Lust und Liebe dann kam das Leben. Peter Nimsch
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Читать онлайн книгу Lust und Liebe dann kam das Leben - Peter Nimsch страница 12
»… ich … ich … brau … brauche einen Drink …«, stammelte ich fassungslos vor mich hin.
»… sei bitte nicht sauer …«, flüsterte Claudi.
›Sollte ich sie jetzt Claus nennen?‹ Ich verstand die Welt nicht mehr!
Claudi stand langsam, mit einem etwas enttäuschten Blick auf und ging zu der im Hintergrund stehenden, wohlgefüllten Hausbar und goss mir einen Drink ein. Kaum hatte ich das Glas in den Händen, stürzte ich es mit einem Zug hinunter. Langsam legte sich der Schock etwas, als sich die wohlige Wärme von einem vorzüglichen Whisky in meinem Bauch breit machte. Auch Claudis kleiner Kumpel – sollte ich ihn Klein-Paula nennen? – hatte sich langsam etwas beruhigt und schwankte, nur noch leicht geschwollen, vor dem Körper einer Traumfrau, wo er nach meiner bisherigen kleinkarierten Sichtweise eigentlich nichts zu suchen hatte.
»Komm krieg dich wieder ein«, flüsterte Claudi und legte dabei ganz sanft den Arm um meine Schulter. »Du hast mir wirklich gefallen, als ich dich so am Tresen sitzen sah und als ich noch deine Geschichte hörte, konnte ich richtig mitfühlen mit dir«, drangen Claudis Worte, immer noch mit dieser tiefen, erotischen Stimme, in mein Gehirn.
»Immer, wenn mir mal ein Typ gefiel, bin ich gleich mit der Tür ins Haus gefallen. Heute hatte ich wirklich so eine Lust auf dich, da wollte ich es einfach so lange wie möglich hinauszögern, irgendwie hoffend, dass du dich vielleicht gar nicht so daran gestört hättest.«
Bilder des vergangenen Abends kreisten im Kopf, Claudi neben mir am Tresen, wir beide wahnsinnig erregt. Ich dachte an meine Minderwertigkeitsgefühle, als ich ihre leicht muskulösen Schenkel und Oberarme spürte.
Jetzt wurde mir vieles klar, mit weniger Alk im Blut hätte ich alles eher begreifen können.
»Was ist denn Schlimmes passiert?«, flüsterte Claudi. »Ich hab dich scharf gemacht, du hast mich scharf gemacht und es hat uns, bis vor wenigen Minuten, allen beiden sehr gefallen.« Lächelnd zeigte Claudi auf unsere zerwühlte Riesenspielwiese.
›Da muss ich ihr Recht geben …‹, dachte ich und sah zum wiederholten Mal auf diesen wahnsinnig fraulichen Körper, welcher vor Kurzem noch vor Lust gebebt hatte. Aber meine Augen wanderten auch immer wieder zwischen ihre Schenkel und da war einfach ein Teil, was da für mich nicht so richtig hingehörte. Meine Gefühlswelt war wieder einmal, wie schon so oft in den vergangenen Stunden, total verwirrt.
»Ich kann so etwas nicht!«
»Willst noch einen Drink?«, fragte Claudi.
Durch den Schock vor wenigen Minuten war ich schlagartig nüchtern geworden. Ich nahm das Angebot zu einem weiteren Getränk dankbar an.
Claudi holte einen neuen Drink, legte mir wieder sanft den Arm um den Hals und schob mich behutsam Richtung Spielwiese. ›Soll es etwa weitergehen?‹, ich verkrampfte am ganzen Körper.
»Keine Angst, Paul, komm setz dich neben mich, jetzt erzähle ich dir mal eine Geschichte, meine Geschichte …«
Claudi schaute mich mit ihren großen Augen ziemlich traurig an und begann, zuerst etwas stockend, dann immer schneller Episoden aus ihrem Leben zu erzählen.
»Ich bin doch auch nur ein Mensch …, mit ganz normalen Wünschen …«
›Naja‹, dachte ich für mich, ›normal? Da brauche ich bestimmt noch ein wenig, um das gerade Erlebte als normal zu betrachten.‹
»Auch ich suche nach Liebe, nach Zärtlichkeit, einfach nach jemandem, der da ist, wenn man ihn braucht und dem man alles erzählen kann, dem man vertraut«, begann Claudi mit ihrer bisherigen Lebensgeschichte.
