Katzmann und die Dämonen des Krieges. Uwe Schimunek

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Katzmann und die Dämonen des Krieges - Uwe Schimunek

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Pappenstiel. Teurer dürfte die Zeitung wirklich nicht werden.

      Auch Konrad Katzmann nahm sich eine weitere Zigarette. Zwei Rauchsäulen stiegen vom Tisch auf, verschmolzen unter der Deckenlampe zu einer Wolke.

      Heinz Eggebrecht arbeitete an einer Erwiderung. Konrad Katzmann hatte ja recht. Aber diese Selbstgefälligkeit! Da musste ihm etwas einfallen.

      «Und ich weiß noch immer nicht, was eine Photographie sagen sollte, was ein Text nicht kann …» Konrad Katzmann sprach die Worte nachdenklich, von Selbstgefälligkeit keine Spur mehr.

      Na gut, dann musste er sich eben ernsthaft auf die Gegenargumente einlassen.

      «Schau dir noch mal den Skatspieler an, den du vorhin schon so fasziniert angeguckt hast. Ja, den da vorn … Ein gutaussehender Junge. Was fällt dir noch auf?» Heinz Eggebrecht ließ ein paar Sekunden vergehen, zog an der Zigarette.

      Konrad Katzmann fixierte den jungen Mann, als wolle er einen afrikanischen Zauber an ihm anwenden. Seine Konzentration schien die Zeit einzufrieren. Die Asche seiner Zigarette, die in Fingernagellänge vor der Glut gehangen hatte, fiel auf den Tisch.

      «Also gut.» Konrad Katzmann lehnte sich zurück. «Die Frisur stammt von einem Vorort-Friseur, nicht die neueste Mode, aber solide gearbeitet. Der Anzug ist gepflegt, sieht aber ein bisschen aus, als sei er geerbt, vom großen Bruder oder vom Onkel. Der Junge hat nicht viel, gibt sich aber Mühe. Ordentliche Rasur, die Wangenknochen zeigen Charakter. Wenn er lächeln würde, könnte er ziemlich sympathisch aussehen, ein Mädchenschwarm sicher. Er lächelt aber nicht. Vermutlich ist er ein geübter Glücksspieler.»

      «Nicht schlecht.» Heinz Eggebrecht nickte. Keine Frage, der Reporter hatte ein Auge für Details. Jetzt war er dran. Mit einem Zug von der Zigarette bereitete er seinen Monolog vor. «Wenn er auf dem Lichtbild wie der nette Kartenspieler von nebenan aussehen soll, würde ich ihn von links unten ablichten. Mund und Kinn kämen gut zur Geltung, der Blick würde Richtung Bildmitte und über den Betrachter hinweg nach oben zeigen. Die Augen nur so weit offen, dass sie nicht wie aufgerissen aussehen. Ein Kämpfer, einsam und überlegen.» Heinz Eggebrecht schnippte die Asche seiner Zigarette in den Becher und fuhr fort: «Nehmen wir aber mal an, der junge Mann wäre ein Lump und wir wollten zeigen, dass er seine Spielpartner ausnimmt. Dann wählen wir dir frontale Perspektive. Den Auslöser betätigen wir, wenn er gerade die Augenbrauen zusammenzieht, damit die Augen eng stehen. Eine Haarsträhne hängt vor Anstrengung über die Stirn. Lassen wir ihn verbissen in sein Blatt starren. Fertig ist der Bösewicht. Wie viele Worte hättest du gebraucht, um dieses Bild einzufangen?»

      Konrad Katzmann nickte. Er lächelte, als habe er eine überraschende Entdeckung gemacht. Mit einem weiteren Nicken hob er die Hand und bestellte mit Zeige- und Mittelfinger zwei weitere Bier.

      Heinz Eggebrecht merkte, wie seine Brust anschwoll. Er schaute noch einmal zum Skatspieler hinüber. Der stand auf, ging zur Toilette. Hatte er bemerkt, dass sie über ihn sprachen?

      Helmut Cramer bahnte sich seinen Weg vorbei an Biertischen. Wieso hatten der feine Pinkel und der Lockenkopf ihn beobachtet? Hatten die bemerkt, dass er seinem Glück beim Skat nachhalf?

      Und überhaupt, was machte dieser reiche Kerl hier? Einen maßgeschneiderten Anzug erkannte Helmut Cramer auf hundert Meter Entfernung. Und der Schnösel trug einen, der schlichte Schnitt konnte ihn nicht täuschen. Der leistete sich also teure Bescheidenheit, ein Zeichen von Souveränität, von echter Klasse. Aber wieso hatte der so einen wie den Lockenkopf dabei? So einer kam doch mit einem wie dem Pinkel allenfalls bei einem Einstellungsgespräch zusammen. Oder bei einer Kündigung. Doch hier unterhielten die sich wie Kumpels.

