Drogen. Barbara Gegenhuber

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nicht erfüllten. In den Sechziger- und Siebzigerjahren entdeckte die Hippie- und Partyszene die sinnesanreichernde Wirkung der Substanz, weswegen diese auch nach und nach verboten wurde.

      Halluzinogene wirken auf alle Sinnesempfindungen, die äußere Realität vermischt sich mit der inneren Wahrnehmung. Dinge, die normalerweise starr sind, bewegen sich plötzlich, nehmen die buntesten Farben an, fangen vielleicht sogar an zu sprechen. Die Konsument*innen erleben sich selbst mittendrin in dieser plötzlich veränderten Welt. Aber nicht nur Raum und Zeit werden verändert wahrgenommen, oft auch die eigene Person. In der Psychologie wird dieser Zustand „Ich-Auflösung“ genannt, die Grenzen zwischen der eigenen Person und der Welt verschwimmen und zerfließen, die Kontrolle über sich und die Realität geht verloren. Während dies manchmal als sehr positiv wahrgenommen, als spirituelle Erfahrung und als „eins sein mit der Welt“ beschrieben wird, kann dies auch zum Gegenteil führen – zu dem, was in der Umgangssprache als „Horrortrip“ bezeichnet wird. Man fühlt sich durch den extremen Ausnahmezustand und damit einhergehenden Kontrollverlust bedroht und hat Angst „abzustürzen“, die Überwältigung durch die Substanzwirkung kann zu paranoiden oder psychoseähnlichen Zuständen führen. Der Verlauf des Rausches ist damit sehr von der Person, den Erwartungen und der Situation abhängig, diese Faktoren bestimmen, ob es zu einem positiven, von Euphorie getragenen Erlebnis oder zu einem Horrortrip kommt.

      Obgleich diese Einteilung in drei Hauptwirkungsklassen sehr anschaulich ist, lassen sich Substanzen nicht immer ganz eindeutig zuordnen. Die meisten von ihnen haben nicht nur eine eindeutige Wirkung, sondern auch Bestandteile anderer Wirkungsklassen. Cannabis beispielsweise wirkt beruhigend, kann aber durchaus auch Halluzinationen verursachen. Alkohol wirkt – vor allem bei den ersten Gläsern – anregend und stimulierend, hat aber ab einer gewissen Dosis eher eine beruhigende Wirkung. Etwas, das sich im Übrigen auch im Alltag ganz gut beobachten lässt. Nach den ersten Gläsern werden Menschen oft kommunikativer und „lustiger“, ab einem gewissen Alkoholpegel jedoch immer ruhiger, bis irgendwann von der anfänglichen Angetriebenheit nichts mehr zu merken ist und die Betroffenen einschlafen. Insofern kann eine derartige Einteilung nie grenzgenau sein, sie gibt jedoch einen Überblick über die vorwiegend auftretende Wirkung.

       Substanzklassen

      Eine detaillierte Beschreibung anhand ihrer Wirkungsweise, Verbreitung, Konsumform und der damit einhergehenden Gefahren und Risiken der wichtigsten am Markt verfügbaren und häufig missbräuchlich verwendeten psychoaktiven Substanzen findet sich in Kapitel „Kleine Substanzkunde“.

       FREIZEITDROGENKONSUM

      Nicht jeder, der Drogen konsumiert, wird auch davon abhängig, ganz im Gegenteil. Die meisten Menschen, die illegalisierte Substanzen zu sich nehmen, fallen unter die Gruppe der sogenannten Freizeit- oder Partydrogenkonsument*innen beziehungsweise der Probierkonsument*innen. Der Begriff ist im Deutschen etwas irreführend, nicht nur, weil er eine gewisse Harmlosigkeit suggeriert, sondern auch, weil er einen direkten Zusammenhang mit dem Konsumsetting und -anlass herstellt. Gemeint ist aber etwas, das im Englischen als recreational drug use bekannt ist: die Verwendung einer psychoaktiven Substanz, um eine Veränderung des Bewusstseinszustands zum Vergnügen herbeizuführen [106]. Es geht darum abzuschalten, zu entspannen, um Bewusstseinserweiterung, in der Partyszene auch um die Förderung der sozialen Interaktion, Enthemmung und Steigerung des sexuellen Erlebens.

      Das ist nichts Neues. Betrachtet man allein das letzte Jahrhundert, sieht man, dass in den vergangenen Jahrzehnten unterschiedlichste Substanzen im Freizeitbereich eine Rolle gespielt haben. Ganz abgesehen vom Alkohol, der in unserem Kulturkreis schon lange mit Vergnügen und Festen assoziiert wird, wurden und werden stets illegalisierte Drogen in unterschiedlichen Kreisen konsumiert. In den 1930er-Jahren nahmen Jazzmusiker der Untergrundszene Kokain und Marihuana, in den 1960er-Jahren Rock-’n’-Roller Amphetamine. In den 1970er-Jahren waren die Hippies mit Cannabis und Halluzinogenen auf der Suche nach neuen Erfahrungen, Grenzüberschreitungen und sexueller Freiheit. Ecstasy war die Droge der Rave- und Technoszene der 1990er-Jahre, nach der Jahrtausendwende kamen noch eine Reihe von neuen psychoaktiven Substanzen hinzu, die bei Freizeitdrogenkonsumierenden ihren Platz fanden. Heute versteht man eine Vielzahl von Substanzen unter dem Begriff Party- oder Freizeitdrogen, von Alkohol und Cannabis über Ecstasy, LSD, Speed und Kokain bis hin zu neueren Substanzen wie Ketamin oder GHB.

