Der ermordete Gärtner. Uwe Schimunek
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Читать онлайн книгу Der ermordete Gärtner - Uwe Schimunek страница 7
Manni nickte. Er stand vor Höker-Hannes. Aus der Nähe wirkte der Kerl in seinen schwarzen Sachen viel kleiner.
«Nu erzähl mal! Was hast du für mich?»
Manni zog die Pistole aus der Innentasche.
«Gottverdammich, das ist eine Knarre!» Höker-Hannes wich zurück.
Manni nickte.
«He, was denkst du, wer ich bin? Ein Jagdausstatter? Verdammt!»
«Ist ziemlich neu. Kriegst du bestimmt ’nen ordentlichen Batzen für.»
«’nen Batzen? Ich glaube eher an einen Riesenärger. Wo hast’n die her?»
«Gefunden.»
Höker-Hannes guckte blöd wie ein Ochse. Es fehlten nur noch Hörner unter der Hutkrempe. Mannis schlechtes Gefühl wich Ärger.
«Eigentlich will ich’s gar nicht wissen», sagte Höker-Hannes. Seine heisere Stimme klang nun, als müsse er gleich husten. «An deiner Stelle würde ich aufpassen.»
Wollte der ihm drohen? Manni ließ die Pistole um den Zeigefinger kreisen. Das hatte er geübt. «Was nun? Willst du mir Ratschläge erteilen, oder wollen wir Geschäfte machen?»
Höker-Hannes kam näher. Ohne die Waffe zu berühren, inspizierte er Lauf, Verschluss, Abzug und so weiter. «Die ist tatsächlich nicht alt. Hast du die ’nem Schutzmann geklaut?»
«Ich dachte, du wolltest das nicht wissen.»
«Hm.» Höker-Hannes zögerte. Er runzelte die Stirn. «Es ist nur … Die Vögelchen zwitschern, dass gestern einer hopsgegangen ist. Bei einem Bruch in ’nem Garten.»
Woher wusste der das schon wieder? Mannis schlechtes Gefühl kam zurück.
Höker-Hannes richtete sich auf. «Und in diesem Metier hast du ja auch Beziehungen, oder?»
«Ich weiß nicht, wovon du redest.»
«Ich meine, dass ich keine Mordwaffen aufkaufe.»
Manni überlegte. Der Tote sah nicht aus wie ein Erschossener. Und warum sollte jemand erst einen Mann erschießen, um ihm dann noch den Kopf zu zerfetzen? Außerdem war die Schatulle verstaubt gewesen. Da konnte doch keiner wenige Minuten vorher eine Wumme drin versteckt haben, oder?
«Wenn du das Ding bei mir loswerden willst, musst du draufzahlen. Dann würde ich dafür sorgen, dass die Bleispritze verschwindet. Für immer.»
«Ach nee. Lass gut sein!» Manni steckte die Pistole wieder ein.
Höker-Hannes zog den Hut ein Stück nach hinten. Seine Stirn wollte nicht enden – vier Falten, fünf Falten … «Dann werde glücklich mit deiner Mordknarre.»
Manni versuchte, die Gedanken hinter der hohen Stirn zu lesen. Würde der Kerl ihn verpfeifen? Manni klopfte auf die Brusttasche mit der Knarre und sagte laut: «Mit dieser Pistole ist niemand erschossen worden. Und das soll auch so bleiben.»
Die Falten in Höker-Hannes’ Stirn wurden noch tiefer. Da hatte Manni sich in etwas hineingeritten!
Die Frau trug schwarz – vom Hut bis zum Schuh. Heinz Eggebrecht hatte sie auf dem Weg vom Postamt das erste Mal auf dem Lindenauer Markt bemerkt. Vielleicht war sie aus einem der Krämerläden gekommen oder aus einer Haustür getreten. Das hatte er nicht beobachtet. Doch dann lief sie vor ihm die Rietschelstraße entlang und bog an der Nathanaelkirche nach links in die Roßmarktstraße. Nach dem Abzweig zur Burgauenstraße gab es kaum noch Passanten, und Eggebrecht konnte sie gar nicht übersehen. Ihr Gang erinnerte an den einer Königin im Märchen, beinahe schien es ihm, als berührte sie mit den Füßen gar nicht den Boden.
