Der ermordete Gärtner. Uwe Schimunek
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Читать онлайн книгу Der ermordete Gärtner - Uwe Schimunek страница 2
«Guck dir das an!» Hotte hielt seine Lampe in den Schuppen. Drinnen blinkte Stahl. «Das sieht gut aus.»
«Das ist Werkzeug und anderer Gartenkram.»
«Genau, und die Sachen sind nagelneu.»
«Hm.» Manni überlegte, wer einen neuen Hammer brauchte oder eine Säge oder einen Rechen. Mitten in der Krise. Vielleicht fehlte ihm die Phantasie, aber er konnte Hottes Begeisterung nicht teilen. Dennoch stellte er die Gaslampe auf den Boden und trat näher.
Es schepperte. Hotte zerrte einen Spaten aus dem Regal und lehnte ihn an die Schuppenwand. Daneben stellte er einen Rechen. Eine Kiste mit Werkzeug steckte er gleich in seinen Beutesack. Schließlich warf er ein Kästchen zu Manni herüber. «Nun mach mal ein bisschen mit! Oder hast du schon Wurzeln geschlagen?»
Manni fing die Schatulle. Staub wirbelte vom rohen Holz. «Was soll ich denn damit?»
«Guck doch mal, was drin ist! Wenn’s Geld ist, wird geteilt.» Hotte packte weiter Geräte in seinen Sack.
Manni untersuchte den Holzkasten. Der Deckel wurde nur von einem Schnappverschluss gehalten. Mit einer Handbewegung ließ sich die Schatulle öffnen. Drinnen lagen zwei Stoffbündel. Er wickelte das größere auf. «Das ist … eine Waffe.»
«Zeig her!»
Manni hielt die Pistole hoch, wich aber zurück, als Hotte sich die Waffe schnappen wollte.
Der hob seine Lampe. «Eine Walther PP. Das Ding muss ganz neu sein. Gibt’s noch nicht lange.»
Manni steckte die Pistole ein. Im kleinen Bündel steckten Patronen. Auch die ließ er in seiner Manteltasche verschwinden.
«Hey, was willst du denn mit so ’nem Meuchelpuffer? Gib schon her!»
«Nix da! Das ist kein Geld, und dein Beutel ist schon voll.»
Hotte schüttelte den Kopf. «Aber du kannst mit so was doch nichts anfangen …»
Ein Schrei. Drei, vier Lauben weiter brüllte einer, als würde man ihm das Gemächt abreißen. Sollte Ralle der Urheber dieser Arie sein?
«Was macht der Idiot?» Hotte lief los. Den Sack trug er auf dem Buckel. Die Geräte klapperten, als würde jemand einen Besteckkasten ausschütten.
Manni folgte Hotte. Allerdings wagte er nur kleine Schritte. Seine letzte Schlitterpartie war erst ein paar Minuten her. Hottes Lampe flackerte zehn Meter vor ihm durch ein Gartentor. Der Sack mit der Beute schepperte zu Boden. Eine Tür quietschte.
«So ein Mist!», rief Hotte.
Manni rannte nun doch. Mit einem Satz sprang er über Hottes Sack. Dieses Mal landete er sicher.
«Verdammter Mist!» Hotte wiederholte sich. Kein gutes Zeichen.
Der Gartenweg bog hinter einem Kirschbaum nach links. Ein paar Meter weiter erreichte Manni die Laube. Er trat ein. Jetzt verstand er, warum sein Kumpan fluchte. Auf dem Tisch lag ein Mann. Leblos hingen seine Beine von der Platte. Sein Gesicht war kaum noch zu erkennen. Die linke Hälfte bestand nur noch aus Blut und Fleisch. Eine glitschige Masse lag neben dem Kopf.
Manni wandte seinen Blick ab und schaute zu Ralle. Der stand neben dem Tisch – so still wie ein Kriegerdenkmal. In der Hand hielt er eine Mistgabel. Auf einem der Zacken steckte ein Batzen Fleisch.
Manni würgte und trat nach draußen. Die Luft tat gut.
«Mist!» Hotte wankte ebenfalls aus der Laube. Kurz darauf erschien auch Ralle in der Tür. Im Licht der Gaslampe sah er aus, als sei er selbst nicht mehr am Leben.
