Zwei gegen Ragnarøk. Hans-Jürgen Hennig

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Zwei gegen Ragnarøk - Hans-Jürgen Hennig

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drang Sölvis Stimme in Hildas nebliges Gedankenchaos. „Sölvi! Sölvi? Wieso, was ist?“

      Dann kam sie endlich wirklich zu sich und schaute dem Freund verdutzt in die besorgten Augen.

      „Sölvi, was ist? Nein, ich bin nicht tot und schlecht ist mir auch nicht.“

      Dann setzte sie sich auf, nahm Sölvis Hand und schenkte ihm ein dankbares Lächeln.

      Sölvi sah sie besorgt an und sagte: „Du wolltest doch nach Hause gehen. Warum bist du dann hier gelandet? Ich wollte dir nachgehen, aber du warst so schnell weg. Dann habe ich aber Skyggi gesehen, wie er hier über dem Baum herumflatterte und so fand dich. Mir ist was Wichtiges eingefallen, was ich dir sagen wollte. Vielleicht ist es ja Quatsch, aber vielleicht auch nicht.“

      Nun schaute Hilda interessiert.

      „Sag, was dir eingefallen ist, bitte. Ich kann im Moment nicht mehr klar denken. Alles schwirrt in meinem Kopf durcheinander.“

      „Hilda, das mit dem eigenen Blut ging mir durch den Kopf. Ich glaube, ich weiß, was die Nornen damit gemeint haben. Die Familie ist doch von einem Blut und sie gibt dir Kraft und da ist einer, genau von deinem Blut, weil er dein Bruder ist. Die Nornen meinten Falki. Falki ist von deinem Blut und er würde, so wie ich ihn kenne, sein ganzes Blut ohne zögern für dich geben.“

      Hilda dachte einen Moment lang nach, dann riss sie die Augen auf. „Sölvi, ich glaube, dass du der klügste Junge bei uns bist und dass du Recht hast.“

      Sie beugte sich zu Sölvi und drückte ihn fest.

      „Wir sollen auch aufeinander acht geben, hat Alvitur auch gesagt. Sölvi, du bist ein guter Freund und ich werde immer auf dich acht geben, das verspreche ich dir“, dann drückte sie ganz fest seine Hand.

      Abends gab es zum Essen frischen Fisch. Falki tat aus Scherz ganz betrübt, das er Hildas Wunschfisch, den knurrenden Quallenhai nicht gefangen hatte. Dafür hatte er aber einen Dornenhai mit nach Hause gebracht und sogar einen ziemlich großen. Der Fisch war fast so lang wie er. Falki meinte, dass sie heute gut gefangen hätten, auch viele andere Fische, aber Hilda wollte ja einen Hai und da hat er eben diesen mitgebracht.

      Es wurde ein wunderbares Abendessen. Die Mutter hatte sich wirklich viel Mühe gegeben, um alles, Hildas Wunsch entsprechend, zuzubereiten. Doch Hilda saß irgendwie abwesend am Tisch und alle merkten, dass es ihr ziemlich egal war, was sie jetzt zwischen den Zähnen hatte. Sie hätte bestimmt auch alten Trockenfisch gegessen, ohne es zu merken.

      Falki schaute nun doch etwas besorgt auf seine Schwester. Er streichelte ihre Hand und fragte: „Was hast du denn? Hat Alvitur etwas Schlimmes erzählt?“

      Mutter Hilda legte ihren Finger auf Falkis Mund und flüsterte: „Lass sie, sie wird schon mit dir reden. Ich ahne schon worüber Alvitur mit ihr gesprochen hat. Lass sie das erst mal alles verdauen. Morgen ist auch noch ein Tag.“

      „Hmm, na gut“, machte Falki und freute sich, dass er sich den Bauch nun alleine mit dem leckeren Essen voll stopfen konnte.

      Später, unter ihren Fellen konnte Hilda lange nicht einschlafen. Immer wieder gingen ihr Alviturs Worte und die Prophezeiung durch den Kopf, aber sie hatte nun keine Angst mehr; sie hatte ja gute Freunde und sie hatte Falki. „Ja, er würde mich beschützen, was immer auch käme“, war ihr letzter Gedanke.

      Das gab ihr Ruhe und sie begann dem leisen Rauschen im Rauchabzug des Daches zu lauschen. Sie spürte ganz deutlich Falki neben sich und seine Kraft.

