Das Tour-Tagebuch des frommen Chaoten. Adrian Plass
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»Adrian«, warf Angels mit sorgenvoll gerunzelter Stirn ein, »ich würde wirklich gern mitkommen. Ich werde sicher ganz schrecklich nervös sein, aber es wäre toll, mit Leonard und euch allen zusammen zu sein und mal ein paar richtige Tänze zeigen zu können.« Sie wurde rot. »Ich meine – das soll natürlich nicht heißen, dass das im Clay House keine richtigen Tänze waren. Aber – na ja, ihr wisst schon … Das Einzige, was mir Sorgen macht, ist – nun ja, ihr seid alle Christen und die Abende werden sich um lauter christliche Sachen drehen und es ist nun einmal so, dass ich kein Christ bin.«
Fragend sah sie Anne und mich mit ihren großen, hellbraunen Augen an.
»Seid ihr sicher, dass ihr jemanden wie mich dabeihaben wollt? Wird das – wird das die Sache nicht irgendwie verderben?«
Manchmal ist es, als ob Anne und ich genau im selben Augenblick dasselbe erkennen. Nicht oft. Nur manchmal. Diesmal war es so.
Ich sagte: »Angels, ich bin ganz sicher, dass Gott möchte, dass Sie mit uns kommen, ob Sie an ihn glauben oder nicht.«
»Sie tanzen wie ein Engel«, sagte Anne, »und Gott hat schon immer Engel benutzt, um den Leuten Botschaften zu überbringen. Sie sind genau das, was er braucht und was wir brauchen. Ich bin so froh, dass Sie mitkommen.«
Den Rest des Abends verbrachte Anne am Telefon, und als wir ins Bett gingen, hatte sie die Unterbringungsfrage geklärt.
»Und das«, sagte Anne, während sie ihr Nachtlicht ausschaltete, »ohne dass du dem kleinen Gerald Gutenachtgeschichten vorlesen musst.«
Warum empfand ich einen kleinen Stich der Trauer, als sie das sagte?
Mittwoch, 15. September
Versprach Leonard, mich heute Abend im Gemeindesaal mit ihm zu treffen, um die Aufstellung und Bedienung des Projektors und der Leinwand zu üben. Er hatte die Sachen im Laufe des Tages bei einem Laden in der Stadt namens »Sights & Sounds« abgeholt und heute Abend war unsere einzige Gelegenheit, sie auszupacken und einen Blick darauf zu werfen, bevor am Freitag die Tournee beginnt.
Als ich ankam, stand Thynn in einer Ecke des Saals, presste die Hände gegen die Schläfen und starrte gebannt auf einen großen, quadratischen Metallrahmen, der mitten im Saal auf dem Boden lag und an dem an einigen Stellen eine große Bahn eines naturweißen, leinenähnlichen Materials befestigt war.
Ging vorsichtig auf Leonard zu und fragte ihn, was los sei.
»Also, ich habe dieses längliche Metalldingens zu einem Quadrat gemacht«, sagte er mit bebender, kaum hörbarer, traumatisierter Stimme, den Blick immer noch starr in die Mitte des Saals gerichtet. »Es wollte sich irgendwie nicht zu einem Quadrat machen lassen, weißt du. Es hat mich gebissen und gekniffen und versucht, sich wieder länglich zu machen, aber ich habe mit ihm gekämpft und es angeschrien und mich damit auf dem Boden gewälzt, und am Ende hat es nachgegeben. Jetzt ist es ein Quadrat. Schau!« Er gab ein kleines, irres Lachen von sich und deutete mit wedelndem Arm auf das Ding. »Es ist ein Quadrat. Das habe ich gemacht! Ich war es, der das lange, gerade Metalldingens zu einem Quadrat gemacht hat.«
»Sehr schön, wunderbar!«, sagte ich, so freundlich und aufmunternd ich konnte. »Gut gemacht, Leonard. Du hast recht, es ist ein großes Quadrat, genau wie es sein sollte, und jetzt müssen wir nur noch das Leinwandtuch befestigen, indem wir es auf all diese Metallknöpfe am Innenrand draufdrücken.«
»Habe ich schon versucht«, sagte Thynn, wandte mir seinen Blick zu und verdrehte die Augen wie eine Figur aus einem jener melodramatischen alten Stummfilme, die der Hölle einen Besuch abgestattet haben und für immer davon gezeichnet sein werden. »Ich habe es versucht, Adrian, aber dieses Monster von einer Leinwand – es hat es auf mich abgesehen. Es will mich zum Wahnsinn treiben und am Ende umbringen.«
Er drehte den Kopf und schaute auf die Uhr über der Durchreiche.
