Lust und Liebe dann kam das Leben. Peter Nimsch

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Lust und Liebe dann kam das Leben - Peter Nimsch страница 16

Lust und Liebe dann kam das Leben - Peter Nimsch

Скачать книгу

krank, ist ja dein Regordgurzbesuch, zehn Minuten Gacken und zehn Minuten Gaffee trinken!«

      »Bin echt kaputt, komme jetzt wieder öfter, wohne gleich hier um die Ecke seit gestern.« Warum ich so kaputt war, musste Claus ja nicht gleich am ersten Abend unseres Wiedersehens wissen, obwohl er von den anwesenden Gästen vermutlich als einziger meine neuen Erfahrungen zu würdigen wüsste.

      Erleichtert, aber immer mehr erschöpft, erreichte ich meine Höhle. Ich hatte gerade Freds Campingbett und die weiteren von ihm gespendeten Zutaten zu meiner Nachtstatt erkoren und mich auf nicht so erquickende Stunden vorbereitet, als es an meine Tür wummerte.

      Als ich sie entnervt aufgerissen hatte, stand mir mein neuer Nachbar Stefan mit einem sich spontan erleichternden Gesichtsausdruck gegenüber.

      »Endlich ist mal jemand zu Hause in diesem Partyhaus, fast jeden Abend kannste hier ermordet werden und niemanden interessiert es, weil sich alle auf der Karli in irgendwelchen Kneipen rumtreiben«, schoss es nur so aus seinem Mund.

      »Was ist denn los, sollst du heute ermordet werden, warum so verstört?«, grinste ich.

      »Seit Stunden kommt so ein komisches Gejammer aus Jüttes Wohnung unten, du weißt schon, der eigenartige Typ, der dort mit seiner Mutter haust, hab ich dir doch gestern erzählt.«

      Langsam begriff ich die Aufregung, Stefan hatte mich ja gleich gestern, bei unserem ersten Kennenlernen, vor dieser Familie gewarnt.

      »Will schon lange mal nachschauen, was da so los ist, aber alleine traue ich mich nicht und vielleicht ist alles ganz harmlos und ich mach mich zum Blödie.«

      »Ich komm mit, kein Problem« und ich tappte mit Stefan die Stufen runter zu Jüttes Erdgeschosswohnung.

      Auch nach wiederholtem Klingeln passierte nichts. Die Heullaute, die aus der Wohnung drangen, waren fast tierisch, nicht mehr menschlich. Langsam wurde auch mir etwas mulmig zumute. Ich begann automatisch und genauso energisch, wie Stefan kurz zuvor an meiner Tür, die Tür von Jüttes zu bearbeiten. Nach einer schier endlos scheinenden Zeit öffnete sie sich langsam und ein verheulter, ungefähr – so schätzte ich spontan – 40-jähriger, mittelgroßer und dicker Typ stand uns gegenüber. Kein Typ, korrigierte ich mich sofort, als ich ihn näher betrachtete. Einfach so eine unscheinbare Figur, die einem eigentlich auf die Füße treten müsste, damit man sie beachtet, wenn man sie auf der Straße trifft. Vollkommen glatt, kein Merkmal, das mir in die Augen sprang, außer dem verheulten Gesicht natürlich. So hatte ich mir immer einen verklemmten und stupiden Briefmarkensammler vorgestellt. Eigentlich waren das für mich Typen, mit denen man nichts zu tun haben will, weil man Angst bekommt, von ihren blassen Eigenschaften würde sogar noch etwas abfärben können.

      »Können wir helfen?«, kam es fragend von Stefan hinter mir.

      Die großen, verheulten Augen starrten uns Hilfe suchend an und mühsam, von Schluchzern unterbrochen, verstanden wir langsam »… meine schluchz … meine Mutter … schluchz … ist heute früh gestorben … schluchz …«

      Spontan versuchte ich diese fremde Person vor mir zu umarmen, wurde aber sofort daran gehindert, indem sie mich energisch von sich schob.

      »Im Krankenhaus?«, frage ich um irgendetwas zu sagen.

      »Nein, hier … schluchz …« und dabei lief er traumatisiert in die Wohnung zurück.

      Fragend schauten wir uns an, als wieder dieses unmenschliche Heulen von drinnen erklang.

      »Da liegt die ja schon seit Stunden hier rum, seine Mutter«, flüsterte ich leise zu Stefan und Gänsehaut breitete sich auf meinem Rücken aus.

