Denke, was dein Herz fühlt. Wolf-Dieter Nagl

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Denke, was dein Herz fühlt - Wolf-Dieter Nagl

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style="font-size:15px;">      Ich selbst stelle mir diese Frage regelmäßig im Alltag, wenn ich das Gefühl habe, gestresst zu sein, oder sorgenvolle Gedanken hege, und ich stelle sie auch gerne meinen Patienten. Die Antwort ist interessanterweise immer dieselbe: nein. Im jeweiligen Moment, in dem wir uns gerade befinden, gibt es keine Probleme, sondern lediglich Herausforderungen. Probleme entstehen erst durch Bewertung und das gedankliche Beifügen von Zukunfts- oder Vergangenheitsaspekten zu dem, was wir jetzt gerade erleben.

      Zeitprojektionen können außerdem unseren Handlungsspielraum in der Gegenwart begrenzen. Viele Menschen bleiben beispielsweise in Liebesbeziehungen verhaftet, die sich in der Gegenwart nicht gut anfühlen, denn sie sind nicht bereit, die mit ihr verknüpfte Geschichte loszulassen. Die lange gemeinsame Vergangenheit oder die fixe Vision einer Zukunft zu zweit kann Menschen aneinanderketten, die in der Gegenwart längst keine sie verbindenden Gefühle mehr empfinden. Der denkende Verstand fesselt sie aneinander, obwohl ihre Herzen längst andere Wege gehen würden. Das Narrativ der Zeit übertönt so die Klarheit des gegenwärtigen Moments.

       Ein Leben im Kinosaal

      Es ist wichtig zu betonen, dass das Zeitdenken nicht generell destruktiven Charakter besitzt. Destruktiv wirkt es nur, wenn wir es mit negativen Inhalten befüllen. Denn das Denken in zeitlichen Zusammenhängen erzeugt keineswegs ausschließlich Probleme, ganz im Gegenteil. Unser Gehirn besitzt die einmalige Fähigkeit, die Vergangenheit zu analysieren, aus ihr zu lernen und daraus Schlüsse für die Zukunft zu ziehen. Durch das Zeitkonzept können wir langfristige Ziele verfolgen und mögliche Problemsituationen antizipieren, um uns vor zukünftigen Schwierigkeiten zu bewahren. Konstruktive Zukunftsgedanken können uns sehr beflügeln und freudvolle Lebensvisionen entwerfen lassen, die uns mit Energie und Inspiration erfüllen. Zudem erfordern viele Berufe unweigerlich die Fähigkeit, den Blick nach vorn zu richten und die Zukunft zu planen und zu gestalten, wodurch man nicht immer ausschließlich auf das Jetzt fokussiert sein kann. Ebenso können schöne Erinnerungen, die wir bewusst hervorrufen, uns an all die freudvollen Aspekte des Lebens erinnern und positive Emotionen auslösen. Das Bild einer schöneren Zukunft können wir sogar ganz bewusst einsetzen, damit es uns durch schwierige Zeiten hindurch trägt. Diese Form des Zeitdenkens wirkt sich positiv auf unser Leben aus und vermag momentane Problemsituationen entscheidend zu erleichtern. Doch wenn das Zeitdenken negativ gefärbt ist, birgt es erhebliches Störungspotenzial und kann zur Ursache seelischen Leidens werden.

      Das „Kopfkino“ ist ein Begriff, der das Gefangensein im Denken und damit häufig in der Zeitdimension sehr gut beschreibt. Anstatt uns mit allen Sinnen dem Hier und Jetzt zu öffnen und uns somit dem Einzigen zu widmen, das jemals existiert, sitzen wir oft weite Strecken des Tages oder gar des ganzen Lebens in einem mentalen Kinosaal mit zwei Leinwänden. Auf der linken Leinwand läuft in Wiederholungsschleifen der Film der Vergangenheit, während sich auf der rechten Leinwand ständig neu formende Szenen einer erdachten Zukunft abbilden. Das tatsächliche Leben spielt sich währenddessen auf den Straßen der Gegenwart außerhalb des Kinosaals ab. Doch allzu häufig verpassen wir es, weil unsere Aufmerksamkeit vornehmlich von unseren Gedanken und den Geschichten, die sich auf den Leinwänden abspielen, in Beschlag genommen wird. Wenn Menschen am Ende ihrer Tage davon sprechen, am Leben „vorbeigelebt“ zu haben, dann mag es an dem Umstand liegen, nie wirklich im Hier und Jetzt präsent gewesen zu sein, sondern sich die meiste Zeit im Grübeln über die Vergangenheit oder dem Wälzen von Zukunftsplänen verloren zu haben und den eigenen Wünschen in der Gegenwart nicht gefolgt zu sein. Doch die Zukunft gibt es nicht. Sie führt eine Scheinexistenz in unserem Kopf und das Gleiche gilt für die Vergangenheit. Obwohl uns beide so real erscheinen, erleben wir dennoch immer nur diesen einen Moment des Hier und Jetzt. Zwar hat die Vergangenheit eine Bedeutung für uns; sie schwingt in Form von Gedanken, Emotionen und Reaktionsmustern als Folge unserer Prägungen in das gegenwärtige Erleben hinein. Doch noch wichtiger ist es, mit unserer Aufmerksamkeit im Jetzt präsent zu sein und diese Prägungen der Vergangenheit ganz bewusst wahrzunehmen, um auf konstruktive Weise mit ihnen umzugehen, anstatt sie unbewusst auszuagieren.

