Zwei gegen Ragnarøk. Hans-Jürgen Hennig
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Читать онлайн книгу Zwei gegen Ragnarøk - Hans-Jürgen Hennig страница 16
„Wie ein Eichhörnchen müsste man auf diesem Ast lang laufen können“, dachte sie und schob sich Stück für Stück vorwärts. Dann erreichte sie eine Position, von der sie hervorragend alle Schweine im Blick hatte, die unter ihr im Schlamm wühlten. Sie band ihr Apfelsäckchen fest, legte sich bäuchlings auf den Ast und ließ Arme und Beine einfach herunterbaumeln. Ja, so ging es gut und sie freute sich über ihren Einfall. Die Schweine unter ihr grunzten, schmatzen und schubsten sich gegenseitig, und Hilda hörte deutlich, wie sie die Eicheln kauten. Hmmm, sie hatte sich ja auch etwas zum Kauen mitgenommen und fingerte an dem Säckchen herum, bis sie einen Apfel in der Hand hatte. Sie biss so herzhaft hinein, dass ihr der süße Saft gleich an den Mundwinkeln herunter lief.
„Eigentlich müssten alle Alvitur ständig dafür danken, dass er vor vielen Jahren die Apfelbäume nach Björkendal gebracht hatte“, ging es ihr durch den Kopf und sie biss gleich noch einmal kräftig in den Apfel.
Hilda knabberte nur das süße Fruchtfleisch ab und ließ den Apfelgriebsch einfach fallen. Sofort stürzten sich mehrere Schweine, mit gierigem Quieken, auf den leckeren Happen. Hilda lachte laut auf. Das gefiel ihr, wie die Schweine vor Vergnügen oder Neid um den Apfelgriebsch herumtobten und sich gegenseitig schubsten. Sie griff nach dem nächsten Apfel und ließ ihn schon nach wenigen Bissen in den Matsch fallen, und wieder folgte lautes Gequieke mit Schweinekeilerei. Das war ein Spaß und Hilda lachte laut auf. Sofort hatte sie den nächsten Apfel in der Hand, biss aber nur eine Hälfte ab und er landete wieder im Schlamm, zwischen den Schweinen. Sofort stürzte die, inzwischen richtig wild gewordene Schweinehorde auf den neuen Leckerbissen. Hilda lachte glucksend, denn die Wirkung ihrer Apfelstücke gefiel ihr ausgezeichnet und sie wollte gleich für noch mehr Gequieke sorgen. Laut kichernd warf sie die Apfelstücke nun mal hierhin und mal dorthin. Die Schweinehorde folgte prompt und stützte sich auf jedes Apfelstückchen, so dass der Schlamm am Fuße der Eiche hoch aufspritzte und das Gequieke der Schweine wohl im ganzen Dorf zu hören sein würde.
Hilda lachte übermütig. „Hier habt ihr noch einen Happen“ – und wieder flog ein Apfelstück in den Modder.
Mittlerweile wurde das Gequieke, der Schlamm verspritzenden Schweine, fast ohrenbetäubend, aber Hilda warf weitere Apfelstückchen hinunter. „Ja, die schmecken euch bestimmt besser, als die ollen Eicheln“, rief sie laut lachend.
Sie hatte auch schon einmal eine Eichel probiert, aber die hatte ihr überhaupt nicht geschmeckt. Die war so bitter, dass die Zunge davon richtig stumpf wurde und sie machte: „Brrr, bäää“, als sie daran dachte. Da waren die saftigen Äpfel schon viel besser und sie griff sich gleich zwei Stück, biss sie nur durch und warf die Hälften hinunter zu den Schweinen.
„Hui“, rief sie und kreischte vor Vergnügen, wie die Schweine, sich gegenseitig rammend und über die Äpfel herfielen. Manche Schweine nahmen sogar Anlauf, um andere weg zu schubsen. Die geschubsten Schweine quiekten jedes Mal so laut, als ginge es ihnen ans Leben.
Nach und nach warf sie immer mehr durchgebissene Äpfel unter die Schweine und kaute nur noch gelegentlich an einem Bissen. Der Spaß stachelte sie so an, dass sie sich vor Lachen schüttelte. Der Matsch unter ihr spritzte hoch auf, die Schweine quiekten und grunzten, so dass einige Leute aus dem Dorf näher kamen, weil diese Art von Lärm doch etwas absonderlich war und sie wissen wollten, was da los sei. Einen Apfel im Mund und in jeder Hand einen angebissenen Apfel, lag Hilda auf dem großen Ast und lachte. Als sie aber vor lauter Lachen auch noch mit den Füßen zu strampeln begann, verlor sie den Halt. Hilda war zwar ein geschicktes Mädchen, aber mit zwei Äpfeln in der Hand und einem im Mund gelang es ihr nicht mehr, sich auf dem Ast zu halten und plötzlich hing sie kopfüber, an einem Bein herunter.