      Langsam betraten wir eine dunkle Wohnung, die mich an ein sehr düsteres Museum erinnerte, alles war so eingerichtet, wie vor mehr als hundert Jahren. Wir folgten dem lauten, fast übersteigerten Heulen in ein noch dunkleres Zimmer. Auf einem historischen alten Holzbett lag eine, für ihr Alter, schöne Frau mit selbst im Tod noch erkennbaren sehr strengen Gesichtszügen. Diese umklammerte Jütte Junior und heulte und heulte. Von den Wänden starrten uns unzählige Portraits und fast lebensgroße Gemälde dieser auf dem Bett liegenden Toten entgegen. Behutsam versuchten wir den Sohn von der Mutter wegzuziehen, da wir ihm irgendwie helfen wollten.

      »Kommen Sie«, sagte Stefan zu Jütte Junior, »wir trinken erst mal einen Schluck und kümmern uns um alles weitere.«

      Behutsam führten wir ihn unbeholfen weg, wir waren beide mit der Situation vollkommen überfordert.

      »Wo ist denn das Wohnzimmer oder Ihr Zimmer?«, fragte ich leise, da ich, als wir durch den Flur gegangen waren, nichts dergleichen gesehen hatte. »… kommen Sie, da setzen wir uns erst mal hin, hier kommen Sie nie zur Ruhe«, versuchte ich Stefans Vorschlag zu untermauern.

      »Aber … das ist mein Zimmer!!!!«, kam es heulend und verärgert aus seinem Mund.

      Langsam verstand ich die Welt nicht mehr, als ich die unzähligen Bilder seiner Mutter an den Wänden sah … ›Aber hatte ich heute nicht schon so viel verstanden? Da werde ich nun auch noch versuchen, dieses irgendwie Unlogische zu begreifen!‹

      Nach ewigem Zureden hatten wir ihn endlich ins Wohnzimmer lotsen können und ihm einen großen Drink aus einer auf der Kommode herumstehenden, eingestaubten Cognacflasche eingeschenkt, den er wie abwesend in sich reinkippte. Stefan wählte auf dem Telefon die Nummer von einem diensthabenden Bestattungsunternehmen, die er nach endlosen Versuchen bei der Auskunft herausbekommen hatte.

      Nach einem Blick zu mir sagte Stefan, »Komm, ruh dich aus, ich kümmere mich um ihn, ich bleibe hier, bis die Leute vom Bestattungsunternehmen eintreffen.«

      »Danke, Stefan«, murmelte ich, wankte in meine Höhle und fiel wie ein Stein auf die Campingliege, die mich mit lautem Quietschen begrüßte. ›… Anjas Rauswurf, Claudi bis zur Erschöpfung … und nun auch noch dieser komische Sohn mit seiner toten Mutter … es reicht …‹ und sofort fiel ich in einen tiefen Schlaf.

      4. NOVEMBER

       Drei Wochen später …

      Das Klingeln an der Wohnungstür holte mich in die Realität zurück. Sachte tastete ich zaghaft an meiner Stirn herum und fühlte auf einmal eine riesige Beule. Meine Finger drückten behutsam darauf herum. Blitzartig verkrampfte mein ganzer Körper, als ich merkte, wie einige Blutstropfen hervorquollen. War einfach typisch für mich, als ich mich langsam an das gerade Passierte erinnerte und dabei zur Wohnungstür schlich.

      Meine vorläufig letzte Handlung zur Vollendung meiner Höhle sollte das Anbringen eines alten Wäschetrockners sein, damit ich in Ermangelung eines Kleiderschrankes meine Klamotten endlich etwas besser verstauen konnte. Dieses fast schon historische Teil hatte ich gestern auf einem Flohmarkt auf der Karli erstanden. Damit er bestens in meine schräge Höhle passte, hatte ich ihn noch mit Goldlack verschönert. Es war so ein Modell, das an die Wand geschraubt wird. Danach zieht man die untere Wäscheleinenhalterung heraus und hängt sie an der gegenüberliegenden Wand in zwei Haken ein. Mit meinen relativ schwach ausgeprägten handwerklichen Fähigkeiten hatte ich es nach endlosen Bohrungen in dem morschen, alten Gemäuer meiner Höhle nach Stunden endlich geschafft, vier Dübel darin zu verewigen. Zwei Dübel auf der einen Seite, zwei Dübel mit Haken auf der anderen Seite des Zimmers.

      ›So, das wäre auch geschafft‹, waren meine Gedanken, als ich den Wäschetrockner an der Wand festgeschraubt hatte und die unter Spannung stehenden Leinen herauszog, um sie an der

Скачать книгу