Denke, was dein Herz fühlt. Wolf-Dieter Nagl

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Denke, was dein Herz fühlt - Wolf-Dieter Nagl

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zur Stelle ist, wenn Reparatur-und Heilvorgänge im Körper notwendig sind. Wie ein altertümliches Heer auf dem Schlachtfeld steht diese Verteidigungsarmee einer Schar von Abertausenden feindlichen Angreifern gegenüber. Während Viren, Bakterien und Parasiten auf der Gegenseite Stellung beziehen, formieren sich die Zellen des Immunsystems zu unterschiedlichen Kampfeinheiten mit jeweils hoch spezialisierten Waffen. Das Immunsystem besteht dabei im Wesentlichen aus zwei Teilen: der Nahkampfeinheit, die als vorderste Frontlinie die Angreifer „mit Schilden und Schwertern“ attackiert, und den Bogenschützen, die in zweiter Reihe aus der Ferne wirken.

      Die Frontkämpfer werden in der Medizin das angeborene Immunsystem genannt, weil sie uns bereits von Geburt an in vollem Umfang zur Verfügung stehen. Sie bekämpfen Viren und Bakterien und sorgen für die Wundheilung. Aber auch die Krebszellenbekämpfung gehört zu den Aufgaben dieser Zellen: Das angeborene Immunsystem erkennt mutierte Zellen, die laufend im Körper entstehen, und zieht sie sofort aus dem Verkehr. Diese wichtige Verteidigungslinie wird durch akuten Stress leider erheblich geschwächt.

      Zu Beginn einer Stresssituation nimmt die Aktivität des angeborenen Immunsystems durch die Ausschüttung von Noradrenalin zunächst kurz zu. Wir erkennen dies an vermehrten Entzündungsreaktionen, die die Alarmbereitschaft des Körpers signalisieren. Besteht die stresshafte Situation jedoch fort, wird zusätzlich Kortisol aus der Nebennierenrinde ausgeschüttet. Dieses Hormon pfeift die Frontkämpfer wieder hinter die Angriffslinie zurück. In der Folge verringert sich die Abwehrleistung gegenüber Viren und die Wundheilung verzögert sich.

      Dieser Effekt wurde durch viele Studien belegt und ließ sich anhand eines Versuchs mit Zahnmedizinstudenten in den USA sehr anschaulich und eindrucksvoll nachweisen. Die Wissenschaftler wollten dabei herausfinden, wie sich Stress auf die Geschwindigkeit der Wundheilung auswirkt. Zu diesem Zweck wurden Studierende der Zahnheilkunde in ein Labor gebeten, wo sie sich einem ungewöhnlichen Prozedere unterziehen mussten. Es wurde ihnen mit dem Skalpell ein 3,5 mm breiter und 1,5 mm tiefer Schnitt am harten Gaumen gesetzt. Zu allem Überdruss mussten die Probanden diese Prozedur sogar zwei Mal über sich ergehen lassen: einmal in der prüfungs- und vorlesungsfreien Zeit und ein weiteres Mal drei Tage vor der ersten großen Semesterprüfung. Die Forscher untersuchten, wie sich der subjektiv empfundene Stresslevel der Studenten, den sie mit Messungen des Kortisolspiegels und psychologischen Fragebögen objektivierten, auf den Verlauf der Wundheilung auswirkte. Das Ergebnis war erstaunlich: In der Ferienzeit dauerte es im Durchschnitt lediglich acht Tage, bis sich die Wunden wieder vollständig verschlossen hatten. In der stressigen Prüfungszeit brauchten die Wunden durchschnittlich elf Tage und somit drei Tage länger, um sich vollständig zu verschließen. Es kam also zu einer Wundheilungsverzögerung von etwa 40 Prozent, nur durch Stress! 2

       Schon wieder krank im Urlaub

      Wenn wir Schnupfen, Fieber und andere Erkältungssymptome haben, dann ist dies meist keine direkte Wirkung der pathogenen Viren oder Bakterien. Die Krankheitssymptome entstehen vielmehr durch die Aktivität der Immunzellen. Sie schütten Botenstoffe aus, sogenannte Entzündungsmediatoren, die dabei helfen, die betreffenden Keime zu beseitigen. Sozusagen als unerwünschte Nebenwirkung lösen die Entzündungsmediatoren jedoch Krankheitssymptome aus wie die klassischen Entzündungsreaktionen Rötung, Schwellung, Überwärmung und Schmerzen. Diese Symptome sind nicht nutzlos, denn sie zwingen uns vernünftigerweise zur Ruhe, um dem Immunsystem genug Energie für die Heilung zur Verfügung zu stellen.

      Ist das angeborene Immunsystem stressbedingt jedoch unterdrückt, dann treten auch weniger Entzündungsreaktionen auf. So kann es in Zeiten hoher Stressbelastung einerseits leichter zu einer Virusinfektion kommen, da die Abwehrfront weniger aktiv ist, andererseits kann dieser Infekt oft weniger symptomatisch verlaufen. Erst wenn die Anspannung nachlässt, die Stresshormone wieder sinken und Ruhe und Entspannung in unser Leben einkehren, kommt es dann zum Ausbruch der Symptome. Jetzt werden die Frontkämpfer wieder lebendig und das Immunsystem hat Zeit und Kraft, den Infekt zu bekämpfen. Deshalb treten sehr häufig zu Beginn eines Urlaubes entsprechende Krankheitssymptome auf. Der Körper nutzt die Pause, um zu reparieren, was lange aufgeschoben wurde.

