Kalte Zukunft. Benjamin Blizz
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Kalte Zukunft - Benjamin Blizz страница 8
Dort, wo der Flyer ein Bild einer PECS-Solarzelle zeigte, erschien nun in Shanes Kopf das Gesicht der jungen Forschungsleiterin. Eine kindliche Schwärmerei sorgte dafür, dass er ihr offenes freundliches Lächeln nicht mehr vergessen konnte. So hatte er sich schon lange nicht mehr gefühlt; allerdings war er sich über seine Gefühle auch nicht wirklich im Klaren. Er musste sie unbedingt besser kennenlernen, andernfalls könnte sie eine Leere in ihm zurücklassen, die er sich wahrscheinlich nie verzeihen würde.
Eigentlich war es lächerlich! Er hatte sie gerade einmal fünf Minuten mit ihr unterhalten und trotzdem übte sie eine Faszination auf ihn aus, die ihn an die Zeit seiner Jugend erinnerte. Wie hieß es doch so schön: Ein paar Minuten, um jemanden zu mögen, eine Stunde, um sich in ihn zu verlieben – und ein Leben, um ihn wieder zu vergessen.
Er versuchte, die kreisenden Gedanken in seinem Schädel zur Ruhe zu bringen und widmete sich weiter dem Flyer. Das Programm sah erst für 15:00 Uhr ein erstes gemeinsames Zusammentreffen aller Gäste in der Bibliothek vor. Demnach blieb ihm noch genügend Zeit, um im Pool ein paar Bahnen zu ziehen. Wenn es einen Sport gab, der Shane erfüllte, dann war es das Schwimmen. Das Wasser vermittelte ihm das Gefühl, getragen zu werden; gleichzeitig umhüllte es seinen Körper wie eine wärmende Schutzschicht, die ihn gegen die störenden Einflüsse des Alltags abschottete. In seiner Schulzeit hatte er sogar den ersten Platz der britischen Meisterschaft im Freistilschwimmen bei den unter 20jährigen gewonnen. Aus dem ehemaligen Leistungssport war mit den Jahren jedoch nur noch ein erholsames Hobby geworden. Wie so viele Dinge im Leben, für die er nie die Zeit fand.
Vom Tisch aus beobachtete er die emsigen Angestellten, die seit dem frühen Morgen förmlich aus allen Löchern gekrochen kamen und sich in Scharen ihren Aufgaben widmeten. Jedes Mal, wenn er so viele arbeitende Menschen sah, musste er unwillkürlich an einen Ameisenstaat denken. Aber was war die Menschheit genaugenommen denn mehr als ein Ameisenstaat?
Kapitel 5
»Meine sehr geehrten Damen und Herren, dürfte ich um Ihre Aufmerksamkeit bitten!«, verschaffte sich Estella Meinhard breit lächelnd Gehör.
Die in Smalltalk vertieften Gäste wandten sich ihr zu und verstummten in ihren Unterhaltungen.
»Setzen Sie sich doch bitte!«
Estella deutete auf die gepolsterten Ledersessel mit rotem Brokat. Shane kippte den letzten Rest Champagner noch halbwegs würdevoll herunter und folgte ihrer Anweisung.
»Als Erstes möchte ich Sie noch einmal ganz herzlich im Namen von Hawkes Energy und Hawkes Enterprises begrüßen. Mein Name ist Estella Meinhard, aber Sie haben mich ja bereits beim Empfang kennengelernt. Warum Sie alle hier sind, brauche ich Ihnen wohl nicht zu erläutern, da ich davon ausgehe, dass Sie unser Einladungsschreiben gelesen haben – oder zumindest Ihre Sekretärinnen!«
Zögerliches Lachen breitete sich in der Bibliothek aus.
»Bevor ich nun weiter auf unser Vorhaben und das Programm der nächsten zwei Tage eingehe, möchte ich Sie noch mit den Projektleitern der Anlage bekannt machen.«
Zwei Männer in Anzug und eine wenig attraktive Frau gehobenen Alters traten vor. Den einen Mann erkannte Shane als Bill Fritzsch, den Sicherheitschef.
