Lust und Liebe dann kam das Leben. Peter Nimsch

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Lust und Liebe dann kam das Leben - Peter Nimsch

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Bleibe von Anjas Freundin Maria, deren Hausnummernschild mir von weitem entgegen lachte. Von außen sah das Haus super aus, frisch renoviert, wie fast alle Häuser auf der Karli. An der Tür angekommen, fischte ich in der Tasche nach dem goldenen Schlüssel. ›Fängt der Albtraum schon wieder an?‹ Egal wie ich versuchte, den Schlüssel in der Haustür zu platzieren, er passte nicht. Das konnte nur eines bedeuten, Anja wollte mich nur schnell von unserer Wohnungstür wegbringen, egal wie und der Schlüssel und die angebliche Wohnung waren ein Fake.

      »Kannste nicht mal mehr lesen?«, schrie es von weitem und Fred streckte mir den gelben Klebezettel entgegen, »Du stehst vor der falschen Tür, auf Anjas Zettel steht kein ›a‹ neben der Hausnummer.«

      Mein Blick wanderte zurück auf das Schild, jetzt sah ich es auch, ganz klein klebte daneben ein kleines schwarzes ›a‹.

      Fred, der Schweiß tropfte ihm von der Stirn und die wenigen noch vorhandenen längeren Haare waren nur noch nasse Striche auf seinem Kopf, schleppte und zerrte in der Zwischenzeit Teile meines letzten Besitzes vor das Nachbarhaus. Wie oft hatte ich ihm schon geraten, etwas für seine Gesundheit zu tun, aber Fred liebte seinen Bauch. ›Ein Mann ohne Bauch ist ein Krüppel‹, war einer seiner Lieblingssätze.

      Ich hatte diese Ruine schon beim Aussteigen aus Freds Taxi halb aus den Augenwinkeln wahrgenommen. In meinem Unterbewusstsein hatte ich es als unsaniertes Haus aus dem letzten Jahrhundert abgehakt und gestaunt, dass es noch unsanierte Häuser auf der Karli geben sollte. Traumatisiert wandelte ich mit meinem Riesenspiegel zum Nachbarhaus, na ja, ein Haus war es vor über 100 Jahren mal gewesen, jetzt war es mehr ein Kunstobjekt. Aber es schien bewohnt zu sein, manche Fenster waren geöffnet und es schallte Musik fast jeder Stilrichtung heraus. Die vor einigen Fenstern durch permanenten Wassermangel liebevoll totgepflegten Blumenkästen hatten schon fast etwas Skurriles. Aus einem Fenster im ersten Stock kam ein süßer Duft in meine Nase und das passende Gewächs dazu stand gleich neben dem geöffneten Fenster unter einer bestimmt 1000 Watt Lampe. Wenigstens war ich nicht allein im Museumshaus. Mit dieser Gewissheit schleppten Fred und ich meine Habseligkeiten in den dritten Stock. ›Der nächste kleine Pluspunkt, denn unsere alte Wohnung war ja auch im dritten Stock, und wenn jetzt noch ungefähr die Anzahl der Treppenstufen stimmt, kann ich wie gewohnt in jedem Zustand meine neue Höhle finden‹, ging es durch meinen Kopf.

      Das Unterbewusstsein wusste ja angeblich viel mehr als man selbst je über sich erfahren würde, hatte ich oft gelesen, aber nie so recht daran geglaubt. Als ich die Wohnungstür aufgeschlossen hatte und im Dunkeln endlich einen Lichtschalter fand, beschloss ich, in meinem mir noch verbleibenden Leben nie mehr an dieser Tatsache zu rütteln: ›HÖHLE‹ schrie es mir förmlich entgegen, ›Höhle im wahrsten Sinne des Wortes!‹. An einem Draht baumelte eine 40-Watt-Energiesparlampe von der Flurdecke. Hatte die ›liebe‹ Anja etwa auch daran gedacht, dass diese komische Erfindung ein paar Minuten braucht, um ihre volle Leuchtkraft zu erreichen und ich so die Gelegenheit bekam, mich in Minutenintervallen an meine neue Höhle bzw. Wohnung gewöhnen zu können, um nicht nach dem Heraufschleppen meiner Habe sofort einen Herzkasper zu bekommen?

      Nach wiederum einer halben Stunde, die Zeitspanne kannten wir ja schon, hatten wir alles in meiner neuen Bleibe, das Wort Wohnung war bestimmt für die nächsten Monate aus meinem Wortschatz gestrichen.

      »Bis in zwei Stunden, dann hole ich dich ab und wir ziehen um die Häuser!«, rief Fred und polterte laut pfeifend die Treppen hinab.

      Ich suchte mal wieder nach meinem Handy, da ja Fred in zwei Stunden wieder hier auftauchen wollte und ich dazu eine aktuelle Zeitangabe benötigte. So oft ich auch drückte, alles blieb schwarz auf dem Display und so viel Großzügigkeit, mir auch noch ein Ladekabel mit einzupacken, konnte ich ja nun wirklich nicht von Anja erwarten. Langsam schlich ich zu dem Scheiterhaufen meines Lebens in das größere Zimmer, wo Fred und ich die Reste vom Vorleben bzw. meine Startpakete in neue Abenteuer aufgeschichtet hatten. Als ich aus dem Fenster sah, erkannte ich genau gegenüber eine große öffentliche Normaluhr, ihre Zeiger zeigten die zehnte Stunde. Ich legte spontan für mich fest, 24 Uhr beginnt ein neues Leben.

