Lust und Liebe dann kam das Leben. Peter Nimsch
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Die Lampen flammten auf, aber die Welt drehte sich plötzlich verdammt langsam, zumindest für mich. Mein erster wieder lichterhellter Blick wanderte natürlich sofort zu meinem mittlerweile höllisch brennenden Unterschenkel. Ich schaute immer wieder hin, hätte mich fast gekniffen, damit ich wach wurde, aber wacher als mit einem Gitarrenhals im Unterschenkel konnte man eigentlich nicht werden und so akzeptierte ich einfach dieses Bild, welches sich hinter meiner Stirn einbrannte, nein einmeißelte.
Mein linker Fuß stand in einer roten Ovation-Gitarre, meiner Gitarre, meiner geliebten und teuren roten Ovation. Als die ersten Schockwellen in meinem Gehirn langsam wieder nur noch die halbe Amplitude über normal erreicht hatten, erfassten meine inzwischen wieder an das Licht gewöhnten Augen Objekte, die mir sehr bekannt vorkamen.
Der schwarze Lederkoffer mit dem ewig defekten Verschluss, der uns immer bei unseren romantischen Hotelbesuchen begleitet hatte, stand fein säuberlich mit hässlich braunem Paketband verklebt neben meinem rechten Fuß. Gerade vor mir standen zwei große blaue Müllsäcke, aus einem ragten, wie zu einem Peace-Zeichen drapiert, meine spitzen roten Lieblingsschuhe.
Hinter mir, natürlich ebenfalls fein säuberlich gebündelt, standen sechs oder sieben Päckchen Bücher. Dekorativ lag oben auf einem Päckchen ein einzelnes Buch. Mein Kopf ging nach unten und meine Augen entzifferten langsam den Buchtitel ›Szenen einer Ehe‹ …
Der Schmerz in meinem Unterschenkel bewahrte mich davor zu kollabieren, denn langsam wurde mir bewusst, wer hier auszieht, … ICH. ›Aber wer auszieht braucht zumindest gesunde Beine …‹ und so zog ich behutsam den gebrochenen Gitarrenhals meiner geliebten roten Ovation aus meinem Unterschenkel. Ich griff in eine vor mir liegende große Familienpackung Toilettenpapier – fürsorglich war ja Anja schon immer – und wickelte mir fünflagiges flaumiges Weihnachtsduft-Toilettenpapier um meine blutende Wunde. ›Lecken werde ich sie später‹, dachte ich wütend, ›erst mal sehen, welcher Film hier läuft.‹
Energisch und zu allem bereit steckte ich meinen Schlüssel in das Schloss unserer Wohnungstür. Drehte, drehte nochmals, aber das gewohnte Geräusch der sich öffnenden Riegel, das Geräusch des Nach-Hause-Kommens blieb auch nach dem x-ten Drehen des Schlüssels aus. Stattdessen wurde unsere Wohnungstür schwungvoll geöffnet und blieb mit lautem Knall an der Sicherungskette, welche ich erst vor vier Wochen mit blutenden und blasenverzierten zarten Gelegenheits-Musikerhänden – bin nun mal kein Handwerker – nach fünf Stunden endlich angebaut hatte, hängen. In der nun spaltbreit geöffneten Wohnungstür, im flackernden Licht der Kerzen, erschien Anja.
Nackt, na ja, fast nackt. Ihre wunderschönen, von mir schon vor längerer Zeit das letzte Mal heiß liebkosten Brüste, mit diesen einzigartigen hart und steil erigierten Brustwarzen, die so oft über meine besten Stellen geglitten waren, glänzten ölverschmiert im Schein unseres 24-armigen Kerzenständers. Ein Lederhalsband mit spitzen Stacheln ringsherum und eine im Schritt zerrissene schwarze Strumpfhose vervollständigten diese wahnsinnige Erscheinung.
»Du störst!« wurde es süß, mit der von mir so geliebten tiefen, rauchigen Stimme, durch ihre dunkelroten geschminkten vollen Lippen herausgehaucht.
»Was soll das, du spinnst wohl total!«, raunzte ich genervt zurück.
»Ich spinne nicht!« kam es ironisch von ihr zurück und dabei strich sie sich eine Strähne ihrer karminroten Haarflut aus dem verschwitzten Gesicht.
