Denke, was dein Herz fühlt. Wolf-Dieter Nagl

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Denke, was dein Herz fühlt - Wolf-Dieter Nagl

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Durch Fokussierung auf die Gegenwart und die mitfühlende Annahme dessen, was gerade geschieht, können wir aus dem Problemdenken aussteigen.

      • Auf das Hier und Jetzt können wir Einfluss nehmen. Es ist jener Ort, an dem wir die zukünftige Gegenwart aktiv gestalten können.

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      Das autonome Nervensystem – Dirigent im Symphonieorchester des Lebens

      Der menschliche Körper besteht aus etwa 40 Billionen Zellen, die alle für sich ein wahres Universum an Lebendigkeit und Stoffwechselaktivitäten in sich tragen. Atome verbinden sich zu Molekülen und organisieren sich weiter zu aminosäurehaltigen Proteinen und Enzymen, die der Zelle sowohl Struktur als auch die Fähigkeit zu handeln ermöglichen. Hunderttausend chemische Reaktionen laufen pro Sekunde in jeder einzelnen Zelle ab. Ein Feuerwerk der Chemie, von dem unser bewusster Geist an der Oberfläche weder Notiz nimmt noch sich darum zu kümmern braucht. Doch wer gibt all diesen Zellen und den Atomen darin seine Ordnung? Was koordiniert diese hochkomplexen Organsysteme, die so synchronisiert zusammenspielen, um der Symphonie des Lebens den notwendigen Rhythmus einzuhauchen?

      Um besser zu verstehen, wie Körper und Geist interagieren, müssen wir das autonome Nervensystem genauer unter die Lupe nehmen, denn es ist der entscheidende Link zwischen unserer Gefühlswelt und den Funktionsweisen unserer Zellen. Das autonome oder auch vegetative Nervensystem ist jener Dirigent, der das fein abgestimmte Zusammenspiel der Organe orchestriert und auch das Immunsystem wesentlich beeinflusst. Ohne daran denken zu müssen, regelt das autonome Nervensystem, kurz ANS, im Hintergrund unseren Herzschlag, die Atmung und die Verdauung. Es moduliert den Blutdruck und viele andere Körperfunktionen, die im Inneren ganz von selbst ablaufen. Die Hauptaufgabe des ANS besteht darin, unseren Körper immer an die jeweilige Situation anzupassen, in der wir uns gerade befinden. Je nachdem, ob wir gerade joggen oder bei einem ausgedehnten Abendessen mit Freunden ein Glas Rotwein genießen, müssen jeweils unterschiedliche Organsysteme auf Hochtouren arbeiten, um den Anforderungen des jeweiligen Moments gerecht zu werden. Wie beim Autofahren, wo man Geschwindigkeit und Fahrverhalten ständig an die gegebenen Straßenbedingungen, Tempozonen und das Verkehrsaufkommen anpassen muss, existieren auch für das ANS ein Gaspedal und ein Bremspedal. Diese beiden Pedale werden in der Medizin Sympathikus und Parasympathikus genannt und sie fungieren im Körper als funktionelle Gegenspieler. Der Sympathikus wirft den Motor an und beschleunigt den Organismus, während der Parasympathikus das System herunterbremst und beruhigt.

      Wenn wir beispielsweise Sport treiben oder in Stress geraten, dann steigt das ANS aufs Gas und die Nervenfasern des Sympathikus beginnen zu feuern. Dabei werden seine Botenstoffe, die Neurotransmitter Adrenalin und Noradrenalin, ausgeschüttet. Der Körper schaltet in einen höheren Gang. Puls, Atemfrequenz und Blutdruck steigen an und der Muskeltonus erhöht sich, was manchmal als Verspannung im Nacken spürbar wird. Das System geht in die Erregungsphase über und sämtliche Energiereserven des Körpers werden mobilisiert. Gespeicherte Fett- und Kohlenhydratvorräte werden angezapft und in die Blutbahn abgegeben, damit die Zellen genügend Kraftstoff für die Verbrennung zur Verfügung haben. Je höher die Drehzahl des „Motors“, desto mehr Energie wird verbraucht. In der maximalen Sympathikusaktivierung schaltet der Körper auf Alarmstufe Rot und aktiviert die Flucht-, Kampf oder Erstarrungsreaktion. Jetzt geht es physiologisch ums nackte Überleben! Das Blut zieht sich aus den Verdauungsorganen zurück und strömt in die Arme und Beine. Keine Zeit für Verdauung und Nahrungsaufnahme, der Körper muss kämpfen oder flüchten!

