Lust und Liebe dann kam das Leben. Peter Nimsch

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Lust und Liebe dann kam das Leben - Peter Nimsch

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ausgefallen. Schon rein aus Bestandsgründen meiner Höhle konnte ich nie viel einkaufen, so ein bissel Vorrat, ein Kühlschrankkauf musste einfach warten, bis wieder mal mehr Geld mein Konto begrüßen durfte. Hatte bei Anja in einem goldenen Käfig gelebt, fast bis zum Schluss hatte sie viele Kosten für mich mit übernommen, immer in der Hoffnung, dass sich doch irgendwann mein musikalischer Erfolg einstellte. Von den anderen sehr erfolgreichen Fähigkeiten aus meinem früheren Leben wollte ich aber einfach nichts mehr wissen. Anja hatte immer wieder versucht, da es mit der Musik nicht so richtig klappen wollte, mich zu überreden, einen Neustart zu wagen, da ich auf diesem Gebiet wirklich sehr gut war. Aber es war damals einfach zu blöd für mich gelaufen, es brauchte noch einige Zeit, alles zu verarbeiten …

      Vor fast zehn Jahren hatte ich mich versucht, mit einer Werbeagentur selbstständig zu machen. Da ich aber nichts mit dem ganzen Schriftkram und üblen Notwendigkeiten wie Finanzamt und anderen nervtötenden Einrichtungen am Hut haben wollte, suchte ich mir dazu einen Geschäftspartner. Ich wollte einfach nur kreativ und in der großen weiten Welt der Werbung unterwegs sein. In meiner Zeit als freier Grafiker hatte ich öfter Kontakt mit einem Manager, den ich mir in dieser Funktion und als Geschäftspartner gut vorstellen konnte. Er sagte damals sofort zu, da auch er sich gerade verändern wollte.

      Nach anfänglich harten Monaten gewannen wir in einem Pitch, als Newcomer gegen viele große renommierte Agenturen, den Etat einer riesigen überregionalen Marke. Ich fühlte mich damals wie im Zauberwald. Nach diesem Etatgewinn ging es Schlag auf Schlag weiter und wir wurden zu einer der gefragtesten und kreativsten Werbeagenturen im Land. Ich, der immer so lebenslustige Paul, der nie jemandem so richtig böse sein konnte, musste auf einmal Chef spielen lernen, denn wir hatten mittlerweile mehr als zwanzig Mitarbeiter. Das gelang mir mehr oder weniger gut. Ich war einfach nicht zu einem Chef geboren, aber vielleicht gab es gerade deshalb so einen großen Zusammenhalt in unserer Agentur und die kreativen Ergebnisse und Erfolge bestätigten es täglich, dass ein Chef auch ein ganz normaler Mensch bleiben kann. Ich tauchte ein in die Scheinwelt der nachgebesserten Schönen und angeblich Reichen. Das Geld floss in Strömen.

      Bis die Traumwelt wie eine Seifenblase platzte. Diese geile Welt der Werbung hatte mich vollkommen verzaubert. Ich wollte mich an meinen originellen Einfällen erfreuen und an dem Entstandenen in den Hochglanzillustrierten berauschen. Alles andere war mir egal. Wie von einer Keule getroffen wurde ich in das Leben zurückgeholt. Mein Partner hatte sich heimlich Geld, fast schon mit kriminellen Machenschaften, aus der Agentur gezogen und sich nicht nur ein Haus gekauft. Da ich ihm in den finanziellen Dingen bisher blind vertraut hatte, stand ich, mit meinen zarten Künstlernerven vollkommen am Ende, urplötzlich vor einem immensen Berg von Schulden. Aus einzelnen Mahnungen wurden in kürzester Zeit Berge von Mahnungen, Vollstreckungsbescheiden und all den lustigen Dingen, die unser Rechtssystem zu bieten hat. Die Agentur war bankrott.

      Mit guten Freunden, bunten Glückspillen der Pharmaindustrie und meinem gesamten Ersparten kam ich gerade noch so mit einem blauen Auge davon.

      Für einen Neuanfang fehlte mir einfach die Kraft. Damals begann ich als Musiker mein neues Glück zu versuchen. Zum Ersten hatte ich eine gute musikalische Bildung schon in meiner Kindheit genießen können und zum Zweiten hatte ich in diesen schweren Wochen wirklich gute alte Freunde wieder neu gefunden, die gern mit mir Musik machen würden. Die Scheinwelt der Werbung, wie ich unsanft erkennen musste, wollte ich einfach nicht mehr.