»Mister Heckler ist der leitende Wissenschaftler des PECS-Kraftwerks und für alle dortigen Aufgaben verantwortlich«, stellte sie den graubärtigen Mann ganz links vor. Die Gäste schenkten ihm einen kurzen Beifall.
»Danke!«, sagte Heckler verlegen. »Neben dem reibungslosen Ablauf der Anlage beaufsichtige ich unter anderem auch unser technisches Labor, in welchem wir unsere Forschungen zu einer effizienteren Energiegewinnung aus alternativen Quellen betreiben. Der Großteil der Forschung von Hawkes Enterprises findet jedoch in unserem Hauptsitz in Deutschland statt. In den nächsten Tagen werde ich gerne all Ihre technischen Fragen beantworten.«
Wieder Beifall. Nervös trat der Wissenschaftler zurück.
»Nun darf ich Ihnen Mrs. Blinow, die Geschäftsführerin von Sun City vorstellen.«
Shane musterte die pummelige Russin und ertappte sich dabei, wie er sie unwillkürlich mit einem Walrossweibchen verglich und ihr Gesicht in Gedanken um spitze Stoßzähne ergänzte.
»Wie Miss Meinhard bereits erwähnt hat, bin ich die Geschäftsführerin unserer kleinen Stadt in der Wüste und somit hauptsächlich für Ihr Wohlbefinden und das der zukünftigen Besucher verantwortlich. Sollten Sie irgendeinen Wunsch haben, zögern Sie nicht, ihn mir oder Miss Ling mitzuteilen. Im Laufe des heutigen Dinners werde ich Sie mit der Planung unserer zukünftigen Urlaubsanlage vertraut machen.«
»Da werden Sie sich vor Fragen kaum retten können«, kam es aus der Menge. David Meier hatte ein breites, unhöfliches Grinsen aufgesetzt und sah sich Bestätigung suchend um.
Shane war ihm erst zwei- oder dreimal begegnet, aber das Verhalten des Vorstandsvorsitzenden war stets dasselbe: rüpelhaft und abwertend, was auch die eher verhaltenen Reaktionen der anderen Anwesenden erklärte.
»Ich verstehe nicht, wie man auf die Idee kommen kann, eine Urlaubsanlage mitten in der Wüste zu errichten und diese auch noch an ein Kraftwerk zu koppeln. Hier gibt es doch für Touristen rein gar nichts von Interesse. Einen trostloseren Ort habe ich noch nie gesehen.«
»Ich glaube, Sie brauchen eine neue Brille, David«, ergriff Lennard Frank zum ersten Mal das Wort. »Haben Sie denn noch nicht einmal die Zeit gefunden, aus dem Fenster zu schauen?«
Frank spielte natürlich auf die Oasenlandschaft an, doch Meier schien offensichtlich nicht zu wissen, wovon der Privatinvestor sprach – zumindest ließ sein gleichgültiger Ausdruck darauf schließen.
»Ich weiß nicht, was Sie meinen, Lennard«, erwiderte er leicht gereizt. Kichern breitete sich aus, was die schlechte Laune des ungemütlichen Geschäftsmannes nur noch verstärkte.
»Beim Dinner können wir uns gerne darüber unterhalten«, sagte Blinow und sorgte damit wieder für Ruhe.
Shane ließ seinen Blick durch die auf antik getrimmte Bibliothek schweifen. Das Höflichkeitsgeplänkel interessierte ihn herzlich wenig. Ob die Bücher echt sind?, fragte er sich mit einem gewissen Amüsement. Aber es wäre wohl ziemlich unangebracht gewesen, Buchattrappen in die Regale zu stellen.
Der Raum wurde durch altmodische Kerzenleuchter mit Glühbirnen erhellt und besaß weder Fenster noch andere Türen als die, durch die sie gekommen waren.
Shane lehnte sich zurück. Die Zeit, die Estella brauchte, um Fritzsch vorzustellen, konnte er dazu benutzen, sich einen Überblick über die anderen Gäste zu verschaffen. Es bereitete ihm immer wieder ein heimliches Vergnügen, andere zu beobachten, wenn diese nicht damit rechneten.
Beispielsweise Thalia Morgan, die bis jetzt noch kein Wort gesagt hatte. Sie saß aufrecht auf ihrem Stuhl und gab sich interessiert,