Die Fahrt ins Nichts. Reinhold Eichacker
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»Ich hoffe es. Es könnte aber auch der Fall eintreten, dass man versucht, mich zu beseitigen, oder dass sonst ein Anschlag gegen das Laboratorium geplant wird.«
Seinem Assistenten hielt es nicht mehr. Er sprang vom Stuhl auf. »Ich kenne Sie ja nicht mehr wieder. Walter Werndt und diese Vorsicht, diese Bedenken! Derselbe Walter Werndt, dem einst in Berlin täglich dutzende Drohbriefe auf den Tisch flogen, und der den Kopf nicht verlor!«
Werndt lächelte geduldig. »Er verliert ihn auch jetzt nicht, mein junger Freund. Vorsorgen ist aber in diesem Fall nur eine einfache Maßnahme der Vorbereitung, wie jede andere. Unterlassung wäre ein Fehler, der sich bitter rächen könnte. Ich muss sicherstellen, dass meine Erkenntnisse und Forschungsergebnisse nicht mit meiner Person ausgelöscht werden können.«
»So legen Sie sie schriftlich nieder«, schlug Mabel vor.
»Ich habe es getan. Diese Aufzeichnungen wurden gestohlen.«
Nagel und Mabel warfen sich einen erstaunten Blick zu. »Gestohlen?«
»Gestohlen«, wiederholte Werndt ruhig. »Schon in New York vermisste ich einige Aufzeichnungen über die Emanationen des Meteors, Spektralanalysen und anderes. In den letzten Nächten machte ich hier aus ganz bestimmten Gründen ultrachromatische Aufnahmen verschiedener Himmelsgegenden. Meine Erwartungen wurden bestätigt. Diese Aufnahmen führten zu einer Entdeckung von großer Bedeutung.«
Gespannte Erwartung lag in der Luft. Die beiden Zuhörer starrten gebannt auf Werndt und warteten auf die Fortsetzung. Der Ingenieur erhob sich und ging zu dem 20-Zöller hinüber.
»Auch diese Aufzeichnung wurde mir vor einigen Stunden gestohlen. Aus meinem verschlossenen Schreibtisch.«
Nagel ballte die Fäuste. »Ich komme dem Kerl auf die Spur! Ich...«
Der Ingenieur winkte leicht ab. »Es waren diesmal nur wenige Zeilen. Dazu in einer verschlüsselten Geheimschrift, die nur ich kenne. Der Finder wird wenig damit anfangen können. Aber es ist richtig - ich darf es auf derartige Möglichkeiten nicht ankommen lassen. Meine Entdeckungen müssen von meiner Person losgelöst werden. Ich hatte daran gedacht, sie Ihnen mitzuteilen, lieber Nagel, da ich keinen verschwiegeneren Hüter finden könnte, als meinen Freund und Assistenten. Aber das genügt jetzt nicht mehr. Auch Ihnen drohen die gleichen Gefahren wie mir.«
Mabel drückte sich unwillkürlich an den Geliebten. »Und deshalb will ich mich noch einem Menschen anvertrauen, auf den ich mich verlassen kann.« Er wandte sich an die junge Frau. »Frau Mabel, wollen Sie diese Aufgabe übernehmen?«
Die junge Frau antwortete nicht sofort. Sie war sichtlich bewegt von der Größe dieses Vertrauens, das ihr mit dieser Frage entgegengebracht wurde. Sie reichte Werndt schweigend und herzlich die Hand.
Er verstand, dass dieser Händedruck genausoviel galt wie ein Schwur.
»Dann kommen Sie jetzt bitte an dieses Rohr!« Er griff nach den Hebeln, um den Tubus zu richten, doch seine Hand blieb reglos am Griff. Ein leiser Pfiff der Überraschung entfuhr seinem Mund. Er drehte sich zu Nagel um. »Waren Sie heute nach sieben Uhr noch an diesem Rohr?«
»Ich war den ganzen Tag nicht im Sternenturm.«
»Sie haben die Schlüssel zum Tor noch?«
»Hier sind sie.«
Werndt dachte einen Augenblick nach. »Merkwürdig. Ich glaubte, das Rohr in einer anderen Stellung zurückgelassen zu haben.«
Noch immer nachdenklich drehte er an den Schrauben und Schaltern. Dann trat er prüfend zurück und überließ Mabel den Platz.
