Der ermordete Gärtner. Uwe Schimunek
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Читать онлайн книгу Der ermordete Gärtner - Uwe Schimunek страница 5
Eggebrecht schaute den Weg hinunter. Fünf, sechs Gärten entfernt tummelten sich weitere Polizisten. An einem Gartentor tauchte ein dicker Mann auf – kein Zweifel, Oberkommissar Bölke. Der kümmerte sich um Mord und Totschlag. Was trieb er hier in der Gartenanlage?
«Eggebrecht ist mein Name, Heinz Eggebrecht.»
«Aha.» Das Wort klang, als sage der Polizist «Warum nicht gleich so?».
«Ist das Oberkommissar Bölke?»
«Woher kennen Sie …» In die Skepsis des Beamten schien sich Sorge zu mischen.
Eggebrecht zögerte kurz und entschied sich dann für die Offensive. Er versuchte, so wichtig zu klingen wie ein Politiker. «Ich habe schon mehrfach die Mordermittlungen des Herrn Bölke begleitet. Als Journalist und in bester Zusammenarbeit.» Das war zwar dick aufgetragen, stimmte aber mit einigem Augenzudrücken. Immerhin schon zweimal hatte er gemeinsam mit Katzmann Fälle bearbeitet und am Ende sogar die Mörder gejagt. Seine Behauptung zeigte Wirkung, der Polizist zog den Kopf ein und nickte.
Eggebrecht führte die Hand wie beim Militärgruß zur Stirn. «Ich finde den Herrn Oberkommissar selbst. Guten Tag!»
Er schob sein Rad den Kiesweg hinunter, mit jedem Schritt sah er weitere Polizisten. Sie mussten im Dutzend durch die Anlage wuseln. Ein Photograph stand im Garten schräg gegenüber der Eggebrecht’schen Hecke und fertigte Lichtbilder. Fünf, sechs Uniformierte krabbelten durch die Beete, als wollten sie Unkraut jäten, aber sicher suchten sie nach Spuren. Die Tür zur Laube stand offen, auch drinnen waren Uniformen zu sehen.
Drei weitere Polizisten machten sich im Nachbargarten am Geräteschuppen zu schaffen. Dort stand auch Bölke mit einem hageren alten Mann in Zivil. Die beiden erinnerten auf die Entfernung an Pat und Patachon. Wie in den dänischen Klamaukfilmen konnte der Dürre dem Dicken locker auf den Kopf spucken. Allerdings hatte Bölkes Körperumfang Ausmaße angenommen, die jede Kinoleinwand sprengen würden. Wenn der Oberkommissar seine Uniformjacke auf der Wiese ablegte, könnte eine vierköpfige Familie darauf bequem ein Picknick abhalten, schätzte Eggebrecht.
Noch blieben zwanzig Meter bis zum Garten – Zeit genug zu überlegen, wie er möglichst viele Details von Bölke erfuhr. Eggebrecht verlangsamte seine Schritte, ein Polizist schaute zu ihm. Der Militärgruß half erneut, der Beamte salutierte ebenfalls und widmete sich wieder der Spurensuche. Eggebrecht passierte den Garten mit dem größten Polizeiauflauf, bis zu Pat und Patachon blieben noch zehn Meter. Vielleicht sollte er Bölke überrumpeln, indem er gleich bei der Begrüßung nach der Leiche fragte. Denn dass es hier eine gab, schien Eggebrecht eine ausgemachte Sache zu sein.
«Was machen Sie denn hier?» Bölke sah ihn an, als fürchte er zu halluzinieren.
«Ich bin zufällig hier, Herr Oberkommissar. Und Sie, welche Leichen graben Sie aus den Beeten?»
Nun guckte Bölke, als ginge er die Tatbestände durch, die er Eggebrecht anhängen konnte. Der Oberkommissar drehte sich zur Kopie von Patachon. «Kennen Sie den jungen Mann, Herr Zebulke?»
«Nie gesehen.»
Bölke tapste auf Eggebrecht zu, der Dürre lief hinterher wie ein zu groß geratener Hund. Eggebrecht ging dem Oberkommissar entgegen.
«Zufällig sind Sie also hier, Herr … Eckenbernd – oder wie war das gleich?» Bölke japste beim Sprechen, als habe er minutenlang die Luft anhalten müssen.
«Eggebrecht. Meinem Vater gehört der Garten da drüben.» Eggebrecht wies auf die Hecke, die ein paar Meter weiter vis-à-vis am Wegesrand stand. «Er bat mich, ein paar Sachen herzubringen. Ich habe nämlich heute meinen freien Tag. Es scheint mir auch besser zu sein, hier regelmäßig nach dem Rechten zu schauen.»
