New Cage. Johannes Fischler

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New Cage - Johannes Fischler

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eines Zeitgeistes, in dem immer mehr Geld für immer weniger ausgegeben wird.

      „If less is more, maybe nothing is everything“ (Rem Koolhaas) [63]. Es ergeht uns wie Manuel, bis letztendlich nichts mehr übrig bleibt. „Money for nothing.“

      info

      Das in modernen Warenwelten bewusst provozierte, quasireligiöse Empfinden erfährt am Markt des Spirituellen eine Art Loslösung von allem Irdischen. Bar jeden Nutzens im Diesseits zählt hier rein der spirituelle Mehrwert. Ohne materielle Grundlage ist dieser beliebig potenzierbar. Und so wird mit gar nichts sehr viel Geld gemacht.

      „Die Betreiber dieser Schule kassieren vielleicht mal an diesem Nachmittag … nur Pi mal Daumen … an die 400.000 Euro“, beteuert der Aussteller.

      Seine Augen leuchten dabei wie die eines Kindes vorm Christbaum. Er wirkt aufgeputscht, angereichert mit zu viel Business und Hochgefühl. So viel, dass sein Mitteilungsbedürfnis mit ihm durchgeht. So high, dass er den Audiorekorder in meinen Händen nicht bemerkt.

      „400.000 Euro … habe ich mich verhört? Ich verstehe nicht – wie soll das gehen?“, hake ich kopfschüttelnd nach.

      „Das ist Esoterik, mein Freund (…). Kein Akademiker, der ein bisschen Vernunft im Kopf hat, kann das verstehen!“

      Abheben im Business der Esoterik 2.0

      Wenn wir verstehen wollen, was Manuel dazu bewog, Unsummen gegen Energie zu tauschen, kommen wir nicht umhin, die Geschäftsmodelle moderner Spiritualität genauer unter die Lupe zu nehmen. Denn mittlerweile stehen dem esoterischen Anbieter schier unbegrenzte Möglichkeiten der Einkommensmaximierung zur Verfügung. Wer sich selbst einmal als Channelmedium oder Abfüller von Schwingungsessenzen versuchen möchte, dem seien die nun folgenden Schritte ans Herz gelegt. Wer hingegen doch noch so etwas wie Moral in sich verspürt, der sehe die kommenden Ausführungen als Versuch, das Unverständliche verständlicher zu machen.

      Wundern Sie sich dabei nicht über den wenig sparsamen Einsatz von blumigen Spitzfindigkeiten. Diese sollen keinesfalls über den offensichtlichen Wahnsinn hinwegtäuschen, doch erträglicher machen sie ihn allemal. Denn – das sei hier schon einmal vorweggenommen – den Humus für die hier dargestellten esoterischen Stilblüten liefert eine ganze Gesellschaft, also wir selbst. Dabei zählt weniger der Fingerzeig auf andere, als vielmehr der schonungslose Blick in den Spiegel.

      Bevor wir abheben, noch einige Anmerkungen

      Der Einfachheit halber orientieren wir uns an einem simplen Stufenprogramm. Nicht von ungefähr nehmen wir damit Anleihe bei landläufigen Bewusstseins- und Aufstiegsakademien. Doch wo die Rosenheimer Kryonschule ihr Himmelreich erst nach gezählten 48 Schritten offenbart, genügen uns lediglich zehn Stationen zur totalen Erfüllung. Ob nun finanziell oder spirituell soll jeder für sich entscheiden. Eines jedoch gilt da wie dort: Der Erfolg gibt wie immer Recht.

       En gros erwarten uns folgende Inhalte

      Zuallererst geht es darum, eine passende Fantasy-Welt zu installieren. Analog zu erfolgreichen Onlinespielwelten taufen wir diese kurzerhand „World of Soulcraft“ (WoS). In dieser finden sich spirituell Berufene, hier „User“ genannt, als Helden eines mitreißenden Filmdrehbuches wieder. Über die Konsumation der passenden Produkte kann sich das zahlende Publikum selbst in das Geschehen einklinken. Angetrieben von allerlei Sehnsüchten und eingewickelt von geschickter Dramaturgie werden die User von diesem inszenierten Phantasma immer abhängiger. Je tiefer sie in die Geschichte hineinschlittern, desto auserwählter fühlen sie sich. Und je augenscheinlicher ihre Manipulation zutage tritt, desto massiver ihre Nachfrage nach energetischen Palliativen. In der Hoffnung, das Unwahrscheinliche dennoch Wirklichkeit werden zu lassen, bemühen sich die Protagonisten, immer weitere User mit ins Boot zu holen. Sie agieren nun selbst als freiberufliche Vertreter für das Unsichtbare und übernehmen frohen Mutes den Vertrieb. Der Regisseur des Ganzen kann sich getrost zurücklehnen und hemmungslos abkassieren. Denn er verdient an allem ordentlich mit, tut aber die ganze Zeit so, als wäre er nur einer von ihnen.

