionen ham'ma erledigt. Johannes Sachslehner
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„Es gibt in den nächsten Tagen drei mögliche Fälle:
1. Fall: Rückziehung der Volksabstimmung, in diesem Fall ist angeordnet, Demonstrationen größeren Stiles zu veranstalten.
2. Fall: Schuschnigg demissioniert: für diesen Fall ist das Übergehen von Demonstrationen zur Machtergreifung angeordnet.
3. Fall: Schuschnigg nimmt den Kampf auf: für diesen Fall ist sämtlichen Führern der Partei Handeln auf eigene Faust mit Einsatz aller Mittel zur Gewinnung der Machtpositionen anbefohlen.“
Mittlerweile ist auch Ernst Kaltenbrunner, der Chef der österreichischen SS, aus Linz kommend in Wien eingetroffen – die Nazi-Riege ist komplett und für die Ereignisse des nächsten Tages gerüstet.
Freitag, 11. März 1938. Noch in der Nacht bereiten sich die Truppen der 8. deutschen Armee zum Einmarsch in Österreich vor. Um zwei Uhr früh gibt Hitler die „Weisung Nummer 1, Betr. Unternehmen Otto“ aus, allerdings vorläufig noch ohne Unterschrift; er selbst behält sich den Oberbefehl vor, legt er doch Wert darauf, dass alles nach seinen Weisungen abläuft, Ziel ist ein „von der Bevölkerung begrüßter friedlicher Einmarsch“.
Um 10 Uhr bespricht sich Bundeskanzler Schuschnigg mit seinen beiden Nazi-Ministern Seyß-Inquart und Edmund Glaise-Horstenau, Minister ohne Portefeuille, der soeben aus Berlin zurückgekehrt ist. Die beiden Handlanger des „Führers“ bedrängen den Kanzler, die Volksabstimmung abzusagen; Seyß-Inquart liest den Brief Hitlers vor und stellt Schuschnigg ein Ultimatum: Bis 14 Uhr müsse er eine Entscheidung treffen. Seine tatsächlich für ihn vorgesehene Rolle in diesem verlogenen Spiel verschweigt der Innenminister: dass es seine Aufgabe sein wird, Hitler zu „Hilfe“ zu rufen.
Im „Volkspolitischen Referat“ in der Seitzergasse warten die Parteigenossen um Klausner, Globocnik und Rainer indessen schon ungeduldig auf die neuesten Nachrichten; neu dazugestoßen ist nun auch „Gschaftelhuber“ (Tomkowitz/Wagner) Kajetan Mühlmann. Gegen Mittag treffen Seyß-Inquart und Glaise-Horstenau ein und berichten ausführlich über die Unterredung mit Schuschnigg; Seyß-Inquart liest auch hier den Brief Hitlers vor. Man telefoniert mit Berlin und schildert die Lage, Seyß-Inquart verfasst einen Brief an Schuschnigg, in dem er das Ultimatum bestätigt und bei dessen Nichterfüllung mit Rücktritt droht. In Berlin unterschreibt Hitler um Punkt 13 Uhr die „Weisung Nummer 1“.
Um 14.45 Uhr gibt Schuschnigg nach langen Beratungen nach – er sagt die Volksabstimmung ab. Doch in Berlin will man jetzt nicht mehr zurück, Göring drängt bei Hitler auf die „ganze und klare Lösung“, den „Anschluss“, Schuschnigg habe das Berchtesgadener Abkommen gebrochen. Ein zweites Ultimatum wird formuliert und um 15.05 Uhr Seyß-Inquart telefonisch übermittelt: Schuschnigg und die „nationalen“ Minister müssten sofort zurücktreten, Seyß-Inquart von Bundespräsident Miklas mit der Regierungsbildung beauftragt werden.
Als man in der Seitzergasse vom zweiten Ultimatum erfährt, beschließt man, Globocnik und Mühlmann ins Bundeskanzleramt zu schicken – um 15.30 Uhr betreten die beiden Nazis das Gebäude am Ballhausplatz; im Säulensaal treffen sie auf Glaise-Horstenau, Mühlmann fragt ihn nach der Lage: „Is scho a Leich“, antwortet der Herr Minister ohne Portefeuille und meint damit seinen Chef, den Bundeskanzler. Globocnik berichtet Seyß-Inquart über die Forderungen Berlins, dann ruft er Rainer an und bestätigt diesem, dass nun der Innenminister genau Bescheid wisse. Rainer hat für seinen Freund einen neuen Auftrag, der an Seyß-Inquart weitergegeben werden soll: „Es kommt darauf an, die Formationen zu legalisieren. SA und SS müssen mit der Polizei als Sicherheitsorgane eingesetzt werden.“
Zur gleichen Zeit erklärt Schuschnigg in den Amtsräumen von Bundespräsident Miklas den Rücktritt seiner Regierung. Die Ernennung Seyß-Inquarts zum Bundeskanzler verweigert Miklas jedoch kategorisch, er „weiche nur der Gewalt“. Staatssekretär Michael Skubl, dem er die Kanzlerschaft anträgt, lehnt ab; Hitler werde das auf keinen Fall akzeptieren und mit dem Einmarsch antworten – da sei ein Kanzler Seyß-Inquart noch das kleinere Übel.