Sie schwebte die Leutzscher Straße entlang. Eggebrecht folgte ihr, auch als sie ein paar Meter weiter nach links in die Hebelstraße bog. Eigentlich hätte er hier geradeaus weitergehen müssen, um nach Hause in die Albertinerstraße zu kommen. Doch dies war sein freier Tag, und er wusste ohnehin nicht, was er in der Kammer bei seinem Vater sollte. Also schlenderte er der schwarzen Dame hinterher. Sie lief gut zwanzig Meter vor ihm. Seit dem Lindenauer Markt hatte sie sich nicht ein einziges Mal umgeschaut. Inmitten der Mietskasernen gab es nicht viel zu sehen. Eggebrecht musste nicht damit rechnen, entdeckt zu werden. Andererseits konnte er auch ihr Gesicht nicht sehen …
Er stellte sich volle Lippen vor und Augenbrauen wie mit der Feder gezogen, außerdem Wangenknochen, die sich unter der Haut abzeichneten, und eine zierliche Nase. Vielleicht hatte die Frau aber auch Gesichtszüge wie eine zerknautschte Tüte. Vielleicht bekam er einen Schreck, wenn sie sich umsah. Eggebrecht musste bei dem Gedanken lächeln. Den Schreck riskierte er.
Sie erreichte die Merseburger Straße. Eggebrecht ging langsamer, um sie nicht einzuholen. Sie stand an der Fahrbahn und wartete. Auf der Merseburger Straße fuhren Lastwagen mit Waren für das Umland, auch Personenwagen donnerten die Straße entlang. Eggebrecht blieb an einer Haustür stehen. Die schwarze Frau schaute auf die Straße. Was er von ihrem Profil sah, sprach nicht für die zerknitterte Tüte. Sie drehte sich allerdings nicht so weit herum, dass Eggebrecht ihre Gesichtszüge hätte erkennen können.
Zwischen zwei Lastwagen schlüpfte sie auf die andere Straßenseite. Eggebrecht folgte ihr, so schnell der Verkehr es zuließ. Als er die andere Straßenseite erreichte, sah er die schwarze Frau bereits nach rechts in die Cranachstraße biegen. Zwischen den Mietshäusern wirkte sie in ihrer eleganten schwarzen Kleidung wie ein Fremdkörper, so als hätte sich ein Reh in eine Wüstenei verlaufen.
Sie verschwand aus seinem Blickfeld. Er wusste, dass ihr nur ein paar Meter bis zur nächsten Straßenecke blieben, also sputete er sich. Dabei merkte er, wie ihm der Spaziergang guttat. Der Müßiggang gab ihm Ruhe. Er tat einfach ein paar Tage nichts. Er zog keine Aufträge an Land, führte keine Telephonate mit Redaktionen, sondern lief eine Weile durch die Stadt und schaute eleganten Damen hinterher …
Eggebrecht erreichte die Straßenecke – die Frau war verschwunden. Die Mietskasernen warfen lange Schatten. Sie schienen müde zu sein von den kurzen Tagen. Die Märzsonne kämpfte gegen das Leipziger Wintergrau, noch mit spärlichem Erfolg. Bäume oder gar Knospen gab es hier nicht. Wohnte die schwarze Dame hier? Das Reh in einer Oase im zweiten oder dritten Stock?
Was soll’s, dachte Eggebrecht. Für Frauen interessierte er sich zurzeit wie für Rennautomobile: Er sah ihnen gern nach, brauchte sie aber nicht. Die letzte Liaison mit einer dieser Künstlerinnen in Berlin war gerade erst zu Ende gegangen. Er konnte nicht einmal sagen, woran das lag oder wer von beiden die Trennung ausgesprochen hatte. In den letzten Jahren traf er immer auf die falschen Frauen. Davon brauchte er erst mal eine Auszeit.
Er schaute die Straße hinunter. An der Ecke zur Reuterstraße stand ein Lastwagen vor einer Baustelle. Zwei Arbeiter verschlossen die Laderampe, offenbar nahte der Feierabend. Bei dem Wagen handelte es sich augenscheinlich um ein älteres Modell, denn einer der beiden begann, mittels einer Kurbel den Motor in Gang zu setzen. Die Maschine brüllte kurz auf und tuckerte dann vor sich hin. Der Mann mit der Kurbel sprang ins Fahrerhaus, und der Wagen rollte los. Vor dem Eckhaus wurden Stapel von Pflastersteinen sichtbar. Eine Plane verdeckte vermutlich weitere Baustoffe.
Hinter den Baumaterialien stand ein Bär von einem Mann. Er trug eine dicke Arbeitsjacke und wandte Eggebrecht den Rücken zu. Eggebrecht kamen die Bewegungen des Kopfes unter der