New Cage. Johannes Fischler
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Fazit: Der Zeitschriftenmarkt bringt es klar zutage. Im Zuge einer zunehmenden Ausdifferenzierung präsentiert sich esoterisches Geistesgut vermehrt als hip und trendy. Analog zur so kolportierten Hochglanz-Spiritualität besucht man folglich auch nicht mehr eine schmuddelige Esoterik-Messe, sondern bucht ein Wochenende auf einem Bewusstseins- oder gar „Zukunftskongress“ [37]. Die Zielgruppe: Manager mit Anzug und Krawatte, genächtigt wird im Grandhotel.
Schwarzmarkt aus Licht und Liebe
Auf die Wellness- und Heilerszene möchte ich aus Platzgründen hier nicht weiter eingehen. Doch abseits aller bisher gefallenen Zahlen sei ein Faktor noch gesondert hervorgehoben. Die Rede ist von den inoffiziellen Geldflüssen, die die Branche durchströmen. Eine Internetrecherche quer durch das Dickicht der Anbieter konfrontiert unentwegt mit gleich lautenden Zahlungsmodalitäten. „Energieausgleich“, Gutscheinsysteme oder „Fernbehandlungen“ mitsamt Donate-Button erscheinen am Bildschirm. Wie viel Monetäres hinter den Kulissen kursiert, darüber kann nur gemutmaßt werden. Oder glauben Sie wirklich, dass die Konsumentinnen einer spirituellen Vervollkommnung auf Intimbasis eine Quittung einfordern? Laut der Zeitschrift Neon gehört zum Beispiel die sogenannte „Yonimassage“ schon zum neuen Großstadttrend. Zweihundert Euro, nur um „die Frau in ihrer Göttlichkeit zu verehren“ [38]. Wer will hierfür schon eine Rechnung, die Krankenkasse zahlt ja nicht, noch nicht.
Wirtschaftsfaktor Feinstofflichkeit – Eskapismus en masse
„Es wirkt wie eine Kuriosität (…) die Esoterikbranche boomt“, lautet eine Schlagzeile in der TAZ [39] im März 2009, inmitten der Talfahrt auf den Finanzmärkten und zur selben Zeit, in welcher der Bierkonsum der Deutschen seine ersten massiven Einbrüche erlebt [40]. „Sie zeigt, wie sich auch in der Krise Milliardenumsätze machen lassen“ [39], ist da zu lesen. Was hier auf den ersten Blick vielleicht kurios anmutet, entpuppt sich bei näherer Betrachtung eher als logische Konsequenz. Globalisierung und Beschleunigung befeuern die Sehnsucht nach Außer- oder eher Innerweltlichem gerade in Krisensituationen zusätzlich. Von einem Eskapismus en masse zu sprechen scheint hier sicher nicht übertrieben. So gehört laut dem Zukunftsforscher Matthias Horx der „personalisierte Metaphysik-Baukasten“ für viele schon zur „selbstverständlichen Realität“ [14]. Denn „Glaubenssysteme zwischen Spiritualität, Aberglauben und Esoterik“ trösten über allerlei Steuerungsverluste hinweg. Sie „avancieren zu Massenbewegungen“, so der Trendexperte und Industrieberater. Esoterik ist „endgültig in der gesellschaftlichen Mitte angekommen“ und gehört laut Horx „zu den Grundnahrungsmitteln der durchschnittlichen Alltagsphilosophien“.
Spiritual Cinema – Vom Kultfilm zum weltweiten Movement
„Was ist Wirklichkeit? Was sind Gedanken? Woher kommen sie? Wie wirklich ist unsere Realität?“
Die Antworten hierauf finden sich am boomenden Markt des sogenannten „Spiritual Cinema“. Der Film „What the Bleep do we know“ (kurz „Bleep“) gehört zweifelsohne zu den Klassikern dieses Genres. Dabei demonstrieren die Macher gekonnt, wie man göttliche Offenbarungen auf Welttournee schickt. Schließlich gilt der Streifen nach eigenen Angaben als „einer der erfolgreichsten Dokumentarfilme (sic!) der USA aller Zeiten“ und soll dort bereits über zwölf Millionen Dollar eingespielt haben. In Deutschland durften sich die Macher über mehr als 270.000 Kinobesucher freuen. Bei Amazon spricht man sogar von „weit über 500.000 Menschen“, die diesen Film „begeistert gesehen“ haben sollen.
