Der ermordete Gärtner. Uwe Schimunek

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Der ermordete Gärtner - Uwe Schimunek

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den nächsten Zug zurück nach Dresden. Oder noch besser, er tat so, als ob er für eine Geschichte in Dresden recherchieren müsse. Dort versuchte der Präsident des sächsischen Staatsrechnungshofes, Walther Schieck, ein Kabinett aus parteilosen Fachministern zusammenzustellen. Bestimmt fand Katzmann einen kleinen Mitarbeiter in einem Ministerium, an dessen Beispiel er die Ränkespiele der Macht schildern konnte.

      Wenn er gleich zu Leistner ging, schaffte er vielleicht noch den 11.35-Uhr-Zug und wäre gegen drei Uhr nachmittags in Dresden. Katzmann stand auf, durchquerte mit wenigen Schritten seine Schreibstube und trat auf den Flur.

      Das Bureau des Chefredakteurs lag schräg gegenüber. Leistners Tür war geschlossen, also klopfte Katzmann an. Drinnen blieb es still. Vorsichtig drückte er die Klinke und zog die Tür einen Spaltbreit auf.

      Leistner hielt den Hörer seines Fernsprechapparates in der Hand und nickte, als könne sein Gesprächspartner ihn sehen. Oder bat er Katzmann herein? Nein, Leistner blickte jetzt auf, sah Katzmann und gab ihm per Handzeichen zu verstehen, dass er beschäftigt sei. Dabei versuchte der Chefradakteur, gleichzeitig den Kopf zu schütteln und seinem Anrufer zuzunicken. Beim Versuch, durch das Spreizen der Finger eine Zehn zu zeigen, rutschte Leistner der Hörer beinahe aus der Hand. Katzmann schloss die Tür.

      In seiner Schreibstube klingelte der Telephonapparat. Versprach das Ablenkung, oder drohte Arbeit? Und wollte er das überhaupt herausfinden? Er trottete langsam zurück zu seinem Sekretär, auf dem der Fernsprecher stand. Der Anrufer schien Geduld zu haben, es klingelte mittlerweile bestimmt zum fünften Mal …

      Katzmann ließ sich auf seinen Stuhl fallen und hob den Hörer ab. Das Fräulein vom Amt meldete einen Anruf von Herrn Eggebrecht … Heinz Eggebrecht, der alte Kumpel – seit Monaten hatten sie keinen Kontakt gehabt. Und nun meldete er sich am Montagvormittag per Telephon. Was konnte es so Dringendes geben?

      «Konrad, du glaubst ja nicht, was mir gerade passiert ist …»

      «Guten Tag, Heinz!»

      «Ach ja, Tag auch, Konrad! Du glaubst ja nicht …»

      «Nun mach mal langsam, Heinz! Wie geht’s dir denn so?»

      «Gut. Aber eben … Ich habe Bölke getroffen.»

      Bölke, Oberkommissar Bölke – der Name rief bei Katzmann mehrere Mordfälle in Erinnerung. Wann waren die gewesen? Der letzte lag vier Jahre zurück, 1926. Seit dem anderen Fall mit Bölke waren bestimmt zehn Jahre vergangen.

      «Und wo Bölke ist, was gibt es da?»

      Was stellte Eggebrecht für dumme Fragen? Was sollte es bei Bölke schon geben? Polizeiautos? Dienstmützen?

      «Eine Leiche. Ganz frisch tot. Mord. Bestimmt. Vom Täter ist nichts bekannt.»

      «Das sagt Bölke? Mord? Bestimmt?»

      «Ach Konrad, du kennst doch den dicken Kerl. Der sagt nichts. Jedenfalls nichts, womit man etwas anfangen könnte.»

      «So …»

      «Aber ich habe einen Kopf mit Augen und Ohren, und eins und eins krieg ich auch zusammengezählt.»

      «Du kannst rechnen. Und deswegen rufst du mich an?» In der Leitung war es still. Katzmann überlegte, ob er zu weit gegangen war. Eggebrecht konnte nichts für seine schlechte Stimmung. «Tut mir leid, Heinz.»

      «Ich habe jedenfalls Photographien vom Tatort aufgenommen. Gleich nachdem die Polizisten weg waren. Da hat jemand eine hübsche Sauerei veranstaltet.»

      Katzmann brummelte: «Hm.»

      «Ich zeige dir die Bilder gern.»

      «Hm.»

      «Und dann schauen wir, ob da eine Geschichte hinter dem Blutbad lauert.»