      Der Vergangenheit im therapeutischen Sinne einen Besuch abzustatten, um Emotionen an die Oberfläche zu holen, die zuvor im Untergrund ihr Unwesen trieben, hat natürlich seine Berechtigung und kann wesentlich zur Befreiung des Geistes beitragen. Manche Menschen blicken aber hauptsächlich auf die linke Leinwand und beschäftigen sich übermäßig viel mit ihrer Vergangenheit. Sie hoffen, dort eine Erklärung oder gar eine Lösung für ihren seelischen Zustand zu finden, indem sie ihre eigene Lebensgeschichte immer wieder psychoanalytisch durchdenken. Doch wenn wir längst Vergangenes unaufhörlich wiederkäuen und dadurch den Bezug zur Gegenwart verlieren, kann dieser Fokus auf die Vergangenheit die transformierenden Möglichkeiten des Hier und Jetzt verschleiern.

       Es reicht, wenn wir uns darum kümmern, was jetzt gerade geschieht, und es wird auch in Zukunft nie etwas anderes geben als das immerwährende Jetzt.

      Während die Leinwand der Vergangenheit die Quelle von Schuldgefühlen und Bedauern darstellt, ist die Leinwand der Zukunft die kreative Geburtsstätte unserer Ängste. Ängste und Sorgen entstehen dadurch, dass wir uns mit möglichen Worst-Case-Szenarien beschäftigen, die in einer fiktiven Zukunft auf uns lauern. Da die Zukunft aber nie den Weg ins Hier und Jetzt findet und wir selbst nie dort ankommen, können wir sie auch nicht bewältigen. Wir können nur Herausforderungen des gegenwärtigen Moments meistern, nicht jedoch ein erdachtes Konstrukt wie die Zukunft, weil es nicht real existiert. Daher fühlen wir uns verständlicherweise machtlos, wenn wir sorgenvoll in die Zukunft blicken. Die beruhigende Nachricht ist: Es reicht, wenn wir uns um das kümmern, was jetzt gerade geschieht, und es wird auch in Zukunft nie etwas anderes geben als das immerwährende Jetzt.

      Betrachten wir für einen Moment lang das Leben der Tiere. Sie hegen keine Schuldgefühle oder etwa Bedauern über die Vergangenheit und sie werden auch nicht von Zukunftsängsten heimgesucht. Sie denken nicht an gestern, und würde man sie zu ihren Plänen für morgen befragen, würde man wohl ratlose Blicke ernten. Ihre Aufmerksamkeit ruht ausschließlich auf dem Hier und Jetzt.

       Praxis

      Stellen Sie sich für einen Moment vor, wie sich dieser animalische, zeitlose Zustand anfühlt. Wie wäre es, wenn Sie keine Idee von Ihrer Vergangenheit und Zukunft hätten? Wenn Ihre Biografie mit einem Mal verschwunden wäre? Tauchen Sie ganz in diese Vorstellung ein. Was würde übrig bleiben?

      Betrachten Sie die Wunder dieser Welt, die Sie gerade umgeben, mit der hellen Wachsamkeit eines Neugeborenen. Spüren Sie hinein in dieses Staunen, wenn Sie mit weit geöffneten Augen und Ohren den jetzigen Moment auf sich wirken lassen – frei von Konzepten und Begrifflichkeiten.

      Praxistipp: Sie können untertags immer wieder bewusst in diese Vorstellung hineingehen, weder Vergangenheit noch Zukunft zu besitzen. Beobachten Sie, wie dieser Perspektivenwechsel Ihre Haltung zum gegenwärtigen Moment, aber auch zu etwaigen Problemen verändert.

      Im Laufe des Buches werden wir das Gegenwartsbewusstsein trainieren und die Aufmerksamkeit immer wieder aus dem Problemdenken abziehen, um den Geist aus den Fängen der Zeit zu befreien. Sehen wir uns im folgenden Kapitel an, wie der Geist mit dem Körper interagiert und welche Rolle das Gehirn und das autonome Nervensystem dabei spielen. Wir gehen der Frage nach, wie Negativdenken in Form von Sorgen und Ängsten Stressreaktionen im Körper auslöst und das Immunsystem aus der Balance bringt und wie wir mit positiven Gedanken und Emotionen heilsam gegensteuern können.

       DAS WICHTIGSTE IN KÜRZE

      • Bewerten und Urteilen machen aus Tatsachen Probleme.

      • Das Denken in zeitlichen Zusammenhängen erzeugt Geschichten und häufig Dramen aus dem gegenwärtig Erlebten.

      • Leiden

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