Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 4. Группа авторов

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 4 - Группа авторов страница 31

Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 4 - Группа авторов

Скачать книгу

von Kohle und Stahl und blickte nun in eine wirtschaftlich ungewisse Zukunft. Die „großen“ Themen standen im Mittelpunkt des Interesses: Der Streit um die Sondermüllverbrennungsanlage, das Projekt des World Tourist Centers (WTC) oder das Medienzentrum Osterfeld. Das WTC war für die einen die große Hoffnung für andere der Alptraum einer neuen amerikanisierten Stadtentwicklung.

      Erst aus heutiger Sicht wird deutlich, welche Bedeutung Maßnahmen in dieser Zeit für den späteren Strukturwandel der Stadt hatten. Um nur einige zu nennen: Sanierung der ehemaligen Zinkfabrik Altenberg zum Zentrum Altenberg mit den Rheinischen Industriemuseum, Umgestaltung des Ebertbades, Neugestaltung der Sterkrader Innenstadt, die Planungen für das heutige „Hirsch-Zentrum“ in Sterkrade oder auch die Disco-Zelte am Stadion Niederrhein bzw. am Werksgasthaus, die Oberhausen weit über die Stadtgrenzen hinaus den Ruf einer „Disco-Metropole“ einbrachten.

      Eine statistisch exakte Darstellung der Beschäftigtenentwicklung bis zum Ende der 1980er Jahre ist leider nicht möglich, da die letzte umfassende Zählung aller Arbeitsstätten und der in ihnen tätigen Personen im Jahr 1987 erfolgte. Der beginnende Wandel in der Struktur der Oberhausener Wirtschaft kann aber durch den Zeitraum bis 1987 gut belegt werden. Von 1979 bis 1987 erlebte die Stadt erneut einen massiven Arbeitsplatzabbau, sowohl in der Produktion (minus 10.750) als auch erstmals im Bereich der Dienstleistungen, bei denen 3.900 Stellen abgebaut wurden. Die Organisationen ohne Erwerbscharakter, Gebietskörperschaften und die Sozialversicherungen steigerten dagegen ihre Beschäftigtenzahl von gut 5.600 (1979) auf über 14.400 (1987) und damit um 8.800 Mitarbeiter. Insgesamt wurden im Zeitraum vom Juni 1979 bis zum Mai 1987 rund 14.650 Arbeitsplätze abgebaut, denen 9.600 neue Stellen gegenüber standen. Die Gesamtbeschäftigtenzahl ging von 85.200 (1979) auf 80.130 (1987) zurück.

      1987 arbeiteten erstmals mehr Menschen in den Arbeitsstätten des tertiären Sektors, also im Handel, in Dienstleistungsbetrieben oder in den Organisationen, als in den Betrieben des primären und sekundären Sektors, zu denen insbesondere der Bergbau, das Verarbeitende Gewerbe und das Baugewerbe zählen. 1979 waren noch 47 Prozent aller Beschäftigten im tertiären Sektor tätig, 1987 waren es mit 57 Prozent bereits mehr als die Hälfte aller in Oberhausen tätigen Personen.30 Der lange Weg zur Stadt des Handels und der Dienstleistungen, der sich in den folgenden Jahrzehnten fortsetzte, hatte unumkehrbar begonnen. Noch ahnten wohl nur wenige, welchen Stellenwert ein bis dahin weitgehend unbedeutender Wirtschaftszweig, der Tourismus, noch erlangen sollte. Den Bericht über eine Studie für den Fremdenverkehrsmarkt Nordrhein-Westfalen überschrieb die NRZ am 20. September 1989 mit der Schlagzeile „Wo Attraktionen sind, strömen auch Touristen!“ Ein Jahrzehnt später galt dieser Satz auch für Oberhausen.

      Interview mit Friedhelm van den Mond (Teil 3)

       Im Februar 1987 unmittelbar nach der Bundestagswahl kündigte die Thyssen-Stahl AG die Stilllegung nahezu aller Betriebsteile an der Essener Straße und damit den Abbau von 3.000 Arbeitsplätzen alleine in Oberhausen an. Wie solidarisch waren damals Bevölkerung, Gewerkschaften und auch andere gesellschaftliche Gruppen sowie die Nachbarstädte und die Landespolitik?