«Wie heißt Ihr Vater?»
«Eggebrecht.»
Bölke sah ihn an, als wolle er ihn am liebsten einkerkern.
«Paul, Paul Eggebrecht.»
Bölke wandte sich zur Kleingärtner-Ausgabe von Patachon. «Den kennen Sie aber, Herr Zebulke.»
«Natürlich kenne ich den Eggebrecht-Paul. Hält seinen Garten in Ordnung, der Paule. Vielleicht könnte die Hütte mal einen Anstrich vertragen.»
«Dann lassen Sie uns doch schauen, ob die Diebe auch Ihren Garten besucht haben», sagte Bölke.
«Die Bande hat den ganzen Weg herunter marodiert», erklärte Zebulke. «Oben beim Hempel-Adam haben sie den Geräteschuppen aufgebrochen, bei mir waren sie in der Laube und dann auch noch beim armen Gebhardt-Franz.»
Bölke sah den Dürren böse an, aber der bemerkte das nicht und redete weiter. «Übel haben sie den Gebhardt-Franz zugerichtet, die Strolche. Ich habe ihn heute Morgen gefunden.» Bei seinen letzten Worten zeigte Zebulke hinter sich zum Garten, in dem sich der Photograph und die Spurensucher tummelten.
«Und der Herr Gebhardt war über Nacht in seiner Laube?», fragte Eggebrecht.
«Werter Herr Eggebrecht», Bölke blieb stehen und sprach laut, als hielte er eine Ansprache, «ich kann Ihnen bestätigen, dass wir Ermittlungen wegen eines Tötungsdeliktes aufgenommen haben. Und Herr Zebulke hat es Ihnen gesagt, wir haben Anlass zur Annahme, dass es sich bei dem Toten um Herrn Franz Gebhardt handelt. Mehr gibt es im Augenblick nicht zu sagen. Auch nichts zum Zeitpunkt einer etwaigen Tat.»
Bölke lief wieder los. Eggebrecht und Zebulke trotteten hinterher. Für einen Moment war nur das Knirschen ihrer Schritte zu hören.
In Höhe der Eggebrecht’schen Hecke sagte Bölke zu Zebulke: «Ich möchte Sie bitten, keine Gerüchte in Umlauf zu bringen.» An Eggebrecht gewandt fuhr er fort: «Und wenn Sie oder Ihr schreibender Freund Katzmann Informationen brauchen, dann melden Sie sich bitte bei mir. Ausschließlich bei mir!»
Zebulke nickte, Eggebrecht auch.
«Na, dann ist ja alles klar.» Bölke blickte über das Gartentor zur Laube des alten Eggebrecht. «Ich schicke Ihnen einen Beamten, der mit Ihnen den Schaden an Ihrer Laubentür protokolliert.»
Konrad Katzmann saß in seinem Bureau und starrte auf seine Schreibmaschine. Die Erika hatte er sich im vorigen Jahr geleistet, das zusammenklappbare Modell konnte er auf Reportagereisen oder nach Dresden mitnehmen. Im Augenblick war die Walze leer. Und selbst wenn er einen Bogen Papier einspannen würde, fiele ihm bestimmt nichts ein. Seine Gedanken waren nicht in diesem Bureau …
Er nahm den Stapel Papier in die Hand, den Leistner ihm vorhin übergeben hatte. Der Chefredakteur wollte, dass er die wichtigsten Artikel der heutigen Ausgabe las, bevor die Leipziger Volkszeitung am Nachmittag erschien. Katzmann überflog die erste Seite. Parteitag der Volkspartei. In dem Artikel lobte der Vorsitzende der Deutschen Volkspartei das Ende des politischen Tauziehens um den Youngplan, der dem Deutschen Reich gewisse Entlastungen bei den Reparationszahlungen aus dem Ersten Weltkrieg verschaffte. Jetzt müsse die Deutsche Volkspartei für die innere Sanierung der deutschen Wirtschaft und der Finanzen ernsthaft Sorge tragen. Er blätterte weiter. Brotgesetz und Zollerhöhung. Der Einspalter, der neben den Aufmacher auf die erste Seite sollte, prangerte einen Gesetzentwurf an, der Getreideimporte aus Russland verteuern sollte. Eingestandenermaßen hat der Gesetzentwurf nur den einen Zweck: Steigerung des Roggenbrotkonsums zugunsten des tiefverschuldeten roggenbauenden Großgrundbesitzes östlich der Elbe.