      Polizisten? Nein, Bullen konnten sich den teuren Stoff nicht leisten und mussten auch nicht derart zerknitterte Lappen tragen. Beobachteten ihn schon die Verbrecher, die es auf Preßburgs Koffer abgesehen hatten? Aber wie sollten die auf ihn kommen? Am besten, er würde nach der Runde aussteigen und dann schnell, aber auf Umwegen nach Hause gehen. Ein paar Mark hatte er gewonnen, das musste für heute reichen.

      Er erreichte das Klo und öffnete die Tür. Uringestank. Wenigstens war kein Mensch hier. Ein bisschen Ruhe konnte er gebrauchen. Er trat an die Pissrinne, öffnete den Hosenstall, pinkelte und beobachtete, wie der Strahl an die Wand stieß, in die Rinne lief, in den Abguss floss.

      Hinter ihm öffnete sich die Tür, ein Hauch frischer Luft schwappte herein. Cramer schüttelte die letzten Tropfen von seinem Pimmel und steckte ihn in die Hose.

      Eine Hand an seinem Kragen. Ein Griff wie von einer Eisenfaust. Ein Ruck. Sein Kopf knallte an die Pisswand.

      «Scheiße! Was soll denn das? Aua!»

      Wieder ein Ruck. Rums, sein Kopf knallte gegen die Wand. In seiner Stirn stach ein Schmerz, als würde ein Specht direkt auf den Schädel picken.

      «Au! Scheiße! Aufhören!»

      Der Griff wurde gelockert. Helmut Cramer versuchte, den Mann in seinem Rücken mit den Händen zu greifen. Wieder die Eisenfaust. Und wieder krachte sein Kopf gegen die Wand. Er hielt still, so gut er konnte. Seine Knie zitterten. Der Kopf brummte inzwischen, als wäre eine ganze Spechtfamilie am Werke.

      «Der Junge wird also langsam vernünftig.» Die Stimme klang tief, fast wie von einem Bären. Der Kollege von seinem Bruder? Die Worte rochen nach Bier.

      «Was ist denn los?»

      «Das fragst du mich? Warte, ich helfe meinem Falschspieler beim Nachdenken.» Erneut knallte sein Kopf gegen die Wand.

      «Au! Scheiße!»

      «Das hatten wir schon. Ich möchte jetzt einen Vorschlag hören, wie es weitergeht.» Der Bär brummte, als mache ihm die Anstrengung nichts aus, aber auch keinen Spaß. Als wolle er am liebsten schnell zurück in seine Höhle.

      «Ich höre auf zu spielen. Ich wollte nach der Runde sowieso gehen.»

      « Nach der Runde?» Kopf gegen die Wand.

      «Au! Nein, gleich. Ich sage, ich habe plötzlich Kopfschmerzen bekommen.»

      Die Tür öffnete sich. Ein Mann nuschelte etwas, Helmut Cramer verstand die Worte nicht.

      «Wir müssen uns noch kurz zu Ende unterhalten. So lange hältst du es aus.» Der Bär brummte die Worte von Helmut Cramer weg.

      Der Nuschler murmelte: «Sgud, Ludwich.»

      «Danke. Wir sind fast fertig.» Die Stimme des Bären und der Biergeruch kehrten zu Helmut Cramers Kopf zurück. Die Tür fiel zu. Dann sagte der Bär: «Also, du gehst raus und sagst, dass du nicht mehr spielen kannst. Was machen wir mit den Runden, die schon gespielt sind?»

      «Äh …» Kopf gegen die Wand. «Au! Scheiße, Scheiße!»

      «Du musst an deinem Ausdruck arbeiten, junger Mann. Das werde ich deinem Bruder bei Gelegenheit sagen. Aber zurück zu deinen Skatfreunden: Was machst du mit den gespielten Runden?»

      «Ich sage, ich will das Geld nicht. Habe nur um die Ehre gespielt.»

      «Um die Ehre, haha.» Der Bär lachte noch tiefer, als er sprach. Helmut Cramer spannte seine Muskeln an, er erwartete den nächsten Schlag. Zum Glück blieb der aus.

      «Also gut, mein junger Freund. So kannst du es machen. Ich gebe dir noch einen Rat für die Zukunft. Den Ede nimmst du nicht mehr aus. Das ist eine gute Seele.

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