Die Tochter des Astronomen Earthcliffe war an den Umgang mit Fernrohren gewöhnt. Interessiert blickte sie durch das Glas.
»Das Rohr hat sich verschoben«, meinte sie nach kurzer Prüfung.
Werndt verneinte.
»Ich sehe aber nichts«, kam es verwundert zurück.
»Ich glaube es Ihnen.«
»Und?«
»Und dennoch steht jetzt im Gesichtsfeld des Fernrohrs ein Stern, den ich als einen der außergewöhnlichsten bezeichnen möchte. Drehen Sie einmal den Okularrevolver auf schwächste Vergrößerung«, erklärte Werndt und wartete bis Mabel seine Anweisung ausgeführt hatte. »Jetzt müssen Sie in dem größeren Gesichtsfeld fünf Sterne sehen, die ein fast gleichseitiges Fünfeck bilden.«
»Ich sehe sie, und?«
»Und in diesem Fünfeck ist der Himmel wüst und leer.«
»Ja. Ich sehe keinen Stern in seinem Feld.«
»Und Sie sahen auch nichts, als ich Ihnen vorhin das Innere des Fünfecks bei stärkerer Vergrößerung einstellte. Und doch steht hier ein Gestirn, heller als Wega, strahlender als Sirius und flammender selbst als Venus, der glänzendste aller Fixsterne. Nur ist sein Licht kein Licht, das auf die Netzhaut des menschlichen Auges wirkt.«
»Dann sendet der Stern also ausschließlich ultraviolettes Licht aus, welches auch in der Strahlung unserer Sonne enthalten ist? Licht von so kurzer Wellenlänge, dass das Auge nichts davon wahrnimmt?« fragte Mabel nach.
»Keineswegs. Der Stern sendet vielmehr Licht mit einer Wellenlänge in der Gegend der Natriumlinie aus.«
»Das ist doch die Wellenlänge des sichtbaren Spektrums?« warf Nagel schnell ein.
»Gewiss. Und trotzdem ist es ein transzendentes Licht. Dieselbe Strahlung, die das Spektrum des Meteors gezeigt hat und durch meine ultrachromatische Platte aufgenommen wird.«
Nagel griff unwillkürlich nach dem Arm des Gelehrten. »Sie haben den Stern ultraphotographisch entdeckt?«
»Ja, vorgestern nacht.« Werndt machte den Eindruck als wäre die Entdeckung ganz unspektakulär.
Aber den Zuhörern hatte es die Sprache verschlagen. Ihre Gedanken standen ganz unter der Wucht des Gehörten.
»Und was hat der Stern für eine Bedeutung?« unterbrach endlich Mabel das Schweigen.
»Ich denke, dass er uns hilft große Rätsel der Natur zu lösen, aber auch neue Fragen aufwerfen wird.«
Nagel blickte erregt durch das Rohr. »Glauben Sie, das unser Meteor mit jenem Stern in Zusammenhang steht?«
»Gewiss. Ich vermute, dass unser Meteor ein Bote von jenem Stern ist, dass er Millionen von Jahren durch das All flog, um endlich von unserer Sonne eingefangen zu werden, und auf der Erde zum Schrecken ihrer Bewohner zu zerschellen.«
Beinahe ehrfürchtig sah Nagel zu seinem Lehrer hinüber. »Sie, Werndt, hat der Himmel geschickt!«
»Nicht mich, sondern den Meteor. Auch ich glaube nicht an Zufälle sondern an eine Bestimmung. Warum musste dieser Meteor gerade die Erde erreichen, den einzigen bewohnten Planeten in unserer Milchstraße? Warum musste er gerade jetzt auf die Erde fallen, wo die technischen Möglichkeiten zumindest so weit fortgeschritten sind, dass wir diesen Boliden untersuchen und seine Zusammensetzung