Hinter dem Kirschbaum schepperte es. Durch die Äste sah Manni, wie ein kräftiger Kerl über den Sack mit der Beute stolperte.
«Weg hier!», rief Hotte.
Manni rannte seinen Kumpels hinterher. Nur weg hier!
«Gibst du mir noch etwas Limonade?», fragte Frieda, als Konrad Benno Katzmann die Weinflasche öffnete.
«Das ist der gute Meißner.»
«Ich weiß, ich weiß. Mein Glas steht auf dem Beistelltisch.»
Katzmann zuckte mit den Schultern und schenkte ihr Limonade ein und sich etwas vom Weißwein. An den Sonntagen kam es ihm manchmal vor, als sei er ein Zuschauer seines eigenen Lebens, als laufe das Leben in seinem Haus in Dresden auf einer Leinwand ab, und er saß in einem Kinosessel und schaute zu. Sein Hintern saß noch hier auf dem Sessel, aber ein Teil seiner Gedanken befand sich schon in der Redaktion in Leipzig.
Sein Hund Harry wackelte durch das Zimmer und kletterte zu Frieda auf die Chaiselongue. Inzwischen war es zwölf Jahre her, dass er den Hund aus der Elbe gerettet hatte. Harrys Bewegungen wurden in letzter Zeit langsamer und rarer. Frieda streichelte den Hund, Harry genoss das sichtlich.
«Ich hol mir noch eine Kleinigkeit zu essen», sagte Frieda.
«Ja, mach nur.»
Frieda ging in die Küche, Harry tappte hinterher. Der Hund war auf sie fixiert. Kein Wunder, Katzmann fuhr meist am Montag in aller Frühe nach Leipzig an seinen Schreibtisch und kehrte erst zum Wochenende wieder zurück an die Elbe. Frieda hingegen ging stundenweise in Dresden arbeiten, kam jeden Tag wieder nach Hause und ging am Abend mit Harry auf die Elbwiesen. Natürlich wohnte der Hund nun nicht mehr bei Katzmanns Schwester Lotte, sondern zu Hause, und das schien Frieda und Harry zusammenzuschweißen. Sein Schwanz wackelte, als wäre er der Antrieb am Hundehintern.
Katzmann trank einen Schluck Wein. Er dachte an die Krise und an die Artikel über die Arbeitslosigkeit, die er seit Monaten schrieb. In all den Jahren, die er nun schon bei der Leipziger Volkszeitung arbeitete, war das Gespenst der Krise immer wieder durch die Texte gegeistert, aber derzeit war es etwas anderes. Seit dem letzten Herbst vermeldete die Wirtschaftsredaktion eine Hiobsbotschaft nach der anderen. Auch die anderen Zeitungen sahen eine Katastrophe heraufziehen. So schlimm hatte er das seit der Inflation 1923 nicht mehr erlebt. Und dieses Mal schien auch nach einem halben Jahr kein Ende in Sicht.
Frieda kam aus der Küche. Sie trug einen Teller mit einer Scheibe Butterbrot, einem halben Kopf Blumenkohl, einem Stück Sandkuchen. Sie stellte ihn ab und ließ sich auf das Sofa fallen. Harry kletterte hinterher.
Katzmann nahm die Vossische Zeitung vom Tisch. Er hatte die Sonntagsausgabe am Morgen gekauft, aber noch nicht alle Artikel gelesen. Er blätterte zu den Wirtschaftsnachrichten. Stockung im Uhren-Export, titelte das liberale Blatt.
«Konrad, ich muss dir etwas sagen.»
«Hm.» Konrad blickte weiter in die Zeitung. Die schweizerische Uhrenindustrie befindet sich seit Jahresbeginn in einer sich ständig verschärfenden Krise …
«Im Ernst, Konrad, es ist wichtig.»
«Ja, gleich …» In den ersten beiden Monaten hat sich der Export gegenüber dem Vorjahre von 35,9 auf 29,7 Millionen Franken gesenkt.
«Wir bekommen ein Kind», flüsterte Frieda.
«Ja, ja …» Konrad stutzte, in seinem Kopf hallte das