Der ermordete Gärtner. Uwe Schimunek

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Der ermordete Gärtner - Uwe Schimunek

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schluckte. Worte wie «O mein Gott!» oder «Ach du lieber Himmel!» lagen ihm auf der Zunge und blieben auch dort. Vermutlich erwartete Frieda Begeisterung.

      «Hast du es jetzt verstanden?»

      Konnte er Dinge verstehen, die er sich nicht einmal vorstellen konnte? Katzmann war sich nicht sicher, nickte dennoch.

      «Na fein.» Frieda hob ihre Limonade, als wolle sie ihm zuprosten.

      Katzmann hielt ihr aus einem Reflex heraus sein Weinglas entgegen und trank dann einen Schluck. Der Wein legte seinen Mund trocken, der Rachen fühlte sich an wie eine Sandsteinschlucht.

      «Und? Du freust dich wohl eher innerlich?»

      Frieda hatte ihren Humor nicht verloren. Das beruhigte Katzmann. Er stellte das Glas ab und sah Frieda an. Auf ihrem Gesicht war dieses Lächeln, das Frauen immer dann zeigten, wenn sie um ihre Unwiderstehlichkeit wussten. «Aber du hast gar keinen Bauch. Ich meine …»

      «Konrad, wir bekommen das Würmchen nicht heute Abend. Du musst dich noch bis zum Herbst gedulden.»

      Bis zum Herbst – da hatte er noch den ganzen Sommer, um sich an den Gedanken zu gewöhnen. Außerdem wurde er Vater und nicht Mutter. Er musste vor allem für genügend Geld sorgen, denn Frieda würde ihre Stelle aufgeben. Als Chefreporter bei der Leipziger Volkszeitung verdiente er kein Vermögen, aber mit dem Ersparten sollte es für einen weiteren kleinen Mund reichen – trotz Krise.

      «Malst du dir schon aus, wie schön es wird?»

      «Um ehrlich zu sein, würde ich mir damit gern ein bisschen Zeit lassen.»

      Harry krabbelte auf Friedas Schoß und schob seine Schnauze unter ihre Hand. Frieda kraulte den Hund hinter den Schlappohren, als sie sagte: «Wir haben ganz viel Zeit.»

      Katzmann nickte und schaute Frieda an. Sie sah nicht anders aus als gestern. «Und du bist auch ganz sicher?»

      Frieda lächelte mit einer Nachsicht, als übe sie schon für ihre Mutterrolle. «Konrad, du kannst mir das glauben. Frauen wissen so etwas.»

      Katzmann trank einen Schluck Wein und legte die Zeitung zur Seite. Zum Lesen kam er sowieso nicht mehr.

      «Wir sollten deinen Eltern Bescheid sagen, bevor sie es selbst sehen können – meinst du nicht, Konrad?»

      Heinz Eggebrecht balancierte den Krug mit dem Bier die Treppe hinauf. Der Wirt in der Eckkneipe hatte es gut gemeint und das Zweilitergefäß bis zum Rand gefüllt. Wahrscheinlich hätte er noch einen Berg aufgeschüttet, wenn Bier nicht so flüssig wäre. Nun, den Verlust von ein paar Tropfen konnte Eggebrecht verschmerzen. Das war nämlich schon die dritte Runde, die er holte.

      Im dritten Stock wartete sein Vater bereits in der Tür. Im Rahmen und im Gegenlicht wirkte er größer – erinnerte an eine der Skulpturen von Arbeitern, die russische Künstler neuerdings für realistisch hielten.

      «Na, Junge, haste schnell noch eins am Tresen gekippt?»

      «Nein, Vater.» Und nenn mich nicht immer Junge, ich bin über dreißig, fügte Eggebrecht in Gedanken hinzu.

      «Immerhin ist der Humpen ordentlich voll.» Der Vater trottete in die Wohnung. In der Küche nahm er ihre Bembel aus dem Waschbecken und stellte sie auf den Esstisch. «Ich hab kurz abgespült.»

      Eggebrecht schenkte das frische Bier ein.

      Sein Vater nahm die Flasche mit dem Holunderblütenschnaps und füllte zwei Kurze. «Der ist bald alle. Wird Zeit, dass der Frühling kommt.»