      Ich will bis zu diesem Sprung 1987 noch einmal ein wenig zurückgehen. Nachdem Luise Albertz tot war, hatte die SPD-Fraktion mich zu ihrem Nachfolger bestimmt. Ich nahm also die Funktion wahr, war aber noch nicht offiziell gewählt. Die Wahl war nämlich erst im März und ihr Todestag war am 1. Februar 1979. Bevor ich gewählt wurde, war schon der Vorstand von Thyssen-Niederrhein bei mir und erklärte, dass wieder mal rund 2.000 Arbeitsplätze wegfallen. Ich hab mich da allen Ernstes gefragt: Friedhelm, worauf lässt du dich hier eigentlich ein? Wohin soll das Ganze führen? Aber es ging ja dann kontinuierlich weiter. Und damit sind wir dann bei 1987. Der Abbau dieser 3.000 Arbeitsplätze war ein Schock. Wir haben zwar mit einem weiteren Rückgang gerechnet, aber nicht mit einem so brutalen auf einmal. Und die Solidarität in der Stadt war unglaublich. Es gab große Protestaktionen, an denen sich alle beteiligten: Das Handwerk, die Kirchen, die städtischen Mitarbeiter, die Gewerkschaften natürlich auch, aber nicht nur die IG-Bergbau, sondern alle Gewerkschaften, alle Bevölkerungsgruppen. Ich erinnere mich gut an diese großen Protestdemonstrationen auf dem Bahnhofsvorplatz. Und ich glaube es war in diesem Jahr, in dem wir ja auch, der Kollege Günther Wöllner aus Hattingen und ich, die Bürgermeister und Oberbürgermeister der Stahlstädte im Ruhrgebiet zu einer Konferenz der Oberbürgermeister eingeladen haben, bei der wir noch einmal auf die Probleme der Stahlstädte hinwiesen. Denn es traf uns ja immer abwechselnd. Mal Bochum ein bisschen, mal Dortmund ein bisschen, mal Hattingen. Wir wussten, man kann gemeinsam nur appellieren an die Hilfe von Land und Bund. Und sowohl Land als auch Bund waren da solidarisch, das Land in noch stärkerem Maße. Der Grundstücksankauf und die Baureifmachung von Grundstücken wurden seitdem enorm gefördert.

       Im Juni 1990 wurde in Oberhausen das Fraunhofer Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik gegründet, mit „ideeller Unterstützung“, so das Institut, der Stadt Oberhausen. Wie kam es zu dieser für die weitere Entwicklung des Strukturwandels in unserer Stadt wichtigen Ansiedlung?

      Inzwischen hatte auch bei den politisch Verantwortlichen, insbesondere in der SPD, ein Umdenken stattgefunden. Man hatte erkannt, dass wir diesen Prozess des Strukturwandels, aber Strukturwandel ist eigentlich nicht der richtige Ausdruck, das war eher ein „Strukturbruch“, dass wir den nicht aufhalten konnten. Es gab also am Ende dieses schweren Prozesses die Erkenntnis: Wir müssen weg von der Klagemauer. Wir wollten nach neuen Wegen suchen und die SPD-Fraktion hat damals ein Programm beschlossen. Wir wussten, in Oberhausen sind insbesondere mit Babcock und GHH Betriebe, die im Umweltschutz mehr leisten können. Wenn die etwas bringen sollen auf dem Gebiet Umweltschutz, dann muss dazu irgendeine Einrichtung kommen, die anwendungsbezogen forscht. Wir wussten, eine Uni kriegen wir nicht. Fachhochschulen waren damals auch nicht hoch im Kurs. Zumindest nicht im Ruhrgebiet. Und wir haben uns dann mit der Industrie zusammengesetzt. Der Oberbürgermeister, der Fraktionsvorsitzende und der Bundestagsabgeordnete der SPD mit den Vorständen der Oberhausener Großbetriebe. Treffpunkt war in aller Regel das Hotel Ruhrland. Und da wurde gemeinsam überlegt, was kann man denn nun machen. Und da ist die Idee dieses Instituts geboren worden. Ich kann heute sagen, ohne die Unterstützung von Dr. Wiehn bei Babcock, von Meissner bei MAN GHH und auch ohne Dr. Deuster von der EVO hätten wir Umsicht nie gekriegt. Die haben ihre Verbindungen spielen lassen, Heinz Schleußer hat seine Verbindungen zum Land spielen lassen. Wir waren uns also relativ schnell darüber einig, dass Umsicht gegründet werden sollte, mit Professor Weinspach aus Dortmund als erstem Leiter von Umsicht. Die ideelle Unterstützung, na ja, materiell konnten wir ohnehin nichts bieten, aber ich sag mal, wir haben uns gekümmert. Ich erinnere mich noch gut, dass kurz nachdem das Institut seine Arbeit aufgenommen hatte, mich Professor Weinspach anrief und sagte: „Mein Gott, haben Sie keine Verbindung zum Amtsgericht?“ Ich sag: „Was wollen Sie denn da?“ „Ich bin noch nicht im Handelsregister eingetragen, das liegt da schon seit einigen Wochen, und wenn ich nicht im Handelsregister eingetragen bin, krieg ich die Zuschüsse vom Land nicht und ich muss in drei Tagen Gehalt zahlen.“ Ich kannte also jemanden gut beim Amtsgericht, habe den angerufen und gesagt: „Hör mal, kannst Du Dich mal darum kümmern?“ Und das tat er dann auch.

       1990 wurde das Institut Umsicht gegründet. Wie lang war denn eigentlich der Zeitraum von der Idee bis zur Institutsgründung?

      Maximal ein Jahr. Ich meine, das wäre unmittelbar nach dem Thyssen-Schock gewesen. Da haben wir gesagt: Stahl geht nicht mehr, da müssen wir etwas anderes machen: Umwelt. Bei der GHH war ja damals gerade ein Großteil der Kernenergieaktivitäten weg. Und Babcock war im Bereich Umweltschutz beim Kraftwerksbau immer schon führend. Die haben ja damals an der druckerhöhten Wirbelschichtfeuerung geforscht. Der Kontakt zur Industrie war auch viel enger. Man traf sich ja auch nicht nur beim Stadtempfang, sondern bei allen möglichen Gelegenheiten. Die Pflege persönlicher Kontakte durch die Politik, die gar nicht öffentlich

Скачать книгу