Um 15.55 Uhr meldet sich Göring wieder telefonisch aus Berlin, der ungeduldige Reichsfeldmarschall will wissen, ob Schuschnigg schon zurückgetreten sei und ob Seyß-Inquart schon den Auftrag zur Regierungsbildung erhalten habe; nochmals betont er, dass dies eine „unumstößliche Forderung des Reiches“ sei. Seyß-Inquart vertröstet Göring mit der Antwort auf 17.30 Uhr, spätestens dann wisse er Bescheid. Inzwischen haben Schuschnigg und seine Diplomaten vergeblich versucht, Unterstützung bei den Westmächten zu finden. Aus London kommt knapp nach 16.30 Uhr eine wenig ermutigende Antwort: „Die Regierung Seiner Majestät kann die Verantwortung nicht übernehmen, dem Kanzler zu raten, einen Kurs einzuschlagen, der sein Land Gefahren aussetzen könnte, für die die Regierung Seiner Majestät nicht in der Lage ist, Schutz garantieren zu können“ – wohlgesetzte Worte, die die Wahrheit nicht verhüllen können: Chamberlain ist bereit, Österreich zu opfern. Frankreich und Italien folgen ihm mit Tatenlosigkeit; die Bewunderung für den „Führer“ ist noch groß …
Rainers „Verbindungsmann“ Globocnik beobachtet die Vorgänge im Bundeskanzleramt mit Ungeduld, ihm geht das alles zu langsam. Er beschließt, das Lokal zu wechseln: Gemeinsam mit Freund „Friedl“ fährt er zur deutschen Gesandtschaft in der Metternichgasse; im Auto unterrichtet er Rainer über die Lage am Ballhausplatz; die beiden sind entschlossen, die „Sache“ etwas zu beschleunigen. In der deutschen Gesandtschaft angekommen, lässt sich Globocnik sofort mit Göring verbinden; um Punkt 17 Uhr steht die Leitung – jetzt will er zeigen, was er kann. Er beginnt das Gespräch mit dem Generalfeldmarschall.
Globocnik: „Ich muss Folgendes melden: Also, Seyß-Inquart hat mit dem Bundeskanzler bis 16.30 Uhr gesprochen. Er ist aber nicht in der Lage, das Kabinett bis 17.30 Uhr aufzulösen, weil es technisch nicht geht.“
Göring zeigt sich kompromissbereit: „Bis 19.30 Uhr muss das Kabinett gebildet sein … Ist der Seyß-Inquart da?“
Globocnik: „Der ist eben nicht da. Der ist in der Verhandlung. Darum hat er mich hergeschickt, das zu telefonieren.“ Er will noch etwas gegen einen Einmarsch der Österreichischen Legion sagen, doch Göring, dem die Befindlichkeit der österreichischen Nazis ziemlich egal ist, unterbricht ihn.
Göring: „Davon ist nicht die Rede! Ich will wissen, was los ist. Hat er Ihnen gesagt, daß er Bundeskanzler ist?“
Globocnik sucht sein Heil in der knappen Lüge: „Jawohl!“
Göring: „Ist ihm übertragen worden?“
Globocnik: „Jawohl!“
Göring: „Jawohl! Weiter! Bis wann kann er das Kabinett bilden?“
Globocnik: „Das Kabinett kann er bis 9.15 Uhr vielleicht … “ Göring will keine weiteren Verzögerungen: „Das Kabinett muss bis halb acht gebildet sein.“
Globocnik erzählt ihm daraufhin, dass inzwischen die Partei mit all ihren Gliederungen wieder erlaubt worden sei und SS und SA als eine Art von „Hilfspolizei“ auf den Straßen „Dienst“ tun würden. Den Generalfeldmarschall interessiert aber nur die angeblich schon stehende neue Regierung:
Göring: „Da bringt der Keppler die Namen. Ich habe da noch vergessen: Fischböck, Fischböck muss Handel und Wirtschaft bekommen.“
Globocnik willfährig: „Selbstverständlich, das ist doch klar.“
Göring: „Kaltenbrunner soll das Sicherheitswesen bekommen und Beyer soll die Wehrmacht bekommen.