Lust und Liebe dann kam das Leben. Peter Nimsch

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Lust und Liebe dann kam das Leben - Peter Nimsch

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kam es spitz von mir, und ich verließ meine Toilettenbaustelle.

      Kurze Zeit später stand Fred schon wieder grinsend und die nassen Finger – ich hoffte, nur vom Händewaschen – an der Hose abschmierend vor mir. »Da haste ja ein echtes Problem ha … haa … haaa …, aber auf der Karli gibt es ja zum Glück viele Cafés, die früh für deine größere biologische Gesetzmäßigkeit geöffnet haben. Haa … haaa …, aber im Ernst, da hilft kein Brecheisen, da hilft nur ein Fachmann, der dir ein neues Toilettenbecken einbaut. Ruf morgen früh einfach mal hier an« und Fred hielt mir sein Handy unter die Nase.

      Hastig schrieb ich mir die Nummer ab, während Fred laut stapfend meine Höhle begutachtete. Immer mal wieder hörte ich das typische ›ha … haa … haaa …‹

      »So viele Nummern von Fachleuten habe nicht mal ich in meinem Handy, mein Lieber. Wenn ich mich hier so umsehe, braucht dieses Loch ein Komplettprogramm … Ha … haa … haaa … Da kannst sogar du noch zum Handwerker werden. Aber nicht verzweifeln, ich helfe dir. Doch jetzt habe ich Feierabend, lass uns endlich auf die Piste gehen.«

      Schnell riss ich mir die misslungene Geschenkidee zu unserem Einjährigen vom Leib und suchte mir aus meinen Klamottenstapeln die, so hoffte ich, passenden Bekleidungsstücke – schwarze enge Jeans und T-Shirt, meine Lieblingskapuzenjacke und natürlich rote Schuhe – für den kommenden Abend, ›Nein, Nacht!‹ stellte ich fest, als meine Augen beim Ankleiden zufällig die Normaluhr auf der Karli vor meinem Fenster streifen.

      12. OKTOBER

      »Los, komm endlich!« drängelte Fred. »Heulen kannst du morgen. Im Pub gleich nebenan, meinem Lieblingspub auf der Karli, steigt seit zwei Stunden eine ganz, ganz coole Party.«

      ›Habe aber erst vor Kurzem ganz toll geheult …‹, dachte ich innerlich grinsend. ›Musste erst mal so hinkriegen, mein lieber Dicker‹, fügte ich noch im Stillen leicht triumphierend hinzu.

      Fred hatte nicht zu viel von der Karli versprochen. Ich war einfach während meiner Zeit mit Anja viel zu wenig im Leipziger Süden gewesen. Es ist kurz nach Mitternacht und auf dieser Straße ist eigentlich überall Party, als ob es kein Morgen gibt. Und das alles vor meiner Höhle, davon können andere nur träumen. Zwei Minuten später saßen wir, gleich gegenüber von meiner Haustür, in Freds Lieblingspub.

      Am Tresen bunt gemischtes Publikum, Studenten über Studenten, so vermutete ich, als sich meine Augen an das Dämmerlicht und die mit Rauchschwaden geschwängerten Sauerstoffreste gewöhnt hatten, aber auch unsere ›Semester‹ sind zahlreich vertreten, stellte ich erleichtert fest.

      »Zwei Kilkenny, Judith!«, rief Fred einer Fee aus ›Tausend und einer Nacht‹ hinter dem Tresen zu. »Mensch, ist ja peinlich mit dir«, flüstert Fred, »… glotz die nicht so an!«.

      Erst jetzt merkte ich, wie ich mit starrem Blick Judith anstaunte.

      »Ich nenne sie heimlich die Katze«, flüsterte Fred, »sieh nur diese grüngelben Augen, die gibt es auf der ganzen Karli nur einmal.«

      Die Katze, wie sie auch bei mir nach einem Blick in ihre Augen sofort hieß, schob uns lächelnd die zwei Kilkenny rüber und nahm eilig die nächsten Bestellungen entgegen.

      »Prost …, aber nun sag mal, was war denn eigentlich bei euch los? Dachte immer, du hättest endlich auch mal einen Hafen gefunden.«

      Ratlos starrte ich Fred an und wusste gar nicht, wo ich beginnen sollte. Viele Splitter aus meiner Anja-Zeit, die mir schon seit den letzten Stunden im Kopf rumgingen, wollten alle auf einmal auf meine Zunge.