      Ein mittelfristig hoher Stresspegel vermag also die Frontkämpfer des angeborenen Immunsystems in ihrer Aktivität herunterzuregulieren. Die Bogenschützen allerdings blasen zum Kampf.3 Sie gehören zum sogenannten „erworbenen Immunsystem“, weil sie sich erst nach der Geburt entwickeln und bis ins hohe Alter immer neue Verteidigungsstrategien erwerben. Ihre Pfeile werden in der Medizin Antikörper genannt. Sie schwächen beziehungsweise markieren die feindlichen Erreger, damit die Frontkämpfer sie leichter besiegen können. Dieser antikörperproduzierende Teil des Immunsystems wird unter dem Einfluss der Stresshormone überaktiv und die Bogenschützen beginnen, wild um sich zu schießen. Dabei werden auch Zellen des eigenen Körpers in Mitleidenschaft gezogen. Dies geschieht immer dann, wenn Teile des Immunsystems überreagieren, wie das bei Erkrankungen mit allergischer Komponente der Fall ist.4 Dies ist der Grund, warum starker emotionaler Stress zur Entstehung allergischen Asthmas,5 aber auch zu vermehrten Neurodermitis-Schüben führen kann.6, 7

       Chronischer Stress und Burn-out – das Immunsystem kippt zur Gegenseite

      Wenn der Stress nicht endet und wir über viele Monate oder gar Jahre einem hohen Stresspegel ausgesetzt sind, dann drohen wir nicht nur psychisch, sondern auch körperlich auszubrennen. Die Nebenniere geht sozusagen ebenfalls in den Burn-out und kann die Kortisolproduktion nicht mehr aufrechterhalten. Zusätzlich beginnen sich die Körperzellen bei einem über lange Zeit erhöhten Kortisolspiegel abzuschotten und entwickeln in der Folge eine gewisse Resistenz, wodurch die Wirkung des Kortisols weiter abnimmt. Nun kommt es zu einer Dysbalance des Immunsystems in die Gegenrichtung. Die Bogenschützen ziehen sich zurück und die Nahkampfeinheit wird jetzt überaktiv. Die Frontkämpfer des angeborenen Immunsystems beginnen, im Körper um sich zu schlagen, und erzeugen dadurch eine sogenannte „Silent Inflammation“, also eine stille Entzündung, die chronisch verläuft. Chronischer Stress und damit einhergehende chronische Entzündungsprozesse spielen eine wesentliche Rolle bei der Entstehung, aber auch der Aufrechterhaltung vieler chronischer Erkrankungen. Dazu zählen die Gefäßverkalkung, die Arteriosklerose mit ihren Folgekrankheiten Bluthochdruck, Herzinfarkt und Schlaganfall, aber auch die Rheumatoide Arthritis.8 Schließlich wird auch die Zellalterung durch Langzeitstress deutlich beschleunigt.9 Dies hat mit den Telomeren, den Endstücken unserer DNA, zu tun. Sie verkürzen sich unter Stress bei jeder Zellteilung deutlich schneller, wodurch die Körperzellen früher in den Ruhestand gehen.

       Emotionen und Immunsystem – die immunologische Macht der Gefühle

      Das Zusammenspiel von Stresshormonen und den unzähligen Zellen des Immunsystems ist hochkomplex. Viele Effekte sind noch nicht vollständig verstanden und scheinen sogar widersprüchlich zu sein. Zusammenfassend lässt sich heute sagen, dass akuter Stress und chronischer Stress jeweils unterschiedliche Auswirkungen auf unseren Körper haben. Wenn der Stresspegel entweder zu hoch ist oder zu lange andauert, vermag er das Körpersystem aus der Balance zu bringen. Destruktive Gedanken und negative Emotionen spielen hier eine entscheidende Rolle, da sie die Ursache für inneren Stress sind und den Stresshormonpegel erhöhen.

      Eine Londoner Studie, in der 216 britische Beamtinnen und Beamte auf ihren Grad an positiver und negativer Lebenseinstellung untersucht wurden, konnte diesen Zusammenhang eindeutig belegen.10 Das emotionale Befinden der Studienteilnehmer wurde zu mehreren Zeitpunkten sowohl an Werktagen wie auch an Wochenenden erhoben. Zusätzlich dokumentierten die Forscher das subjektive Stresserleben, aber auch den Kortisolspiegel im Speichel, denn sie wollten herausfinden, inwiefern die Qualität der Emotionen mit der Höhe des Stresshormonpegels im Körper zusammenhängt. Dabei zeigte sich, dass die Kortisollevel der unglücklichsten Probanden um ein Drittel höher lagen als jene der zufriedensten

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