»… ich wollte immer normal sein …, schon als Kind … wurde ich oft gehänselt, weil ich für die anderen Kinder irgendwie anders war. Zu Hause zog ich oft heimlich die Unterwäsche meiner großen Schwester an und drehte mich vor dem Spiegel in meinem Zimmer. Es waren für mich die bis dahin glücklichsten Momente in meinem Leben. Eines Tages erwischte mich mein Vater dabei und verprügelte mich so, dass ich tagelang nicht richtig sitzen konnte.«
Ich sah sie mitfühlend an und ihre großen, dunkelblauen Augen füllten sich immer mehr mit Tränen. Wie selbstverständlich zog mein Arm Claudi etwas enger an mich.
»Meine Schwester petzte meinen Eltern, dass ich diese Verkleidung schon öfter gemacht hatte, wenn sie außer Haus waren, dass ich stundenlang komplett in ihren Kleidern durch die Wohnung lief. Seit diesem Tag war es zu Hause für mich die reine Hölle. Mein Vater und nach einiger Zeit auch meine Mutter behandelten mich wie den letzten Dreck. Du bist eine Schande für unsere Familie, war noch das Schönste, was ich immer öfter zu hören bekam.«
Claudis Tränen liefen nun ungebremst und ich drückte sie umso liebevoller an mich. Mit ihren inzwischen geröteten Augen sah sie mich an und erzählte leise weiter. Meine Hand streichelte dabei, unbewusst von mir, ganz automatisch ihren Rücken.
»Nach dem Abi, wir wohnten damals in einer Kleinstadt unweit von Leipzig, wollte ich nur noch weg, ganz weit weg von zu Hause. Immer mehr sprach sich mein Anderssein in dem Kaff herum und es war langsam wie Spießrutenlaufen, wenn ich durch die Straßen ging. Mein Entschluss zur Trennung von meiner Familie, der schon lange in mir gärte, war dann auf einmal ganz einfach umzusetzen. Ich bewarb mich an der am weitesten entfernten Uni.«
»Mein größter Wunsch war es damals, Psychologie zu studieren«, kam es weiter mit tränenreicher Stimme aus Claudis Mund und ihre linke Hand verkrampfte sich förmlich in meinem Oberschenkel.
»… wollte einfach mehr erfahren über die Wirrungen der menschlichen Psyche und vielleicht wollte ich mich selbst auch besser kennenlernen, ich wusste es damals noch nicht so genau. Während des Studiums ging es einigermaßen. Mein manchmal etwas anderes Benehmen und meine Einstellungen wurden größtenteils akzeptiert, wenn auch nicht von allen. Studenten sind einfach lockerer, nicht so dumpf vorprogrammiert wie viele andere Normalos, die mich auch heute immer noch blöd anmachen.«
Ganz, ganz langsam begann ich irgendwie, diesen einen, bisher für mich so vollkommen fremden Teil der menschlichen Vielfalt zu begreifen.
»Das Studium schloss ich mit sehr gut ab. Aber sollte ich wirklich als Psychologe arbeiten können, wenn ich mit mir selbst nicht im Reinen war? In meinem Körper brodelte es immer mehr. Immer öfter kam ich zu dem Schluss, dass ich im falschen Körper steckte!«
Claudis Tränen kullerten nur so aus ihren großen Augen. Ich nahm ein Taschentuch und tupfte sanft die Tränen aus ihrem Gesicht. ›Eigentlich ein scheiß Leben, was Claudi da hinter sich hatte, einfach schrecklich kompliziert‹, und mit immer größer werdender Sehnsucht, sie zu trösten, nahm ich sie noch enger in meinen Arm.
»Nach monatelangen inneren Kämpfen beschloss ich, mich zu meinen Neigungen zu bekennen und mein künftiges Leben nicht mehr als Mann zu führen, der ständig zwischen zwei Welten wechselte, ich wollte endgültig nur noch Frau sein. Mit Gelegenheitsjobs in Kneipen und Bars, hier war man öfter mit ähnlichen Schicksalen zusammen. Schwule, Lesben oder Transen arbeiten hier gern, da sich die Leute hier am wenigsten daran störten. Eisern begann ich für mein nächstes Ziel zu sparen. Wenn ich mich schon outete, wollte ich zumindest als erstes wunderschöne Brüste haben, einfach erst mal mit dem einfachsten Umbau