Der geistige Weg zum Überleben. Brunhild Börner-Kray
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Die geistige Entwicklung ist jene, die die Qualität unserer Seele veredelt und verfeinert. Durch sie tritt in Erscheinung und wird wirksam und offenkundig, was den wahren Menschen ausmacht. Wie es die menschlichen Gesetze gibt, nach denen sich das Leben ausrichten soll, so gibt es auch die geistigen Gesetze. Aber da die von Menschen gemachten unvollkommen sind, werden sie oft aufgehoben und durch andere ersetzt, während die geistig-kosmischen ewig gültig sind; denn alles in der Schöpfung vollzieht sich nach ihnen. Die Kenntnis dieser Gesetze hilft uns, den geistigen Weg leichter zu gehen. Kennen wir sie nicht, oder erkennen wir sie nicht an, werden wir durch ihre Übertretung aus Unwissenheit nie zur inneren Freiheit, zur Wahrheit und zu einem zufriedenen und glücklichen Leben finden.
Wenn ein Kind von den Eltern nicht behütet und auf die Gefahren des Lebens aufmerksam gemacht wird, wird es oft und oft schmerzliche Erfahrungen machen, bis es aus diesen die gesetzmäßige Wirkung erkennt, z. B., dass ein Ofen, in dem Feuer brennt, heiß ist und man besser daran tut, ihn nicht zu berühren. Ebenso ergeht es uns auf dem geistigen Weg, den jeder irgendwann beschreiten muss. Denn wir alle sind nicht nur der Körper, der einst vergehen wird, sondern eine lebendige Seele von ewigem Bestand.
Die geistigen Gesetze kennenzulernen, nach denen sich die wahre Wirklichkeit unserer Existenz ausrichtet, ist das Wichtigste, was wir zu lernen haben. An sich wäre es Aufgabe der Kirchen, diese Lehren für alle verständlich zu verbreiten und nicht etwa die einer Staatsführung. Leider haben aber die Religionen weitgehend durch dogmatische und wissenschaftliche Auslegungen eine intellektuelle Richtung eingeschlagen und können dadurch der Menschheit nicht mehr die Hilfe geben, die sie braucht, um ohne Angst zu leben und einmal getrost die Grenze vom Diesseits zum Jenseits zu überschreiten. Die Kirchen haben sich zu Institutionen entwickelt, die sich auch vom Materialismus einfangen ließen und Reichtümer sammelten, von denen Christus gesagt hatte, dass man sich davon lösen und nicht danach trachten solle.
So irren die meisten Menschen unmündig umher und suchen nach etwas, was die Sehnsucht ihrer Seele stillen kann, die sich wund gestoßen hat an den Schwierigkeiten des inneren und äußeren Lebens.
Wenn wir Christus glauben können, der uns so viel versprach, dann muss es auch Wege und Mittel geben, die Wahrheit seiner Worte offenkundig zu machen, indem wir danach leben. Ich meine den Christus,den Meister, wie ihn seine Jünger nannten, der heilend und lehrend durch die Lande zog, der kein Dogma verkündete, von keinem grausamen Gott sprach, sondern von einem liebenden Vater. Genau so gut hätte ich manchen anderen Lehrer der Menschheit nennen können, der dasselbe tat, gleiches lehrte, der den Menschen einen Weg wies und die geistigen Gesetze verkündete.
Wir begehen einen großen Fehler, wenn wir als Suchende und Fragende nicht offen sind. Vielleicht bekämen wir gerade in einem Augenblick Antwort auf eine Frage, die in unserer Seele brennt, wenn unsere geistigen Ohren geöffnet wären. Unser Suchen sollte außerdem frei von einer vorgefassten Meinung sein, frei von einer bestimmten Vorstellung, denn wir wissen nicht, ob diese unsere Meinung und Vorstellung der Wahrheit nahe kommt. Ist dieses nicht der Fall, müssen wir sie ändern. Sind wir nicht frei von einer Vorstellung, werden wir unweigerlich enttäuscht, weil jene absolute Wahrheit, nach der wir suchen, anders ist als die, die wir bislang kannten, die für uns Gültigkeit hatte in Ermangelung höheren Wissens. Unsere bisherigen Anschauungen haben uns anscheinend nicht glücklich gemacht und befriedigt, sonst hätten wir nicht so viele Fragen, und in uns wäre nicht das unbeschreibliche Sehnen nach innerem Frieden, das uns nicht zur Ruhe kommen lässt.
