Denke, was dein Herz fühlt. Wolf-Dieter Nagl

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Denke, was dein Herz fühlt - Wolf-Dieter Nagl

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erst erzeugt. Ich lade Sie ein, für einen Augenblick über folgende Frage zu reflektieren: Gibt es ohne das menschliche Denken überhaupt irgendein „Problem“ auf der Welt?

      Probleme existieren nicht per se. Sie sind eineLeistungdes Denkens.

      Diese Frage mag provozierend klingen, gerade wenn belastende Umstände das momentane Leben dominieren. Aber lassen Sie uns für einen Moment den geistigen Anteil am Erleben problemhafter Situationen ergründen.

      Probleme existieren nicht per se. Sie sind eine „Leistung“ des Denkens und entstehen erst durch die Bewertung einer jeweiligen Situation. Bis zum Zeitpunkt der Bewertung gibt es lediglich Tatsachen und Herausforderungen. Das Konzept von Vergangenheit und Zukunft erzeugt aus diesen Herausforderungen schließlich „Probleme“.

      Wenn wir etwa körperliche Schmerzen haben, dann erleben wir eine physische Empfindung, die je nach Schmerzstärke sehr unangenehm und eine große Herausforderung sein kann. Sehr schnell löst diese Empfindung negative Gedanken und Emotionen aus. Die oft mit dem Schmerz einhergehende körperliche Einschränkung kann die Arbeits- und Leistungsfähigkeit sowie den Bewegungsradius begrenzen und somit weitere herausfordernde Begleitumstände mit sich bringen, die ebenfalls als Problem erlebt werden. Die analytisch denkende Suche nach der Ursache dieses Schmerzes ist vorerst ebenso essenziell wie dessen Behandlung. Wenn der Schmerz aber weiterhin besteht und das sorgenvolle Denken einsetzt, dann vergrößert sich das Leiden durch das Denken noch zusätzlich. Natürlich möchte man Schmerzen loswerden und jeder Mensch will schmerzfrei leben. Doch die mentale Bewertung und Ablehnung des Schmerzes verschlimmern das unangenehme Erleben und wir beginnen, innerlich gegen den Schmerz zu kämpfen. Da er sich dadurch nicht verringert, steigt das Gefühl der Machtlosigkeit, was zu mehr Frustration und Ohnmacht führt. Häufig setzt dann eine Denkspirale ein, die von möglichen Schmerzursachen in der Vergangenheit bis hin zur Sorge ob der Zukunft kreist, sollte dieser Schmerz nicht enden oder sich sogar noch verschlimmern. Damit konstruieren wir eine Geschichte rund um die momentane Empfindung, was schließlich das emotionale Leiden beträchtlich erhöht. Das Bewerten einerseits und das Denken in zeitlichen Zusammenhängen andererseits können somit eine gegenwärtige körperliche Empfindung zu einer nicht zu bewältigenden Übergröße ausformen. Hier entfaltet das Denken seine destruktive Kraft.

      Wie kann der Geist in einem solchen Fall zu einer Linderung beitragen? Wir können auf heilsame Weise gegensteuern, indem wir beispielsweise den zeitlichen Bezugsrahmen ausklammern und vollkommen gegenwärtig werden. Wenn wir dabei die körperliche Empfindung des Schmerzes ganz in den Fokus unserer Aufmerksamkeit nehmen, um ihr in allen Details nachzuspüren wie ein interessierter Forscher, ohne sie zu bewerten oder innerlich abzulehnen, dann mildert sich der leidvolle Aspekt deutlich ab. Wenn es gelingt, ohne zu denken, ganz mit dieser Empfindung präsent zu sein und sie in der Gegenwart vollständig wahrzunehmen und auch anzunehmen, dann verschwindet meist die geistige Benennung „Schmerz“ aus unserem Bewusstsein. Die Fokussierung auf den Schmerz hilft paradoxerweise, das Leiden zu unterbrechen.

      Sollten Sie gerade körperliche Schmerzen empfinden, dann probieren Sie es aus und versuchen Sie, jede Nuance der körperlichen Empfindung wahrzunehmen und diese willkommen zu heißen. Im Kapitel „Die Transformation des Geistes“ werden wir näher darauf eingehen, wie ein Training der Aufmerksamkeit und des Gegenwartsbewusstseins den Umgang mit unangenehmen Empfindungen verbessern kann.

       Wenn der Schatten der Zeit die Gegenwart verdunkelt

      Das Beispiel des Schmerzes lässt sich auf sämtliche Emotionen und Stimmungslagen übertragen. Jedes Mal, wenn wir beginnen, die Empfindungen und Wahrnehmungen des gegenwärtigen Moments in ein zeitliches Raster zu knüpfen und in die erdachte Zukunft oder die erinnerte Vergangenheit zu projizieren, erschaffen wir eine Geschichte und folglich oft ein Drama aus unserer momentanen Lebensrealität. Dadurch vergrößert sich das Leid. Erst durch das Auswalzen und gedankliche Ausdehnen eines Gegenwartsaspekts auf die fiktive Zeitachse entstehen „Probleme“. Bewertung, innere Ablehnung und „die Zeit“ sind dabei die Grundsäulen unseres problematischen Erlebens.

