Der Tag des Schmetterlings. Jens Böttcher
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Читать онлайн книгу Der Tag des Schmetterlings - Jens Böttcher страница 4
„Sie sind überhaupt sehr schön“, setzte Bergmann dem Ganzen nun noch die Krone auf. Daniela schaute instinktiv für einen kurzen Moment hinaus auf den Gang, um zu verbergen, dass sie ganz rot wurde.
„Herr Meier sagt, dass Ihre innere Schönheit so sehr nach außen strahlt, dass es das reine Vergnügen ist, Sie anzusehen. Ich habe ihm gesagt, dass man so etwas einer Dame, die man nicht gut kennt, nicht einfach so aus heiterem Himmel sagt, aber er hat darauf bestanden. So ist er manchmal, der Herr Meier.“
Er lachte und schaute in die Runde. Natürlich lachte niemand mit.
Bis auf Daniela, die weiter verlegen zum Gang hinausblickte, schauten sich alle Fahrgäste nur befremdet an. Sogar Jasmin de la Roché und Hertha Griesbach tauschten einen kurzen Blick miteinander, der sich nach einer Sekunde der Unentschlossenheit jedoch sofort wieder für das Genre unfreundliche Härte entschied. Hertha schaute daraufhin wieder aus dem Fenster. Ihre Hände hielt sie weiter in den Untiefen ihrer Handtasche versteckt. Und sie zuckte leicht zusammen, als Herr Bergmann nun auch sie ansprach.
„Und an Ihnen, Gnädigste, wenn ich das auch so offen sagen darf, bewundere ich Ihr Durchsetzungsvermögen und Ihre kraftvolle, selbstbewusste Entschlossenheit. Ohne diese wunderbaren Charaktereigenschaften wären Sie und Ihr werter Gatte ganz sicher nicht so hoch hinausgekommen. Die Gattin des Direktors Bezirk Nordwest. Alle Achtung.“
Rolf Griesbach freute sich darüber, dass Bergmann etwas Nettes über seinen Posten und seine Hertha äußerte, auch wenn er sich sogleich fragte, ob das, was er da über ihren Charakter sagte, nicht totaler Unsinn war. Hertha Griesbach verzog vorsichtshalber keine Miene. Sie schaute aus dem Fenster und übte weiter die Rolle der distanzierten und latent beleidigten Leberwurst. Bergmann aber fuhr unbeeindruckt fort.
„Herr Meier findet das übrigens auch. Und er hat mich gebeten, Sie zu fragen, woher Sie ursprünglich stammen? Würden Sie uns die Ehre erweisen, es uns zu verraten?“
Hertha starrte tapfer hinaus, auf die letzten Meter des leeren und verregneten Osnabrücker Bahnsteigs, den der EC 306 gerade hinter sich ließ. Jetzt wurde sie allerdings angestupst. Ihr Mann stupste dabei nicht genauso, wie sie es vorher getan hatte, also nicht fordernd, sondern ermutigend. Fast wie ein Bruder, der seine kleine, schüchterne Schwester anspornt, doch endlich auch mal wenigstens eine Runde Topfschlagen mitzuspielen. Aber Hertha zog es vor, in ihrer Blümchen-rühr-mich-nicht-an-Rolle zu verharren.
Herr Griesbach lächelte freundlich und übernahm die Antwort, die seine Frau nicht geben mochte.
„Hertha kommt aus Berlin.“
Jetzt lachte er geradeheraus und schien sich diebisch zu freuen.
„Hihi ... wissen Sie, wie ulkig das ist? Hertha aus Berlin? Hihi.. Sie verstehen ... ich und mein Freund Dieter, wir haben Hertha damit früher immer aufgezogen, als ... haha ... die Hertha aus Berlin ... hach, war das immer ulkig ...“
Herthas Kopf schnellte herum.
„Das ist nicht witzig, Rolf!“, fauchte sie.
Herr Griesbach zuckte zusammen, als hätte ihm gerade ein tollwütiger Dackel in die Wade gebissen. „Oh, natürlich nicht, entschuldige, Herthaschätzchen, entschuldige .. .“
„Oh, das war bestimmt schön früher, oder? Sie haben gewiss sehr viel zusammen gelacht?“, sagte Herr Bergmann und ignorierte damit vollkommen die massiv drohende Ehekrise.