»Ich bin extra früher gekommen, weißt du, weil ich mal gucken wollte, ob ich alles fertig kriege, bevor du kommst. Ich habe eine halbe Stunde gebraucht, um dieses lange Metalldingens zum Quadrat zu machen, und seitdem versuche ich, das Tuch zu befestigen.«
Argwöhnisch tat er einen Schritt auf die Mitte des Saals zu.
»Es sah ganz einfach aus, weißt du. Ich habe zuerst eine Ecke befestigt – das war gar kein Problem – und dann habe ich einfach an einer Seite weitergemacht und einen Knopf nach dem anderen hineingedrückt. Eine ganze Seite habe ich geschafft. Hat richtig Spaß gemacht. Ich war ganz happy. Und dann habe ich eine andere Seite gemacht. Ich dachte, das läuft ja alles wie am Schnürchen. Aber als ich mit der dritten Seite anfing, ging es plötzlich nicht mehr. Die Leinwand ließ sich nicht weit genug dehnen, und als ich auf die Knie gegangen bin und kräftig gezogen habe, ist die ganze erste Seite wieder abgegangen, und als ich dann die dritte Seite bis zum Ende zugeknöpft hatte, reichte die erste Seite nicht mehr bis an die Knöpfe. Ich habe wieder kräftig gezogen und dann ging die zweite Seite ab. Da bin ich wie verrückt auf dem Tuch herumgesprungen und habe es angeschrien und eine Frau kam herein, um den Saal zu putzen, und lief schreiend wieder hinaus.«
»Meine Güte! Und was hast du dann gemacht?«
»Na ja, dann habe ich beschlossen, erst mal tief durchzuatmen und es noch einmal zu versuchen. Ich habe mich an das Tuch angeschlichen wie eine Rothaut, Adrian, und nur einen Knopf zugedrückt und bin dann ganz beiläufig zur Tür hinausgegangen, als wollte ich nach Hause. Dann bin ich unerwartet wieder hereingekommen und habe noch einen Knopf zugemacht. Dann noch einen und dann noch einen, bis ich wieder zwei ganze Seiten zu hatte. Dann bin ich ganz plötzlich über die dritte Seite hergefallen, habe mich mit Gebrüll auf sie gestürzt und so fest an dem Tuch gezogen, wie ich nur konnte, um dieses Ding über den Knopf zu kriegen.«
»Und?«
Leonard drehte sich zu mir um, packte mich mit beiden Händen am Revers und redete fieberhaft auf mich ein.
»Sie sind alle abgegangen. Alle, Adrian. Sie gingen alle auf einmal auf und das Tuch gab so ein komisches, lachendes Geräusch von sich und sprang in die Luft, wickelte sich um meinen Kopf und versuchte, mich totzupeitschen und zu ersticken. Aber ich konnte mich irgendwie befreien und seitdem stehe ich hier in dieser Ecke und warte auf dich, damit wir es gemeinsam erwürgen können, falls es noch mehr Ärger macht.«
»Leonard«, sagte ich und löste behutsam seine Hände von meiner Jacke, »diese Leinwand ist ein lebloser Gegenstand. Sie hat kein Gehirn. Es ist nur eine Frage der richtigen Technik, um das Tuch zu befestigen. Das ist sicher knifflig, weil es sehr straff gespannt werden muss, weißt du. Sonst wären die Dias nicht richtig scharf.«
Thynn schüttelte langsam und zynisch den Kopf und sah mich an wie ein Mann, der mit knapper Not der Verfolgung einer wilden, angeblich ausgestorbenen Kreatur entkommen ist und nun Mühe hat, den Menschen daheim in der Zivilisation plausibel zu machen, was ihm passiert ist.
»Na, dann versuch du es mal«, sagte er. »Ich gehe nicht mehr in die Nähe dieses Dings. Es hasst mich.«
Während Thynn aus sicherem Abstand zuschaute, ging ich auf das Monster in der Mitte des Saals zu und musterte es einen Augenblick lang. Zufällig kannte ich den Trick, wie man die Leinwand an dem Rahmen befestigte, weil ich das schon einmal für eine Gemeindeveranstaltung gemacht hatte. Im Grunde war es geradezu lächerlich einfach, wenn man wusste, wie. Einen Moment lang liebäugelte ich mit dem inneren Anblick meiner selbst, wie ich mit links etwas erledigte, was Leonard nicht zustande gebracht hatte. Eigentlich lachhaft, die ganze