Es ist eine Gesetzmäßigkeit, dass jeder, der ehrlich und aufrichtig sucht, irgendwann Antwort bekommt. Manchmal kann es lange dauern, aber das unablässige Bemühen wird ihn dorthin führen, wo er findet, was er sucht, wenn er reif für ein höheres Wissen geworden ist und sein Intellekt ihm diesen Weg nicht verbaut. Ein geistig Suchender ist mit einem Forscher zu vergleichen, der auf seinem Wege mit Schwierigkeiten, Hindernissen und Überraschungen rechnen muss, die ihn zu Ergebnissen kommen lassen, die sein bisheriges Denkgebäude zu Fall bringen; und er muss auch damit rechnen, dass er Dinge erfährt, die ihm bislang fremd waren und ihn zunächst beunruhigen.
Gerade in der heutigen Zeit, der Zeit geistigen Durchbruchs und Umbruchs, sind wir von Sehnsucht nach Höherem erfüllt, teils bewusst, teils unbewusst. Die versklavte Seele will sich aus der Gefangenschaft der Materie erheben. Wenn diese große Sehnsucht gestillt werden soll, müssen wir uns mit einem Wissen auseinandersetzen, das unser bisheriges vorgeformtes Denken in neue Bereiche erhebt.
Unsere wissenschaftlich betonte Zeit, die alles analysieren, zerpflücken, sichtbar und messbar machen will, ist sehr geneigt, den Intellekt des Menschen zur Höchstleistung zu bringen, was ihn von seiner inneren Entwicklung wegführen kann. In mancher Beziehung ist der wissenschaftliche Fortschritt natürlich auch ein geistiger, soweit die Bestrebungen den Bereichen der Menschlichkeit, der Ethik, der Würde des Menschen und seiner inneren Entwicklung dienen. Die heutige Schulwissenschaft, die nur nach außen gerichtet ist, kann den Menschen als Ganzheit von Körper, Seele und Geist weder voll befriedigen noch weiterführen. Es gibt jedoch auch Strömungen, die versuchen, den „inneren Bereich" zu erfahren. Hier geht es um noch verhältnismäßig junge wissenschaftliche Zweige, von der Geisteswissenschaft abgesehen, die sich mit viel Geduld unter oft großen und groben Anfechtungen einen Weg bahnen muss, weil man sie nicht anerkennen will, weil ihre Ergebnisse nicht in die Schablone bisherigen Denkens passen. Die Geisteswissenschaft wurde immer als ein Außenseiter betrachtet, aber allmählich beginnt man, sie ernst zu nehmen. Ich erwähne noch die Parapsychologie, eine sehr junge Wissenschaft, für die es immerhin in Freiburg schon einen Lehrstuhl gibt. Vielleicht sind auch inzwischen schon mehrere eingerichtet worden.
Außerdem wäre noch die Metaphysik zu erwähnen. Diese beiden bemühen sich, Licht in die inneren Bereiche des geistigen Menschen zu bringen, die für die Allgemeinheit noch im Dunkeln liegen.
Um noch einmal auf die Sehnsucht nach geistiger Entwicklung zurückzukommen, möchte ich allen dringend ans Herz legen, sich den Weg, auf dem sie heute vielleicht den 1. Schritt getan haben, nicht zu verbauen, was sehr leicht geschehen kann, indem sie sich von bisherigen, vielleicht falschen Vorstellungen nicht lösen können und wollen. Gerade unsere Begrenzung und Unwissenheit ruft ja den Wunsch und die Sehnsucht nach innerem Licht, nach innerer Freiheit in uns wach. Entweder nehmen wir neues Wissensgut an, weil wir von innen her fühlen, dass es Wahrheiten sind, die Licht in unsere Existenz bringen, die uns auch Antwort auf die Fragen „Wer bin ich?, Woher komme ich?" und „Wohin gehe ich?" geben, oder aber wir können es nicht annehmen, weil unser Bewusstsein noch nicht aufnahmefähig dafür ist. Wenn wir uns geduldig und ehrlich bemühen, werden wir eines Tages auch höhere Wahrheiten verstehen.
Eine Ameise sieht nur ihren kleinen Bereich, von dem sie annimmt, er sei alles, was es gibt. Würden wir ihr sagen können, dass die Welt so und so groß sei, dass es riesige Kontinente und große Meere und einen unendlichen Sternenhimmel darüber gäbe, würde sie es nicht glauben, weil es über ihr Fassungsvermögen hinausgeht. Sie würde uns antworten: „Mach mir nichts vor, ich weiß doch, was ich sehe."
Ebenso verhält es sich mit uns, und es wäre unklug, wollten wir bestreiten, dass es weit mehr als unsere sichtbare Welt gibt, nur weil wir andere Welten bewusstseinsmäßig noch nicht erfassen und erfahren können. Unser Intellekt muss zurückgestellt werden, wenn wir einen geistigen Pfad beschreiten wollen. Dieser kann uns beim Erfassen geistiger Dinge nur hinderlich sein. Der Intellekt ist dem Menschen zwar auch als eine Gabe Gottes gegeben, aber allzu