       WIE THURID ZU IHREM NAMEN KAM

      Alle Arbeiten waren erledigt, die ihre Mutter aufgetragen hatte. Hilda konnte nun endlich die Hütte verlassen und Fifilla besuchen.

      „Na gut“ sagt sie sich, „das Flattervieh ist gefüttert. Jetzt gehe ich zu Fifilla und später bereite ich das Essen für heute Abend vor. Rüben soll ich kochen. Ha, das ist leicht.“

      Sie schaute noch kurz auf die Feuerstelle, schob die Glut zusammen und verließ die Hütte.

      Draußen umfing sie ein wunderschöner Sommermorgen mit einem lauen Lüftchen und Sonnenschein. Nach den vergangenen Regentagen und den ewigen dicken Wolken am Himmel, empfand sie diesen Morgen wie Glück.

      Als sie schon ein paar Schritte gegangen war, rief sie Skyggi, der schon vom Dach her laut protestierte, weil sie ohne ihn losgegangen war: „Skyggi, komm her, dann können wir uns unterhalten und du kannst wieder etwas lernen.“

      Skyggi gab ein paar unverständliche Laute von sich und flatterte auf Hildas Schulter.

      Hilda versuchte seit einiger Zeit, ihm einige Dinge beizubringen. Das Wichtigste für sie war, dass er verstand, was nach Hause bedeutete und dass er ihre Freunde unterscheiden konnte. Wenn sie zu ihm sagte: „Flieg zu Falki“, dann sollte er sich auch auf Falkis Schulter setzen, was auch meistens klappte.

      Viele im Dorf beneideten sie um ihren Raben und Hilda war auch wirklich stolz auf Skyggi, der ihr nun auch wie ein Schatten folgte.

      Sie hatte auch bemerkt, dass Sölvi sich sehr gut mit Skyggi verstand und es schien ihr, als ob es da gegenseitige Zuneigung gäbe.

      Hilda beschloss einen kleinen Umweg zu machen und nicht gleich zu Fifillas Hütte zu gehen. Sie lief zum Apfelhain und dann an seinem Rand entlang. Hier wollte sie testen, ob Skyggi ihre Befehle richtig verstand und gehorchte. „Flieg zu Falki!“, rief sie, aber Skyggi hielt nur den Kopf schief, mal links, mal rechts und machte: „Oorr, korr.“

      „Flieg zu Falki!“, wiederholte sie nun eindringlicher und hob die Hand ruckartig hoch. Da hatte Skyggi begriffen und flog los. Er umkreiste Hilda einmal und flog dann in Richtung des Dorfes davon.

      Sie beobachtete seinen Flug gespannt. Erst flog Skyggi nach Hause, kreiste mehrere Male über der Hütte und rief immer wieder laut. Dann zog er einen größeren Kreis bis zur Schmiede und ließ dort sein Gekrächze ertönen. Irgendwo setzte er sich dort nieder. Hilda konnte ihn nicht mehr sehen, aber sie hörte noch eine ganze Weile seine ständigen Rufe. Dann war plötzlich Ruhe.

      „Da hat er wohl Falki gefunden“, sagte sie sich und setzte sich ins Gras. Hilda ließ sich auf den Rücken fallen und genoss einen Moment lang die wärmende Sonne.

      „Und was mache ich nun“, dachte sie. Aber sie kam gar nicht dazu andere Gedanken zu entwickeln. Es flatterte in der Luft und Skyggi setzte sich zu ihr. Er hüpfte um sie herum und gab eine ganze Menge von Lauten von sich, die Hilda einfach kullerige Laute nannte. Er hüpfte vor ihr auf und ab und machte so deutlich, dass er belohnt werden wollte. Für diesen Fall, wenn sie mit Skyggi unterwegs war, hatte Hilda immer ein paar Bröckchen in ihrer Gürteltasche.

      Sie fütterte ihn, lobte ihn ausführlich und Skyggi genoss es sichtlich. Er hielt ihr seinen Hals immer wieder hin, um gekrault zu werden. „Skyggi, ich bin zufrieden mit dir. Du bist ein kluger Rabe. Du musst aber noch weiter lernen, bis du so klug bist, wie Hugin oder Munin.“ Sie überlegte einen Moment, dann fragte sie: „Kannst du auch zu Sölvi fliegen?“

      Hilda lockte Skyggi auf die Hand und befahl: „Flieg zu Sölvi!“

      Skyggi blieb sitzen und guckte sie einfach nur an. Da schaute sie ihm richtig streng die Augen und wiederholte: „Flieg zu Sölvi!

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