Die Fahrt ins Nichts. Reinhold Eichacker

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Die Fahrt ins Nichts - Reinhold Eichacker

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mit einem verwunderten Blick auf den Kollegen.

      Nagel flüchtete mit einem katzenähnlichen Sprung auf die obere Treppenstufe zum Mittelsaal. »Bolometern Sie mal ruhig allein in Ihrem Panoptikum weiter, lieber Fred«, rief er lachend von oben, »ich habe einige tausend Kilometer im Leib und sonst nichts. Weitere Meter verträgt er für heute nicht mehr.«

      Ehe der andere sich von seiner Entrüstung erholt hatte, verschwand er durch die gepolsterte Türe.

      »Oho!« empfing ihn eine sonore Stimme, als er in den Saal schoss. »Schon da? Und so heiter?«

      Nagel drehte sich mit einem Ruck um. Vor ihm stand ein hagerer, wettergegerbter Mann in weißem Labormantel, das Gesicht mit der scharf gebogenen Nase und den wachen klaren Augen erinnerte an ein Adlerprofil.

      Herzlich streckte der Jüngere ihm die Hand hin, noch immer lachend.

      »Verzeihung, Herr Werndt! Herr Fred überfiel mich mit seiner Bolo- und Sphärometerei da drüben. Er war auf dem besten Weg, die Krümmungskurve meines leeren Magens zu messen. Ich konnte mich nur durch schleunigste Flucht retten. Guten Tag, lieber Freund!«

      Walter Werndt drückte ihm kräftig die Hand. Immer wieder erfrischte ihn die unverwüstliche, sonnige Art des jungen Freundes, mit dem er so seltsame und gefährliche Abenteuer überstanden hatte. Erst jetzt bemerkte dieser den Fremden an Walter Werndts Seite. Der berühmte Erfinder sah diesen Blick und stellte den Unbekannten vor.

      »Doktor Nagel, mein treuer Assistent und langjähriger Adjutant - Herr Dumascu, Mitglied der internationalen Ingenieurskommission aus Paris, dem wir das Modell unseres großen Explosionsraums verdanken.«

      Mit einem seltsam forschenden Blick reichten sich die beiden Männer die Hand. Dann huschte ein liebenswürdiges Lächeln über Dumascus Gesicht.

      »Ich habe schon so viel von Ihren Taten gehört, geehrter Herr Kollege, dass ich mich sehr freue, Sie auch einmal persönlich kennenlernen zu dürfen. Vor allem wegen Ihrer Jagd nach dem Meteor, der uns jetzt alle beschäftigt, wurden Sie für die ganze Welt zu dem Symbol für - für...« Er stockte, ein wenig verlegen.

      »Für Dusel!« ergänzte Werndt lächelnd. »Sagen Sie es ruhig. Er ist es tatsächlich.« Er wandte sich seinem Freund zu. »In Deutschland war alles in Ordnung?«

      Sein Assistent nickte. »Ich habe eine größere Menge Radium aufkaufen können, als alle Laboratorien der Erde zusammen besitzen. Auch die Röntgenapparate habe ich mitgebracht. Es war eine wertvolle Fracht...«

      »Und die junge Frau als wertvollste?«

      Nagels Augen strahlten. »Sie kam mit mir im Flugzeug. Ich setzte sie in Benares ab und fuhr selbst mit der Elektrobahn.«

      Dumascu blickte interessiert auf. »Ah - die Tochter des Mathematikers Earthcliffe? Sie haben die seltsamste Hochzeitsreise gemacht, die jemals zwei Menschen zusammen erlebt haben.«

      Nagel wandte sich ihm höflich zu. »Welche Abteilung werden Sie leiten, Herr KolIege?«

      Werndt kam ihm zuvor. »Herr Dumascu hat die Isolierungsarbeiten der einzelnen Räume übernommen. Diese Aufgabe erfordert ganz besondere Sorgfalt und Erfahrung, da wir mit einer Reihe netter, unerhört durchdringender Strahlungsarten zu rechnen haben, die leicht als unsichtbare und ungebetene Störenfriede bei unseren Versuchen auftreten könnten. Herr Dumascu ist Spezialist auf diesem Gebiet. Er wird übrigens auf Wunsch der internationalen Stiftungskommission bei unseren Experimenten anwesend sein.«

      Nagel wollte etwas erwidern, aber ein schneller, mahnender Blick Werndts ließ ihn verstummen. Er kannte diesen Blick aus den Jahren der Zusammenarbeit genau. Er war ein Zeichen, dass sein Lehrer und Freund etwas zu sagen hatte, was nicht für Dritte bestimmt war.

