Die Fahrt ins Nichts. Reinhold Eichacker
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Die Fahrt ins Nichts - Reinhold Eichacker страница 3
Als sich die Gäste um den langen Tisch verteilt hatten, zeigte sich, dass jeder Sessel besetzt war. Insgesamt waren elf Herren und eine Frau von nordischem Aussehen versammelt. Mit ihrem hellblonden Haar stach sie aus der dunklen Menge der Herren hervor.
Der Sekretär machte sich eine kurze Notiz. Er sah jetzt im Frack wesentlich älter aus, als vorher in der Diele. Auch sah man ihm jetzt seine indische Abstammung an. Sein Blick hatte etwas Herrisches, Kaltes, das keine Vertraulichkeit zuließ. Er setzte seine Worte wie klingende Münzen.
»Die Herrin hat Sie hierhergebeten, um Ihnen ihre Entschlüsse persönlich bekannt zu geben. Vorher soll kurz über den letzten Stand der Dinge berichtet werden. Wir haben den Absturz des Meteors vor sechs Monaten alle selbst miterlebt. Darf ich Japan bitten, die bisher bekannten Daten kurz zu skizzieren!«
An der Mitte des Tisches erhob sich ein schmächtiger Japaner mit grauweißem Haar. Seine großen Brillengläser funkelten über die Runde. »Der Meteor, dessen Absturz unseren Planeten zu vernichten drohte, stürzte in eine der tiefsten Stellen des Ozeans und ruht jetzt in 9436 Meter Tiefe. Nur dadurch ist zu erklären, dass die Menschheit den Absturz überlebt hat. Die Absturzstelle gehört bereits den internationalen Gewässern an und fällt daher nicht mehr in den japanischen Hoheitsbereich. Der am Meeresgrund liegende Kern des Meteors wird also Eigentum dessen, dem die Bergung gelingen sollte.«
Leise Unruhe breitete sich am Tisch aus.
»Das dürfte aber technisch kaum ausführbar sein.«
Der Sekretär unterbrach ihn. »Liegen Beweise für das Vorhandensein dieses Meteorkerns vor?«
»Ja. Es gelang dem deutschen Chemiker Werndt, ultrachromatische Platten in jene Ozeantiefe zu versenken und deutlich ihre Schwärzung festzustellen. Dagegen gelang es selbst mit den modernsten Geräten nicht, auch nur ein Körnchen der kosmischen Materie ans Tageslicht zu fördern.«
»Ausgenommen die Bruchstücke in Japan«, war der Einwand des Sekretärs.
»Diese ausgenommen«, fuhr der Japaner fort. »Nach dem Absturz fand man vor dem Regierungspalast in Tokyo einen Meteorblock von 2,5 Kubikmeter Umfang. Weitere Nachforschungen auf dem Lande förderten noch drei weitere Bruchstücke von 0,5; 0.75 und 1 Kubikmeter zutage. Aufgrund ihres Fundorts waren sie zunächst Eigentum Japans.«
»Wem gehören sie jetzt?«
»Dem deutschen Chemiker Walter Werndt.«
Zwischen den Augen des Sekretärs stand eine scharfe Falte. »Warum kaufte Abteilung Erz sie nicht an?«
Der Japaner duckte sich ein wenig unter dem Ton dieser Stimme. »Es geschah sofort, aber...«
»Aber?!«
»Der Kauf wurde von der japanischen Regierung für ungültig erklärt, um Rivalitäten der einzelnen Nationen zu vermeiden. Verschiedene Institute und Privatpersonen wollten die Bruchstücke ersteigern, es waren elf mit fast unbegrenzten finanziellen Mitteln. Die japanischen Regierung führte eine Volksabstimmung durch und diese gab dem deutschen Chemiker den Zuschlag.«
Der Belgier Cachin trommelte ungeduldig auf der Tischplatte. »Alles?!« entfuhr es ihm.