Immerhin liefert der 108-Minüter neben der Oscar-Preisträgerin Marlee Matlin gleich „14 Wissenschaftler und Lehrmeister“, die dem Zuschauer „verblüffende Erklärungen und Erkenntnisse“ servieren. Dass seine Produzenten allesamt Absolventen von „Ramtha’s School of Enlightenment“ sind, steht nicht nur auf einem anderen Blatt, sondern erklärt auch, warum in „Bleep“ permanent eine Dame namens JZ Knight zu Wort kommt. Dieses US-amerikanische Medium channelt nämlich ebenjenes 35.000 Jahre alte lemurische Geistwesen Ramtha. Hierzu passend auch die zentrale Message des Films: „Du bist Gott!“
Gestützt auf die Eingebungen einer Spiritistin verpackt man hier ideologisch durchfärbte Glaubenssätze in eine spritzige Filmdoku. Diese eröffnet auch anderen metaphysischen Autoren eine willkommene Bühne. Gemeinsam trägt man so die Message in die Welt. Ein Massenpublikum springt auf den Zug auf. Bald darauf formen sich vielerorts Fangemeinden und spirituelle „Bleep“-Communitys. Verankert wird das Ganze in immer noch mehr „Bleep“-Filmen, -Büchern, -Study-Guides, -Kongressen, -Reisen und anderen Angeboten. Es formiert sich eine Bewegung, die Millionen umsetzt. Zusätzliche mediale Unterstützung erhält der Film schließlich noch durch prominente Gesichter.
Dass die im Film propagierten Halb- und Unwahrheiten nicht bei jedem auf positive Resonanz stoßen, beweist ausgerechnet der in spirituell-esoterischen Kreisen so geschätzte Ken Wilber: „(…) Die Physik in diesem Film ist ebenso grauenhaft wie sein Mystizismus“, meint er. Der Vordenker der transpersonalen Szene spricht wortwörtlich von „Schund“.
Quellen: [41] [42] [25][43] [44] [45]
Wir werden einen Ü-Dax brauchen
Einen Aktienindex des Übersinnlichen [39]? Peter Wippermann vom Trendbüro Hamburg spricht von „Karma-Kapitalismus“ und konstatiert dem Wellnessmarkt einen Jahresumsatz von 50 Milliarden Euro [46]. Wenn man bedenkt, dass die „World of Wellness“ oft nur als Vorhalle für den Charterflug ins Paradies der Feinstofflichkeit fungiert, dann ist dem Medienphilosophen Norbert Bolz wohl beizupflichten. In Zeiten krachender Märkte und des schwindenden Interesses an etablierten Kirchen gilt das Übersinnliche als eine der ersatzreligiösen „Produktivkräfte des 21. Jahrhunderts“ [47].
„Money for nothing“ – wie man sein Geld in nichts verwandelt
Lassen Sie uns dieses Kapitel mit einer kleinen Geschichte beginnen. Dabei soll die latente Ironie nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir es hier mit einer wahren Begebenheit zu tun haben. Humor hilft bekanntlich im Umgang mit dem Unfassbaren. Und wer weiß? Vielleicht kennen auch Sie ähnliche Werdegänge aus Ihrem Bekanntenkreis?
Der Fall „Manuel“: Aus magisch wird tragisch
Angefangen hat alles ganz harmlos. Der ausgebildete Altenpfleger und Hobbymusiker hatte es sich mit seiner Lebensgefährtin gemütlich eingerichtet. Double income, no kids. Manuel und Manuela trafen sich gerne mit Freunden und pflegten vitale soziale Kontakte. Von übertriebenem Luxus hielten die beiden nicht viel. „Mut zum einfachen Leben“, lautete ihr Wahlspruch. Mit Klebeband am Küchenschrank befestigt signalisierte man damit jedem Besucher ein erlösendes „Sei wie du bist“. Gemeinsames verbindet. Auch Manuela liebte die Arbeit mit Menschen. Der Job als Krankenpflegerin war da genau das Richtige. Sogar Nachtdienste störten die Enddreißigerin kaum, immerhin konnten sie somit beträchtliche finanzielle Rücklagen bilden. Ein Häuschen sollte es einmal werden, irgendwo draußen in der Natur. Die Stadtwohnung war gut gelegen,