      Doktor Werndt hatte den Arbeitsmantel abgelegt und ging zu den nördlichen Säalen. An der Türe stockte er plötzlich.

      Ein lautes Durcheinander von Rufen und Schreien kam ihnen entgegen. Dazwischen eine einzelne, schimpfende Stimme. Die Metallwände und Glasfenster vervielfachten den Schall, wie durch einen Trichter.

      »Mio dio! Caramba torri...«

      Einige indische Arbeiterinnen kreischten hell auf.

      »Wer hier hineinsieht, dessen Seele fährt durch die Röhre hinauf in die Sterne und zerstäubt dort in zwei Zentner Atome, dass die ganze Welt niesen muss, ohne Pause...! Fort da von der Röhre, stoß nicht gegen den Tubus! Kerls! Wartet nur, ich drehe hier an diesen Schrauben...«

      Man hörte das Knacken von Schaltern und ängstliche Rufe.

      »Ihr verdient es nicht, Krokodilnasen, dass ich euch noch einmal verschone, aber wer seine fettigen Finger nicht von diesen Linsen hier lässt, den vergrößere ich, bis seine Eingeweide zerplatzen wie ein aufgeblasener Frosch! Finger weg!«

      Die Inder verstanden ihn nur zur Hälfte, aber sie standen mit offenen Mündern da, die einen lachend, die anderen mit ängstlichem Zweifel, und starrten hinauf zu dem zornigen Sprecher.

      Werndt lächelte Nagel verständnisvoll zu.

      »Ihr Don Ebro als Wachhund.«

      Der Redner hörte das Klirren der eisernen Tür. Sofort unterbrach er seine Schimpftirade und stellte sich in Positur. Unbeweglich, würdevoll, einen Fuß leicht nach vorne geschoben, als wolle er tanzen. Das gelbe Gesicht von Falten zerfurcht, ohne Regung, mit todernstem Ausdruck. Nur die pechschwarzen Augen lachten.

      Nagel gab ihm die Hand. »Wieder so zornig, mein Lieber?«

      Don Ebro zog den Fuß wieder an. Die Falten seines Ledergesichts machten einen hastigen Rundmarsch und standen dann wieder. »Wie soll ein galanter Spanier hier seine Würde behalten? Ich verstehe die Inder nicht, sie verstehen mich nicht, sie turnen mit unseren Röhren herum, wie mit Stöcken aus Bambus. Man wird den Angstschweiß nicht los, wie in Madrid im Juli - sennor mio -, dass sie etwas zerbrechen.«

      »Vorsichtig mit dem Konkavgitter, du Heupferd! Bobby, schaffen Sie das Uviolsystem und den kleinen Kometensucher in das Sternwartengebäude. Wo ist das Meridianinstrument?!«

      Seine hagere, schwarze Gestalt verschwand in einem Labyrinth von Kisten und Ballen, im Gedränge der Träger...

      »Eine Perle von Diener!« meinte Dumascu. »Seine Teilnahme an der Fahrt Ihres ‚Falken‘machte ihn zu einer internationalen Berühmtheit.«

      Werndt blickte befriedigt über die vollen Stellagen und blitzenden Tische. »Ich möchte mir noch die Kühlanlagen und unseren elektrischen Ofen ansehen. 1600 Grad soll er geben. Nur zwei Wochen noch, dann kann unsere Arbeit beginnen.«

      3

      In dem hohen Kuppelsaal des Sternwartengebäudes der Walter-Werndt-Stadt herrschte blauweißes Halbdunkel. Gespenstisch zeichneten sich die im Mondlicht glitzernden Silhouetten der Fernrohre und Riesenteleskope auf der weißen Wand ab. Wolkenschatten huschten über die halboffene Kuppel und ließen alle Umrisse verschwimmen in einem ständigen Gleiten und Wiegen, Schweben und Fließen...

      Ein leises Klirren, wie das Anschlagen einer Tür, sprang in die sonst lautlose Nacht. Ein schnell wachsender Schatten huschte quer durch den Raum und stand einen Augenblick mitten im Licht. Der scharfumrissene Kopf eines Mannes drehte sich gegen das Dunkel, - ein

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