      Dieses evolutionär sehr alte Reaktionssystem hat sich entwickelt, um Situationen zu entkommen, in denen Leib und Leben bedroht sind. Solche Situationen gab es zu Zeiten der frühen Menschen bekanntlich viele, beispielsweise wenn Angriffe wilder Tiere das Leben unserer Vorfahren bedrohten. Heutzutage sind wir derartigen Bedrohungen kaum mehr ausgesetzt. Die heutigen Säbelzahntiger haben eher an unserem Arbeitsplatz Stellung bezogen, laufen über den Bildschirm der täglichen Nachrichten oder tragen den Namen eines streitsüchtigen Nachbarn. Unsere physische Existenz ist dabei nur selten in Gefahr. Die Stressantwort des Körpers ist allerdings nach wie vor dieselbe wie damals und sie verbraucht dabei Unmengen an Energie.

      Was die Natur einst für kurze Ausnahmemomente entwickelte, ist heute für viele Menschen zum täglichen Normalzustand geworden. Das Gefühl, ständig innerlich angespannt zu sein, Verhärtungen der Nackenmuskulatur, erhöhter Blutdruck und schneller Puls sowie Schlafstörungen weisen auf diese erhöhte Aktivität des Sympathikus hin. In den Industrienationen ist das Leben in den letzten Jahren und Jahrzehnten sehr schnelllebig geworden. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass der Stresslevel kontinuierlich ansteigt. Deutlich veranschaulicht dies die hohe Anzahl stressbedingter Erkrankungen in den Arztpraxen. Im Unterkapitel „Die Sprache des Herzens verstehen“ werden wir sehen, wie eine Messung des Herzschlagmusters Auskünfte über die Funktionsweise des ANS gibt und wie wir durch den Einsatz der Atmung das Bremspedal der Entspannung, sprich den Parasympathikus, aktivieren und somit dem Stress entgegenwirken können. Die parasympathischen Nervenfasern mit ihrem Hauptnerv, dem Vagusnerv, sind nämlich zuständig für Reparatur und Erholung. Sämtliche Heilvorgänge des Körpers finden unter ihrem Einfluss statt. Der Parasympathikus bringt Ruhe ins System, und ist er aktiv, so sinken Blutdruck und Herzfrequenz und die Verdauungsorgane werden gut durchblutet. Nährstoffe aus der Nahrung können so optimal aufgenommen und im Körper verteilt werden, sämtliche Energiereserven werden wieder aufgebaut. Seine größte Wirkung entfaltet der Parasympathikus dabei im Schlaf. Gehen wir zu Bett, dann stellen wir den Motor unserer Karosserie in seiner Reparaturwerkstatt ab und lassen den Parasympathikus für ein paar Stunden an den heilenden Schrauben drehen.

      Ausreichender und erholsamer Schlaf ist für unseren Körper also genauso bedeutsam wie regelmäßige Aktivierungsphasen. Unsere Gesundheit ist getragen von einer Balance im autonomen Nervensystem und dem lebendigen Spiel der beiden Kräfte Anspannung und Entspannung. Übermäßiger Stress bringt diese Balance allerdings aus dem Gleichgewicht und dies hat negative Auswirkungen auf unser Immunsystem. Sehen wir uns nun an, wodurch die Stressspirale des Körpers in Gang gesetzt wird und wie sich akuter und chronischer Stress auf die Immunzellen auswirkt.

       DAS WICHTIGSTE IN KÜRZE

      • Das autonome Nervensystem passt den Körper an die Anforderungen des gegenwärtigen Moments an.

      • Für diese Anpassungsmechanismen besitzt es ein Gas- und ein Bremspedal.

      • Der Sympathikus gibt Gas und erregt den Körper.

      • Der Parasympathikus bremst den Körper und beruhigt ihn; er sorgt für Regeneration und Erholung.

      • Eine ausgewogene Balance im ANS ist wesentlich für die körperliche Gesundheit.

      Stress und seine Folgen – das Universum der Psychoneuroimmunologie

      2006 war ein herausfordernder Sommer für die Notfallambulanzen im Großraum München. An vereinzelten Tagen zwischen dem 9. Juni und dem 9. Juli schienen die Krankenhäuser förmlich überzugehen mit Patienten, die mit akuten Herzerkrankungen eingeliefert wurden. Speziell an sieben Tagen dieses Zeitraums verzeichnete die Notfallstatistik einen Anstieg an lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen auf das Dreifache und es wurden mehr als doppelt so viele Herzinfarkte registriert wie zu anderen Zeiten.1

      Für das medizinische Personal war diese unvorhergesehene Arbeitsbelastung doppelt bitter, denn viele hätten sich über vereinzelte Arbeitspausen gefreut, um wenigstens ein paar Minuten der Fußball-WM-Spiele im Fernsehen zu verfolgen, die gerade im eigenen Land stattfanden. Doch leider schienen die Patientenzahlen immer genau an jenen Spieltagen zu explodieren, an denen die eigene Nationalmannschaft ums Weiterkommen kämpfte.

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