»Und was soll der Scheiß hier bedeuten …?!«
»Es ist endgültig vorbei mein Süßer«, hauchte sie, »ich will endlich mal wieder einen richtigen Mann, einen der mich abschießt und nicht die blöden Männlein in seinem Computer!«
»Eh, ich bin so scharf auf dich!«, schrie auf einmal eine fremde Stimme aus Richtung Kamin mit Tigerfell. »… wenn du nicht gleich kommst, platze ich, mach schnell die Tür wieder zu, der Loser soll einfach verschwinden!«
»Hast du nicht gehört?«, säuselte Anja wieder und ein Schweißtropfen rollte dabei langsam über ihre rechte Brust, blieb wie in Zeitlupe an der hart erigierten rechten Brustwarze hängen und glitzerte dort um die Wette mit dem Kerzenlicht von unserem Leuchter.
Im Normalfall hätte sich Klein-Paul, mein zweites diffuses Ich, welches leider schon so oft nicht mehr mit mir einer Meinung sein wollte, in den modischen Rissen meiner neuen Jeans ein Loch gesucht und hätte sich siegesbewusst Anja entgegengestreckt, aber heute versteckte er sich lieber ganz tief in meinen Boxershorts mit Tigermuster. Klein-Paul zitterte noch in seiner ganzen, aber fast nicht mehr vorhandenen Länge, als Anjas Stimme wieder in mein Bewusstsein drang.
»Verschwinde doch einfach! Heute Abend möchte ich mindestens so oft abgeschossen werden, wie du es bisher nicht einmal in einem Extra-Level für Anfänger in deinem scheiß Computer geschafft hast!«
Mein Mund wollte etwas entgegnen, aber mein Verstand setzte einfach aus und konnte keine Befehle mehr an meine Lippen geben.
»… am Anfang hast du mir ja wenigstens noch ab und zu einen Streifschuss verpasst!«
»… jaaaa, war doch schön oder?!?!«
»… wolltest du das etwa vögeln nennen?«, kam es gleich danach grinsend aus diesem ach so süßen Mund. »Aber nun nimm deinen Krempel und wandere weiter. Ich möchte heute Abend ungestört spielen und so richtig beschossen werden!«
Bums, die Tür war zu.
Ich stand da, dachte und verstand nichts oder eigentlich fast nichts, denn mir schwante, der Weltuntergang war vorverlegt. Die noch vorhandenen Reste meines kleinen Pauls waren bestimmt schamrot nach diesen Versagungsvorwürfen und ein Zittern breitete sich von meinem Unterleib ausgehend im ganzen Körper aus.
Gerade wieder kam etwas Leben in mich zurück, als die Tür erneut im Rahmen der Sicherungskette aufflog. Anjas Strumpfhose bestand mittlerweile nur noch aus einigen Maschen, die sich krampfhaft an ihren wohlgeformten Oberschenkeln festzuhalten versuchten. Was aber aussichtslos erschien, denn aus ihrer wie immer sorgsam blank rasierten Möse flossen Ströme einer mir wohlbekannten Flüssigkeit und rissen die letzten überlebenden Maschen mit in den Abgrund. Ich hatte wohl etwas länger gebraucht, um aus meiner Erstarrung zu erwachen. Ihr Oberkörper war etwas gerötet und ihre wahnsinnigen Brüste hoben und senkten sich im schnellen Tempo. Mit einer nach Luft ringenden Stimme kam es stoßweise aus ihrem Mund: »… ich bin ja nicht so … hech, hech …«, wieder nach Luft schnappend, »… viel … hech, hech … Glüüück …«. Sie warf mir einen Briefumschlag vor die Füße. Bums und die Tür war wieder zu und ich hörte das wohlklingende, vertraute Schließgeräusch, doch heute leider von der verkehrten Seite.
Neugierig bückte ich mich und versuchte gerade mit zitternden Fingern den Umschlag zu öffnen, als rhythmisches Krachen aus der Wohnung drang. Das dabei zu hörende Quietschen kam mir bekannt vor. Es war unser alter Küchentisch, den ich schon seit Wochen reparieren sollte. Auch das ganz kurz nach dem Quietschen ertönende Klirren erkannte ich sofort. Es war die Sammeltassen-Sammlung ihrer Schwiegermutter, also meine, die von meiner Mutter mir liebevoll und in treue Hände anvertraute Sammlung. Aber die hatte Anja ja schon immer gehasst … Bei ihren kurz darauf folgenden schrillen Schreien hatte wohl auch die letzte Sammeltasse keine Überlebenschance mehr und wechselte pulverisiert in einen neuen Daseinszustand.
So langsam erkannte ich wieder meine Umwelt und setzte mich auf meinen Lieblingsstuhl, der unglücklich neben dem geliebten Spielcomputer stand und im kalten Licht der Treppenhausbeleuchtung auf sein neues Zuhause wartete. Nun schon etwas gefasster riss ich, von neuen rhythmischen Geräuschen aus meinem ehemaligen Liebesnest begleitet – diesmal musste