Zu spät öffnete Hilda ihre Hände und ließ die Äpfel fallen. Als sie einen Schreckensschrei ausstieß, fiel auch der Apfel aus ihrem Mund, zwischen die quiekenden Schweine. Mittlerweile waren, durch den Lärm, so viele Leute angelockt, dass das halbe Dorf rund um die Eiche versammelt stand und dem ungewöhnlichen Treiben zusah.
„Schaut mal da oben, dort im Baum hängt Hilda“, rief Fegurd, die Frau vom Bogenbauer. Alle schauten zu Hilda hinauf und begannen zu laut lachen.
Hilda indes kämpfte verzweifelt, um sich aus ihrer misslichen Lage zu befreien. Sie hing immer noch kopfüber, mit nur einem Bein, am Ast. In ihrer Not griff sie mit beiden Händen nach dem festgebundenen Apfelsäckchen und wollte sich daran hoch ziehen, aber – ratsch; die Strippen rissen und Hilda fiel mit all ihren restlichen Äpfeln vom Baum. Mit einem Aufschrei, gefolgt von einem lauten Platschen, fiel Hilda in die Schweinesuhle. Es spritzte gewaltig, die Schweine quiekten ohrenbetäubend und rannten erschrocken, nach allen Seiten auseinander. Nach einem lauten Ooooh, das fast gleichzeitig aus allen Mündern kam, war Stille unter der Eiche. Nur patschende und schmatzende Schweine waren noch zu hören, die sich wieder über die restlichen Äpfel hermachten.
Nach und nach setzte verhaltenes Geraune und Gekicher ein. Bjolfur, der Bogenbauer, rief belustigt: „Bravo, Hilda, das war Klasse. Kannst du das noch mal machen?“
Alle lachten über Bjolfurs Scherz und sein Sohn Stufi quiekte mit heller Kinderstimme: „Papa, ich will auch mal, hebst du mich in den Baum?“
Unter den neugierigen Blicken der Björkendaler war es, als ob der Modder lebendig wurde und Hilda erhob sich aus dem Schlamm. Sie war über und über voller Modder, hustete, spuckte, wischte sich die Augen und schaute nach oben.
Der Schmerz lies Hilda keuchen und sie hielt sich mit beiden Händen den Bauch. Als sie die lustige Menge um sich herumstehen sah, zog sie einen schmerzvollen Flunsch. Sie fand ihre Situation überhaupt nicht lustig und schon gar nicht, dass sie mit ihrem Missgeschick Mittelpunkt des Spotts der Leute wurde.
Da rief Stufi auch noch laut: „Hiiie, seht mal, da ist ein Schlammmonster!“
Ein anderer rief: „Das sieht eher wie ein Sumpftroll aus!“
Alle lachten auf und einer rief: „Ein Schlammmonster, uuuh, ein Ungeheuer, rennt um euer Leben!“
Dass Stufi, der Stummel, über sie lachte, machte Hilda erst richtig wütend und sie rannte auf ihn zu, streckte ihre schlammbeschmierten Hände wie Krallen aus und fletschte, gruselig stöhnend, die Zähne.
Schlagartig verging dem Jungen das Lachen. Er kreischte auf und versteckte sich ängstlich hinter seinem Vater.
Und wieder lachten die Leute schallend. Irgendwer rief: „Seht, das Monster will Kinder fressen, schnell weg von hier.“
An dieser Art Spott fand Hilda überhaupt keinen Gefallen mehr, denn ihr taten vom Sturz die Arme und der Bauch weh. Sie war von oben bis unten mit Modder bedeckt und ihr war zum Heulen zumute. Wegen des Spotts kam aber auch Wut in ihr hoch und sie stampfte mit dem Fuß auf, dass der Modder nur so spritzte. Sie rief mit weinerlicher Stimme: „Ihr seid ja alle gemein. Ich bin die Hilda und kein Schlammmonster!“
Hinter dem Rücken seines Vaters geschützt, meldete Stufig sich wieder: „Die Strumpfhilda sieht aber ganz anders aus. Die kenne ich nämlich.“
Wieder lachten alle. „Strumpfhilda?“, „das soll Strumpfhilda sein?“
Diesen Namen Strumpfhilda mochte Hilda schon gar nicht und sie wurde noch wütender, aber sie fühlte sich auch gleichzeitig so hilflos, dass ein Schluchtzer in ihrer Kehle hochstieg. In ihrer Hilflosigkeit und Wut griff sie in den mit Schweinekacke durchmischten Schlamm zu ihren Füßen und warf eine Handvoll nach der anderen in die lachende Menge. Fast wie ein kleiner Trost war es für Hilda, dass die Leute nun aufkreischten und das nun auch nicht mehr lustig fanden.
Als eine ihrer