      «Hm.» Eggebrecht befürchtete, dass der Schnaps ihn am nächsten Morgen noch mehr beschäftigen werde als jetzt. Er brauchte das Schnapsglas nur anzuschauen, und schon schien ein Quirl in seinem Kopf zu rotieren.

      «Prost, mein Junge!» Der Vater trank den Fusel in einem Zug.

      Eggebrecht nippte und hatte das Gefühl, mit den Lippen am Glas kleben zu bleiben, so sehr hatten die Holunderblüten den Klaren angedickt.

      «Was treibst du morgen so?», fragte der Vater.

      «Erst mal ausschlafen. Und dann … mal sehen.»

      «Hm …»

      Es wollte offenbar nicht in Vaters Kopf, dass der Montag ein freier Tag sein konnte. Bis in die Nacht hatte Heinz Eggebrecht die Photographien von der Berliner Premiere der Max-Brand-Oper Maschinist Hopkins an der Staatsoper abgezogen, damit sie rechtzeitig in den Redaktionen lagen. Erst am Nachmittag war er wieder in Leipzig angekommen. Sein Vater wusste das. Dennoch tat er so, als sei «der Junge» ein Faulenzer, wenn er ausschlafen wollte.

      Eggebrecht hob seinen Bembel. «Wenn du von der Arbeit kommst, werde ich schon wach sein.»

      Vater seufzte und zündete sich eine Zigarette an.

      Eggebrecht nahm auch eine aus der Kiste. «Ach komm schon, Vater! Ich werde am Dienstag bei meinen Redaktionen anrufen und fragen, wann es wieder Termine gibt. Und morgen ist mein Sonntag.»

      «Als du das letzte Mal hier warst, hattest du eine ganze Menge Sonntage …»

      Der Vater hatte recht, das wusste Eggebrecht. Seine Auftraggeber mussten sparen. Die Werbekunden schalteten weniger Anzeigen, die Zeitschriften druckten weniger Photographien. Das betraf alle Kollegen. Doch ihm bereitete das keine Sorgen. Ohne Familie und ohne Verpflichtungen, hatte er in den letzten Jahren ein ordentliches Guthaben angehäuft. Wenn er weiterhin hier und da einen Auftrag bekäme, würde er problemlos über ein bis zwei Jahre Krise kommen. Er hatte also genug Zeit, sich in dieser schweren Zeit um seinen Vater zu kümmern. Das wollte er dem Alten aber nicht sagen. Also schwieg er und trank.

      Der Vater schenkte noch einmal Schnaps in die Gläser. Eggebrecht rauchte und fragte sich, wie der Alte morgen früh aus dem Bett kommen wollte, sah der doch jetzt schon aus, als sei er wochenlang mit Schlafentzug gefoltert worden.

      «Ach Junge, du sagst gar nichts.» Der Vater hob sein Schnapsglas. «Ich stelle mich darauf ein, dass du wieder eine Weile da bist. Prost darauf!»

      «Prost!» Der Schnaps brannte, als wolle er in Eggebrechts Magen die Höllenglut entfachen.

      «Wenn du hier bist, kannst du wenigstens nicht mehr in schlechte Gesellschaft geraten. Bei diesen ganzen Künstlern.»

      «Vater, ich mache Photos von denen. Das sind keine schlechten Kerle, und die machen auch ihre Arbeit.»

      «Arbeit …» Der Vater winkte ab.

      «Vater, die Künstler schaffen etwas. Fremde Menschen bezahlen etwas dafür. Also verdienen sie ihr Geld genauso wie du.»

      Der Vater lachte. Es klang, als würde seine Verachtung aus den Wangen platzen. Dann wurde er ernst. «Mein Junge, wenn ich arbeite, steht am Ende ein Haus. Darin kann man wohnen. Und bei so einer Sängerin», Vater stieß noch ein Lachen aus, «ist das Ergebnis doch nur ein Lied … Kannst du darin wohnen? Kannst du es essen? Kannst du sonst etwas damit anfangen?»

      Bloß nicht widersprechen, dachte Eggebrecht. Nur keinen Streit anfangen, wenn der Vater diese Anzahl Bier und Kurze intus hatte. Und schon gar nicht über Sängerinnen in Berlin. Schließlich gehörte eine bestimmte

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