      Noch heute tat mir nicht nur der Mund weh, wenn ich daran dachte, wie man auf den, fast täglich stattfindenden, abendlichen Events stundenlang dämlich grinsen und mit Menschen, die sich für Götter hielten und denen man im normalen Leben eigentlich liebend gern gesagt hätte, wie arrogant und blöd sie sind, Smalltalken musste. Oft war ich damals nach solchen Abenden kaputter, als hätte ich einen Tag lang körperlich hart gearbeitet. Dies alles tat ich mir an, um immer up to date und bei einer möglichen Auftragsvergabe mit im Boot zu sein. Einfach grausam und nicht gut für eine empfindsame Seele wie die meine. Dieser tägliche Maskenball, und Freunde oder was man in diesen Kreisen dafür hält, gibt es in dieser Welt einfach nicht, wie ich bei meiner damaligen Suche nach Hilfe immer wieder feststellen durfte …

      Vollkommen weggetreten saß ich auf meinem neuen Lieblingsplatz, meinem Sandhaufen und starrte ins Leere. Immer wieder befiel mich, auch heute noch, eine innere Eiseskälte, wenn ich an die Zeit rings um den Agenturbankrott dachte. Zum Glück konnte mein leerer Magen sehr fordernd sein und holte mich mit seinem Knurren in die Wirklichkeit meiner Höhle, nein … meine superschicke Höhle zurück.

      Was hatte doch Stefan beim Gehen gesagt? Damen würde ich hier bald verwöhnen können? Aber wenn Damen verwöhnt werden sollen, müssen diese hier auftauchen und dafür musste ich etwas tun. Doch zuerst einmal was zur Hungerbekämpfung veranlassen und so begab ich mich in mein, inzwischen wieder sehr geliebtes Café an der Ecke, unweit meiner Höhle.

      Es war in den letzten Wochen während der Zeit der Renovierung zu meinem Ersatzwohnzimmer geworden. ›So soll es auch bleiben!‹, dachte ich gerade, als mich eine inzwischen wohlvertraute Stimme aus meinen Träumen riss.

      »Hi Paul, kommst awer früh heute«, begrüßte mich Claus mit seinem, nicht zu überhörenden, leicht schwul klingenden Tonfall.

      »Hab’s geschafft, ich bin einfach so froh darüber, dass meine Höhle aus dem Gröbsten raus ist und jetzt habe ich Hunger!«

      »Wie immer, eine Quietsche und einen Schoppen trockenen Rotwein?«

      »Ja, wie immer, Quietsche und einen Schoppen Rotwein.« Beim ersten Abend hatte ich ihn blöd angeschaut und Bahnhof verstanden, als er meine Bestellung mit seiner sächsischen Bezeichnung für Quiche Lorraine wiederholte. War meine Lieblingsspeise hier geworden und mittlerweile wusste ich auch, was er mit Quietsche meinte. Als Stammgast in diesem Café, wurde mir von einigen Tischen lächelnd zugewunken. Heute wollte ich aber erst einmal alleine sein und meine Freude über meine schicke Höhle genießen.

      Claus stellte mir schon nach wenigen Minuten die leckere goldgelbe Quietsche und den Schoppen Rotwein vor die Nase.

      »Lass dir’s schmeggen und verbrenn dir nisch de Gusche, ist wahnsinnig hees!« kam es von ihm betont sächsisch und er verschwand in der Küche. Das Café war heute wieder sehr gut besucht, wie immer eigentlich. ›Eine Goldgrube für den Besitzer‹, dachte ich ein wenig wehmütig, meine finanziellen Reserven vor Augen und fiel heißhungrig über die Quietsche her. Den Hinweis auf ›hees‹ hatte ich natürlich längst vergessen … Nun, notgedrungen langsamer, mit schmerzendem Gaumen, genoss ich mein Lieblingsgericht und die Welt fühlte sich mal wieder besser an.

      Mein Lieblingscafé füllte sich immer mehr und auch heute erschien die, für mich so eigenartige Frau, die so um die dreißig war. Ihr Gesicht, aber wirklich nur ihr Gesicht, hatte sich im Gestaltungszyklus der Formung nicht viel Mühe gegeben. Schmal und blass, mit einer viel zu langen und spitzen Nase, wurde es von karminrotem, knapp schulterlangem, glatten Haar umrandet. Kleine und dunkle, mit einem leicht stechenden Blick versehene Augen verfeinerten diesen etwas gewöhnungsbedürftigen Anblick. Der restliche Körper war, was unter den leider auch nicht so tollen Klamotten nur zu vermuten war, deutlich besser. Eigentlich musste dieser Körper ein Traum für jeden sein. Für mich hieß diese Unbekannte, nach dem ich sie an vielen Abenden hier gesehen und natürlich heimlich gemustert hatte, Frau Müller. Genussvoll verzehrte ich die Reste meiner Quietsche. In meinen Gedanken gehörte zu einer Frau mit so einem gewöhnungsbedürftigen Gesicht einfach der langweilige Name ›Müller‹. Dass ab Hals abwärts alles ganz anders, ganz aufregend aussah, passte für mich nicht zu dem Namen ›Müller‹. Aber sollte ich ihr zwei Namen geben, wo ich doch schon immer mit dem Namenmerken große Probleme hatte?

      Nein, für mich blieb sie auch heute einfach Frau Müller.

      Am Anfang hatte ich mir noch Gedanken darüber gemacht, dass ich so abfällig über ihr Gesicht sinnierte, aber mir fiel zum Glück

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