Sofort flammte ihn das Auge des Inders an, dass er zusammenzuckte.
»Alles. Mit Ausnahme des zweitgrößten Blocks, der am Tag vor der Volksabstimmung spurlos verschwand, und offenbar gestohlen wurde.«
Das Auge des Sekretärs glitt einen Augenblick über das Gesicht eines schwarzhaarigen Gastes, dessen Gestalt außergewöhnliche Körperkräfte und Gewandtheit verriet. Der Italiener lächelte flüchtig zurück.
»Es ist gut«, nickte der Weiße nach dem Japaner hinüber. »Sind die angekauften Stücke noch in Tokyo?«
»Sie wurden abtransportiert.«
»Wohin?«
»Das ist nicht bekannt. Jedenfalls aber nach Indien.«
Der Sekretär nickte und schrieb eine Zeile. »Danke. - Bergungsabteilung?«
Der athletische Italiener hob seine Schultern. »Bericht stimmt. Zweiter Block wurde geborgen.«
»Fahndungsabteilung?«
Der Aufgerufene erhob sich. »Der Transport Werndts ging nach Benares und war bisher ständig duch elektrischen Starkstrom gesichert. Mit internationalen Forschungsgeldern baut Werndt ein Riesenlaboratorium nördlich Benares. Ganze neuentstandene Stadtteile wurden mit Tausenden von Arbeitern besiedelt.«
»Wann wird das Laboratorium fertig sein?«
»In etwa zwei Monaten.«
»Danke. - Abteilung Chemie !« Der Belgier Cachin erhob sich vom Sessel. »Wir stehen mit diesem Meteor einem der größten chemischen Rätsel der Menschheit gegenüber. Die Strahlungen und Emissionen, die bisher festgestellt werden konnten, sind ganz eigentümlicher Art.«
»Wie wurden diese Strahlungen festgestellt?«
»Durch Spektralaufnahmen des Chemikers Werndt.«
Die bleichen Wangen des Inders überflog flüchtiges Rot. »Immer dieser Werndt!« zischte er. Doch er beherrschte sich sofort wieder.
»Durch Spektralaufnahmen des Chemikers Werndt, mit Hilfe dessen neuer ultrachromatischer Platte.«
»Bergungsabteilung!« kam es scharf von der Spitze des Tisches.
Der Italiener lächelte spöttisch. »Die Aufnahmen fanden statt in der Michigansternwarte in New York in den Wochen vor dem Absturz.«
»Und?«
»Wir haben eine Abschrift der Ergebnisse und 23 Platten gewonnen.«
Die Falte auf der Stirn des Inders verschwand wieder.
Cachin beugte sich vor. »Diese Platten gingen mir zu. Das Ergebnis wurde nachgeprüft. Wir stellten außer den Strahlungserscheinungen der uns bereits bekannten Stoffe oder chemischen Elemente wie Eisen, Chrom, Nickel, Silber, Platin, Gold, Kupfer und Natrium noch eine, uns bisher vollkommen unbekannte Strahlungsenergie fest, die bisher weder auf der Erde noch auf einem anderen Planeten entdeckt wurde.«
»Was schließen Sie daraus?« drängte der Sekrektär.
»Dass der abgestürzte Meteor ein vollständig neues Element enthalten muss, das bisher weder der Chemie noch den Astrophysikern bekannt war, und dessen Emanationen jedem Forscher den sofortigen Tod bringen könnten...«
»Oder Unsterblichkeit!«
Cachin hörte den Tadel heraus. »Gewiss«, stotterte er hastig. »Der Tod eines Einzelnen spielt auch gar keine Rolle gegenüber der Bedeutung dieses geheimnisvollen neuen Elementes, das -«
Seine Rede riss ab wie ein Faden. Das Licht im Zimmer war plötzlich erloschen. Alle saßen für wenige Augenblicke in undurchdringlichem Dunkel.