      Ich konnte noch nie die Menschen verstehen, die ihren Urlaub schon für das nächste Jahr planen. Hier hatte ich mal wieder einen handfesten Beweis für meine Theorie, innerhalb von nur vier Stunden hatte sich meine kleine heile Welt total auf den Kopf gestellt. Auch Klein-Paul war auf dem Weg zu meiner alten Wohnung noch siegesbewusst mit geschwollener Brust gewesen, als ich den 24-armigen Kerzenleuchter im Fenster erblickt hatte, aber jetzt war er verschwunden. Ich hoffte, dass ich ihn wenigstens beim Pinkeln wieder finden konnte.

      ›Ein einfach schräger Tag bis jetzt, aber es kann ja nur besser werden‹, versuchte ich mir Mut zu zusprechen. Ich, Paul, saß in meiner Höhle und starrte auf unverputzte Höhlenwände. ›Werde erst einmal eine Bestandsaufnahme machen in diesem Loch, anders kann man es nicht bezeichnen‹, bevor Fred mich zu einer ersten Tour auf die Karli abholen wollte.

      ›Liebe Anja, ich danke Dir von ganzem Herzen und wünsche dir die Pest an den Hals!‹, und noch andere ausgefallene Wünsche gingen mir für meine Ehemalige, ›wow, klingt echt gut‹, durch den Kopf, währenddessen ich wie ein Häuflein Elend dahockte und die Reste meines vorherigen Lebens anstarrte. ›Du vögelst dir gerade die Seele aus dem Leib und ich kann nicht mal den Putz von den Wänden fressen, da es ja hier keinen gibt.‹

      Mir wurde schon nach den ersten Schritten durch meine Ausbauhöhle klar, warum diese so billig in der Miete war und Anjas liebe Freundin diese nicht mehr wollte. Irgendjemand hatte – ich vermutete, Marias schräge Bekanntschaften – versucht, dieses Loch in einen bewohnbaren Zustand zu bekommen, hatte aber irgendwann verzweifelt aufgehört, wie ich bei einem Blick in das Toilettenbecken feststellen musste. Bestimmt die letzte frustrierte Handlung, bevor diese Typen fluchtartig die sogenannte Wohnung verlassen hatten. Im Toilettenbecken lag ein großer Fladen, der sich bis in den Abfluss erstrecke. Nur dieser Fladen war nicht braun und stank auch nicht, er war grau und hart, wie ich beim Betasten mit den in der Ecke lümmelnden Resten einer Klobürste feststellen konnte. Es war steinharter Mörtel. Bestimmt war es der Rest von dem Mörtel, mit dem Maria und ihre Typen versucht hatten, die in der ganzen Wohnung schon frei gehackten Fenster, welche sicher irgendwann ausgetauscht werden sollten, wieder abzudichten, sodass sie nicht befürchten musste, im Winter zu erfrieren und bei Herbststürmen durch die Wohnung geweht zu werden.

      Klein-Paul meldete sich wieder mal und ich merkte, dass ich eigentlich die Toilette benutzen sollte, aber die war ja zugemörtelt. Mit gutem Zureden, dass es gleich so weit wäre und er seinen zweiten Verwendungszweck schnellst möglich ausführen können würde, machte ich mich auf die Suche nach etwas, was man als Bohrer oder Stemmeisen verwenden konnte. Beim Suchen stellte ich fest, dass meine Höhle gar nicht so verkehrt war: ein großes Zimmer von ungefähr zwanzig Quadratmetern und zwei kleinere.

      Dazu gab es eine Küche, wo sogar noch ein alter E-Herd dahinvegetierte und eine Toilette, die aber seit Wochen Ruhetag hatte. Leider kein Bad, aber da würde mir bestimmt, was einfallen. In allen Zimmern baumelten zum Glück die romantischen Notleuchten – ein Draht, eine Fassung und eine natürlich vollkommen verdreckte Glühbirne. Auch in den restlichen Zimmern waren teilweise schon Löcher in den Putz gehackt, umgeben von Tapetenresten aller bisher in der Menschheitsgeschichte beliebten Stilrichtungen. ›Bestimmt feierten noch vor Kurzem, wo jetzt die frei gehackten Löcher waren, Schimmelpilze ihre Erweiterungspartys.‹ In einem von den beiden kleineren Zimmern, das ich mir schon als Ruheraum auserwählt hatte, türmte sich in der Mitte ein Sandhaufen. ›Da ich kein Bett mitbekommen hatte, brauchte ich wenigstens nicht auf den harten Dielen zu nächtigen‹, bei diesem Gedanken wurde mir bewusst, dass sich langsam mein Humor leise zurückmeldete.

      Klein-Paul schnürte sich immer mehr die Luft ab, da mein Druck in der Blase immer größer wurde. Aber es war einfach nichts aufzutreiben, was als Brecheisen verwendbar gewesen wäre. Mit eiligen Schritten ging ich zur Toilette zurück, in der Hoffnung, dass wenigstens das Waschbecken einen Abfluss hatte. Freudig begrüßte

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