„Humor ist sicher ein sehr, sehr wichtiger Baustein für eine solche Karriere gewesen, wie Sie sie gemacht haben, oder Herr Griesbach? Oh ja, das gibt Kraft, wenn man zusammen lachen kann, nicht wahr? Hm, und Berlin. Eine tolle Stadt. Es passt vortrefflich zu Ihnen, Gnädigste, dass Sie aus einer Weltstadt wie Berlin kommen.“
Rolf Griesbach schaute kurz zu seiner schweigenden Hertha, dann schüttelte er den bissigen Dackel ab und lächelte wieder.
„Oh ja, Herr Bergmann, das ist richtig. Wir hatten viel Freude damals, Hertha und ich. Das waren schöne Zeiten! Eigentlich die schönsten überhaupt ... und nun können wir auf ein erfülltes Leben zurückblicken. Ich habe es immerhin bis zum Direktor gebracht, wie Sie wissen, ja, der ganze Bezirk Nordwest! Und aus den Kindern ist auch etwas geworden. Ich zeige Ihnen mal die Fotos. Eine Sekunde.“
Griesbach begann nun wieder, in seinen Jackentaschen herumzuwühlen und fand wieder nicht gleich, was er suchte.
„Sekunde noch ... hab sie gleich ...“
Nun meldete sich auch Hertha wieder zu Wort.
„Die Fotos sind in ...“
„Oh, in der Innentasche, Herthaschätzchen?“, hakte Griesbach schnell nach, während er sogleich dorthin griff und weiterwühlte.
„Nein, in meiner Handtasche“, sagte Hertha schroff.
„Oh, zeig sie doch mal Herrn Bergmann, Herthaschätzchen ...“
Hertha verzog mürrisch die Mundwinkel. Dann gab sie nach und holte die Fotos mitsamt ihren Händen hervor.
„Bitte sehr“, sagte sie schnippisch und reichte Herrn Bergmann die Bilder. Herr Griesbach beugte sich zu Bergmann und stellte ihm seine Familie vor:
„Das da, das ist Fabian, unser Ältester, mit seiner Frau Hannelore. Und das hier ist unsere Silke, mit ihrem Mann Florian und den beiden Kindern. Süß die beiden, nicht wahr? Wir sind schon Großeltern, müssen Sie wissen ... hihi.“
Herr Griesbach erfüllte es ganz offensichtlich mit Stolz, Herrn Bergmann seine geliebten Kinder auf diese Weise vorzustellen. Der wiederum zeigte die Bilder nun auch Herrn Meier.
„Sieh doch nur, wie glücklich diese Enkelkinder aussehen. Und ... oh ... das sind ja ...“
Er hielt inne, hob seinen Blick und schaute Hertha an.
„Diese Augen. Ihre Tochter hat ja Ihre Augen. Die gleiche furchtlose Entschlossenheit und diese, lassen Sie es mich ruhig so unverblümt sagen, diese ... anmutige Autorität. Das ist wirklich fabelhaft!“
Hertha ließ sich nun dazu herab, wenigstens einmal zu Herrn Bergmann rüberzusehen. Der schaute ihr jetzt noch etwas tiefer in die Augen.
„Sie haben herrliche Augen, Frau Griesbach. Man kann darin direkt sehen, wie viel Humor und wilde Lebenslust in Ihnen steckt ... und da ist noch etwas ...“
Bergmann kniff nun beim genauen Betrachten von Herthas Augen konzentriert seine Lider zusammen, so als würde es ihm die Möglichkeit bieten, tatsächlich noch etwas anderes als die Wut und die Zickigkeit darin zu entdecken, die alle anderen Anwesenden auch sehen konnten.
Hertha schaffte es nicht, ihren Blick abzuwenden. Sie verstand nicht warum, aber irgendwie war sie gerade auf faszinierende, nicht unangenehme Weise wie gelähmt.
„Was denn?“, sagte sie plötzlich, ungewohnt mild und leise.
Bergmann betrachtete weiter ganz ergriffen ihre Augen. Bis Herr Meier ihn ansprach und ihn aus seiner offensichtlichen Ehrerbietungsstarre weckte.
„ Ja,