       Zu den Zitaten

      Sämtliche Wortmeldungen irdischer und überirdischer Meister wurden originalgetreu übernommen. Sollte die darin gewählte Sprache auf Sie da und dort etwas langatmig, schwerfällig und kaum verständlich wirken, dann geht es Ihnen gleich wie mir. Darum lassen Sie sich nicht allzu sehr vom Inhalt spiritueller Durchsagen beirren. Schließlich verhilft doch gerade auch das Wie dieser Sprache zu ihrer magnetischen Anziehungskraft. Im Bemühen, auch die darin gebotene Rechtschreibung sowie grammatikalische Besonderheiten urheberrechtlich korrekt wiederzugeben, wurde auf die Berichtigung allfälliger Fehler in den Originalzitaten – wenn möglich – verzichtet. In Härtefällen jedoch war ein korrigierendes Eingreifen aus Verständnisgründen unumgänglich.

       Für alle Engels-Unternehmer

      In den folgenden Ausführungen wird einzelnen Stars der spirituellen Szene mehr Aufmerksamkeit zuteil als anderen. Das liegt daran, dass diese es in besonderem Maße geschafft haben, aus sehr viel von „gar nichts“ sehr viel Geld herauszuholen. Dennoch stehen sie nur exemplarisch für den gesamten esoterischen Markt. Sollten Sie also selbst als Lichtverkäufer oder ehrenamtlicher Energieversorger dieses Geschäftsfeld bedienen und genau Ihren Namen in dieser Ruhmeshalle vermissen, keine Angst, das Universum ist gerecht, jeder bekommt eine zweite Chance – schreiben Sie an mich.

      Und sollten Sie in diesem Buch das eine oder andere streng gehütete Geheimnis auch Ihrer Bewusstseinsschule entdecken, fragen Sie sich nicht, wie der Autor dieses innerweltliche Insiderwissen erlangte. Vielleicht hat’s mir ein Engel gezwitschert? Channeling macht vieles möglich, nicht wahr?

       Zum Wörtchen „Spiritualität“

      Die folgenden Seiten präsentieren also die Fundstücke eines ausgedehnten Tauchganges durch die Kanalisation esoterischer Himmelschlösser. Was einem dabei als „spirituell“ unter die Nase gerieben wird, spottet jeder Beschreibung. Darum seien Sie im Folgenden nicht enttäuscht, wenn hier nur die klebrige Seite dieser sogenannten „Neuen Spiritualität“ Beachtung findet. Angesichts seiner Inbeschlagnahme durch Beutelschneider verschiedenster Provenienz sehe ich für einen vernünftigen Gebrauch des Wörtchens „Spiritualität“ leider keinerlei Zukunft.

       Für politisch korrekte Leser/innen

      Wenn im Folgenden oft von dem User, dem Berufenen oder dem Aufsteiger die Rede sein wird, soll die Wahl der männlichen Schreibweise nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir es in der Esoterik 2.0 vorwiegend mit weiblichen Führungsfiguren zu tun haben. Auch wenn also manche Formulierung gendermäßig nicht ganz korrekt erscheinen mag, die unzähligen Fallbeispiele bringen es dennoch klar zutage: Frauen bilden die stolze Mehrheit im gegenwärtigen spirituellen Management und sind ihren männlichen Kollegen haushoch überlegen.

       Für alle Mac-User, Red-Bull-Enthusiasten und Nespresso-Genießer

      Niemand will Ihnen den Spaß verderben! Doch bedient sich esoterisches Marketing durchaus irdischer Vorbilder. Deshalb werden wir im Folgenden herkömmliche Markenwelten den PR-Kampagnen spiritueller Versandhäuser

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