       Praxis

      Schauen Sie sich Ihr vordergründiges, momentanes Lebensproblem unter diesem Aspekt und mit mitfühlender Offenheit an. Welchen Anteil haben Ihre eigenen Bewertungen daran? Welche Rolle spielen Vergangenheit und Zukunft dabei? Was ist genau in diesem Moment (nicht in ein paar Minuten oder vor zehn Sekunden, sondern wirklich gerade jetzt) das Problematische?

      Das Eintauchen in diese Betrachtung kann das Problemerleben oft entscheidend verändern. Die Fokussierung auf die Gegenwart und die mitfühlende Annahme dessen, was gerade geschieht, kann ein sehr hilfreiches Werkzeug sein, problematisches Erleben abzumildern.

      Nehmen wir beispielsweise den Verlust eines geliebten Menschen: Dieser Verlust bewirkt in uns starke Gefühle der Trauer oder Sehnsucht. Wenn wir diese Gefühle vollständig wahrnehmen und zulassen können, dann spüren wir intensive körperliche Empfindungen. Das Wahrnehmen und Spüren der Trauer ist noch kein Problem, sondern „nur“ eine intensive emotionale Empfindung. In dem Moment, wo wir dieses Gefühl mit Bildern aus der Vergangenheit verknüpfen oder mit der Vorstellung, diesen Menschen in der Zukunft nie wieder zu sehen, erzeugen wir mental eine Geschichte rund um dieses Gefühl und das Leiden wird verstärkt. In der Folge entwickeln sich daraus oft weitere Emotionen wie Verzweiflung oder das Gefühl des Alleinseins.

      Solche Gedanken und Geschichten entstehen ganz automatisch im denkenden Geist und ziehen unsere Aufmerksamkeit aus dem gegenwärtigen Moment heraus. Es ist gut, dies zu erkennen und immer wieder nachzuschauen, ob dieses Zeitdenken das Problem gerade verschlimmert oder zu dessen Lösung beiträgt. Das Gedankengebäude, das der denkende Verstand um eine momentane Situation herum errichtet, wirft einen zeitlichen Schatten, in dem die aktuelle Herausforderung oft sehr dunkel und schwer zu bewältigen erscheint. Aus dem Denken auszusteigen, indem wir den Fokus ausschließlich auf das Hier und Jetzt legen, kann helfen, die Möglichkeiten des gegenwärtigen Moments zu erkennen, und dadurch die eigene Handlungsfähigkeit erhöhen. Auf das Hier und Jetzt können wir immer reagieren und die jeweilige Situation entweder durch unser Handeln oder eine Veränderung der Sichtweise verbessern. Aber die Vergangenheit und die fiktive Zukunft können wir nicht bewältigen, weil sie nur im Geiste existieren.

      Häufig haben wir Angst davor, Emotionen vollständig zuzulassen und in ihrer ganzen Intensität zu spüren, da wir befürchten, dass sie zu stark werden oder uns in eine Depression stürzen. Die Emotion selbst ist dabei aber nie das Problem! Sie ist „nur“ eine Empfindung. Es sind immer die Gedanken, die mit diesen Gefühlen einhergehen, die für uns problematisch werden und uns mitunter verzweifeln lassen. Wenn wir Gefühle negativ bewerten oder gegen sie ankämpfen, anstatt ihnen freien Lauf zu lassen, dann leiden wir. Würden wir Tränen einfach so lange fließen lassen, wie sie eben strömen, ohne sie mit Gedanken über die Zukunft oder Vergangenheit zu verknüpfen, dann würde sich diese Trauer von selbst auswaschen und der Verarbeitungsprozess einen natürlichen Verlauf nehmen. Der Verstand ist aber oft ungeduldig und will wissen, wie lange das wohl dauern wird und wie es weitergeht, und bringt somit wieder einen zeitlichen Aspekt ins Spiel, der dann ein Problemfeld eröffnet. Im Unterkapitel „Umgang mit unangenehmen Emotionen“ werden wir noch detailliert darauf eingehen, wie wir mit negativen Emotionen präsent sein können, um deren leidvollen Aspekt aufzulösen.

      Machen Sie folgende kleine Übung:

       praxis

      Lenken Sie Ihre Aufmerksamkeit für einen Moment lang ganz auf das Hier und Jetzt. Nehmen Sie wahr, welche Farben Sie gerade rund um sich sehen können, welche Gegenstände Sie umgeben und welche Geräusche Sie jetzt gerade hören. Spüren Sie nach, wie sich die Raumtemperatur auf Ihrer Haut anfühlt und wie weich oder hart die Sitzfläche unter Ihrem Gesäß. Jetzt, wo

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