      Vielleicht hatte der alte Freund recht. Möglicherweise lag in einem Mordfall die Abwechslung, die Katzmanns Kopf lüftete. Wenn er sich um das Leid anderer Leute kümmerte, musste er nicht an die eigenen Sorgen denken. Außerdem schaffte er es bis zum 11.35-Uhr-Zug ohnehin nicht mehr, Leistner von wichtigen Geschichten in Dresden zu überzeugen.

      «Also, was ist, Konrad», fragte Eggebrecht, «bist du dabei?»

      «In Ordnung. Ich frage Leistner, ob ich ein bisschen Platz für die Sache bekomme. Wir treffen uns, und du erzählst mir alles.»

      «Wie wär’s mal wieder mit ’nem Bier?»

      «Gut, wir treffen uns heute Abend. Bis dahin hab ich mir die offizielle Version von Bölke geholt.» Katzmann merkte, wie seine Gedanken in Schwung kamen. Er sah schon einen kleinen Vierzeiler vor sich. Den konnte er noch in die morgige Ausgabe bringen. In den kommenden Tagen würde er sich ein bisschen umhören. «Wo bist du eigentlich über die Leiche gestolpert?», fragte er Eggebrecht.

      «Bei uns im Garten!»

      «Wo?» Katzmann traute seinen Ohren nicht.

      «Mein Vater hat seit ein paar Jahren eine Parzelle in der Schrebergartenanlage. Und dort lag der Tote in einer Laube. Als ich heute Morgen ankam, hab ich die Polizisten gesehen.» Eggebrecht zögerte kurz. «Ich erzähle dir heute Abend alles in Ruhe. Kommst du mit deinem Knatterofen zu mir in den Westen?»

      Manni fasste an seine Jacke. Die Waffe steckte noch in der Innentasche. Genauso wie vor zwei Minuten, vor fünf Minuten, vor zehn Minuten. Er stand auf der Plagwitzer Brücke und sah hinunter zum Klingerhain. Dort war er mit Höker-Hannes verabredet. Die Glocken der Heilandskirche schlugen dreimal. Ihm blieb also noch eine Viertelstunde bis zum Treffen um zwei.

      Keine Polente. Manni hatte einen Blick dafür. Die Gegend war sauber wie ein frisch geputzter Lackschuh.

      Er hatte kein gutes Gefühl bei der Sache. Eine Wumme gehörte nicht zu seinem Geschäftsbereich. Damit wollte er auch gar nicht erst anfangen. Deswegen versuchte er, das Ding so schnell wie irgend möglich loszuwerden – und dabei möglichst viel Geld herauszuschlagen. Andere Beute hatte er von der Gartentour schließlich nicht, und in seinem Sparstrumpf war kein Pfennig mehr zu finden.

      Manni schlenderte stadteinwärts auf die Plagwitzer Straße. Die Waffe war noch da. Ein Passant kam ihm entgegen und sah ihn aufmerksam an. Vielleicht sollte er sich nicht so oft an die Brust fassen. Er bog links in den Klingerhain. Das Parkstück war durch verschiedene Arme der Luppe von den Villen der KarlHeine-Straße und der Elisabethallee abgetrennt. Hier herrschte an einem Montagmittag völlige Ruhe. Manni bog in den Parkweg und dann gleich nach links in Richtung Elster. Er lief im Schutz der Bäume, nur für den Fall, dass Höker-Hannes seine Meute dabei hatte. Dann konnte Manni unentdeckt die Kurve kratzen.

      Die Waffe steckte unverändert in der Innentasche seiner Jacke, und Manni hatte immer noch kein gutes Gefühl. Dabei lief alles nach Plan. In seinem Rücken bimmelte eine Glocke viermal. Dann folgten zwei tiefere Glockenschläge. Im selben Moment kam Höker-Hannes über die Brücke vom Palmengarten herübergeschlendert. Allein. Er trug einen langen schwarzen Mantel und einen Hut mit einer breiten Krempe, was ihm ein gespenstisches Aussehen gab. Mit einer Sense über der Schulter könnte er Gevatter Tod spielen.

      Nein, Manni hatte bei der Sache kein gutes Gefühl. Er merkte, wie er langsamer ging. Höker-Hannes lehnte sich an einen Baum. Wegen seiner schwarzen Kleidung verschmolz er beinahe mit dem Stamm. Manni blieben noch ein paar Meter. Er griff an seine Brust. Die Waffe war noch da.

      Höker-Hannes

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