      »Naja … ich überlege auch schon die ganze Zeit, was der Grund für meinen heutigen Weltuntergang war, bekomme es aber einfach nicht hin. Vermute, nach den heutigen tollen Bemerkungen von Anja, die sie mir durch den Türspalt grinsend zu säuselte, dass ich ihre Erwartungen nicht erfüllen konnte.«

      »Erwartungen?«, fragte Fred staunend zurück, »Was denn für Erwartungen?«

      »Na …, die … die Erwartungen eben«, kam es verschämt und stockend aus meinem Mund. »Nun hab dich nicht so.«

      Krampfhaft überlegte ich, ob ich Fred eine Beichte abliefern sollte, er ist ja mein ältester und vertrautester Freund, eigentlich weiß ich auch alles von ihm, und so öffneten sich endlich meine Lippen und ganz leise, damit es auch ja niemand hörte, sagte ich: »… na, so das Eine eben …«, nochmals überlegend, ob ich es wagen kann, »… der Sex.«

      »Bei dir??? … der Sex?«, Fred verstand die Welt nicht mehr.

      »Naja, Anja sagte, oder ich vermute sie so verstanden zu haben, sie sei nicht glücklich, wenn es nur Blümchensex und manchmal etwas mehr gäbe. Aber ich habe doch momentan auch eine schwere Zeit, mit den Auftritten läuft es einfach nicht mehr so, bin laufend unterwegs …, Bandproben und immer auf der Suche nach Muggen, also irgendwas, was ein bissel Kohle einbringt. Ich war einfach immer kaputt. Wir hatten die letzten Monate fast gar keinen Sex mehr, hatte auch keine so richtige Lust auf Anja, irgendwas ist zu Bruch gegangen zwischen uns … einfach still und leise …«

      »… Mensch, du kannst einem ja echt leidtun!«

      »Und zum Abschalten von den sinnlosen Bemühungen mehr Muggen zu bekommen und den ganzen Beziehungsproblemen habe ich dann oft meine tollen Ballerspiele im Computer gespielt, war echt süchtig danach«, beichtete ich weiter. »Anja war oft stinksauer, selbst wenn sie sich ganz zärtlich nur mit Slip und Strapsen bekleidet auf meinen Schoß setzte, wenn ich gerade spielte …«, sagte ich vollkommen in Gedanken versunken an die vergangene Zeit. »… war ich ganz abwesend, vom Spiel gefesselt, schaute Anja oft gar nicht richtig an und faselte was von nur noch zehn Minuten, dann habe ich gewonnen …, aus den zehn Minuten wurden oft Stunden …«

      »Aber dann war es von ihr auch nicht DIE Liebe!«, versuchte mich Fred zu trösten.

      »… und du weißt doch, wie ich aufgewachsen bin, bei zwei Frauen, Mutter und Schwester, da war das Thema Sex und alles, was auch nur im Entferntesten damit zu tun hatte, einfach tabu und ich bin bis heute noch oft so verdammt schüchtern und unerfahren in vielen Dingen.«

      Freds Augen wurden immer größer und ich versank fast vor Scham, aber irgendwie wollte ich vieles loswerden, was mich schon oft belastet hatte. ›Und viel schlimmer kann es ja heute wirklich nicht mehr werden‹, glaubte ich zumindest noch in diesem Augenblick.

      »… und außerdem poppt sich Anja gerade die Seele aus dem Leib, mit einem äußerst potenten Typ, in unserer, besser gesagt: meiner ehemaligen Wohnung. Sie versucht nun krampfhaft, alles, was sie in den letzten Monaten mit mir verpasst zu haben glaubt, in wenigen Stunden nachzuholen. Musste das ganze, von Anja vermisste Sexleben, zum Teil mit anhören, als ich eine gefühlte Ewigkeit auf dich gewartet habe.«

      »Komm, Prost Paul, der Abend oder …«, nach einem Blick auf die Uhr, »eher der Morgen, kann nur besser werden.«

      Die Katze reichte uns ständig neue Kilkenny … ›Hatten wir überhaupt bestellt?‹ … nach dem vierten Bier kannte Fred fast meine ganze Beziehungskiste der letzten zwei Jahre.

      »Komm Alter, mach die Augen auf, vergiss die Tante, war zwar ein heißer Feger, wie ich so raus höre, aber das ist nicht alles, gibt auch andere, du hast was Besseres verdient!« Mit solchen oder ähnlichen Sätzen versuchte mich Fred liebevoll aufzubauen. Aber in meinem Kopf war immer noch Achterbahn angesagt, angefangen von Frust, Hass, Enttäuschung, verschmähter Liebe, Nachtrauern vieler verpasster

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