      Freizeitdrogenkonsument*innen bleiben – anders als schwer Abhängige – weitgehend unbemerkt, sie besorgen sich die Drogen unauffällig, sind nicht in der Straßendrogenszene unterwegs. Es handelt sich um eine sehr heterogene Gruppe, die sich nicht als Drogenkonsument*innen im herkömmlichen Sinn wahrnimmt und vielfach keine Abhängigkeit entwickelt. Die Konsument*innen sind häufig sozial und beruflich gut integriert und konsumieren in Situationen, in denen diese Integration nicht beeinträchtigt wird. Diese Unauffälligkeit ist mit ein Grund, weshalb diese Gruppe für die Forschung, aber auch für die Zurverfügungstellung von Präventions- und Beratungsangeboten eher nur schwer zu erreichen ist [106].

      Untersuchungen zu Konsumhäufigkeiten in der Allgemeinbevölkerung sowie große Online-Befragungen geben jedoch einen Einblick in die ungefähre Größe dieser Gruppe und die Häufigkeit der konsumierten Substanzen. In einer Online-Befragung mit über 100.000 Teilnehmer*innen in über fünfzig Staaten der Welt zeigte sich, dass 63 Prozent der Befragten im vergangenen Jahr Cannabis konsumiert hatten, dreißig Prozent MDMA, zwanzig Prozent Kokain und 13 Prozent LSD. Die höchste Prävalenz hat Alkohol mit 93 Prozent der Befragten [136]. Obwohl diese Zahlen durch die Zugangsweise als Online-Befragung mit Sicherheit eine Überschätzung darstellen, geben sie einen Hinweis auf die Konsumhäufigkeit psychoaktiver Substanzen in der Allgemeinbevölkerung. Diese relativ hohe Verbreitung im Vergleich zur Anzahl jener Menschen, die sich in Behandlung befindet, zeigt, dass es einen erheblichen Anteil an Personen gibt, die nicht aufgrund ihres Substanzkonsums behandlungsbedürftige Probleme entwickeln. Betrachtet man die unterschiedlichen Prävalenzen in unterschiedlichen Gruppen, wird auch deutlich, dass bestimmte Substanzen in manchen Gruppen häufiger verwendet werden. Während beispielsweise 22 bis 85 Prozent der Befragten in der Partyszene angeben, bereits einmal Ecstasy konsumiert zu haben, sind dies in einer hinsichtlich Alter und Geschlecht vergleichbaren Personengruppe der Allgemeinbevölkerung lediglich ein bis zwölf Prozent, wie eine europäische Befragung zeigt [84].

      Freizeitdrogenkonsum wird in unterschiedlichen Settings betrieben, von Clubbings über Musikfestivals, illegalen Raves bis hin zu Urlaubsorten, die für den massiven Konsum von psychoaktiven Substanzen bekannt sind. Von Ibiza über Mallorca bis Amsterdam oder das indische Goa. Nicht wenige Reisende suchen sich ihren Urlaubsort danach aus, wie ausgeprägt das Nachtleben dort ist, wie gut Drogen verfügbar sind oder wie billig der Alkohol ist. Für viele, vor allem für jüngere Menschen, gehören Drogen oder Alkohol und Partymachen fest zusammen, eine Befragung in der Berliner Partyszene bestätigte das. Neun von zehn der befragten Partygänger*innen hatten im letzten Monat Alkohol getrunken, sechs von zehn Cannabis geraucht, die Hälfte Amphetamin und Ecstasy konsumiert, ein Drittel Kokain und Ketamin [5]. Bei den meisten Befragten handelte es sich um Freizeitdrogenkonsument*innen, sie sind durchschnittlich dreißig Jahre alt, über vierzig Prozent weiblich, jede*r Vierte verfügte über einen Hochschulabschluss. Soziodemografisch gesehen ist das, verglichen mit den schwer Opioidabhängigen, eine andere, aber keineswegs zu vernachlässigende Gruppe, die mit einer gewissen Regelmäßigkeit Drogen konsumiert.

      Dieser exzessivere Konsum auf Partys oder bei vergleichbaren Gelegenheiten ist zumeist auf bestimmte Lebensphasen begrenzt und endet in der Regel mit dem Eintritt ins Berufsleben oder der Übernahme von Familienverantwortung. Die Gefahr der schleichenden Entwicklung einer Abhängigkeit besteht aber doch, auch diese Art des Konsums birgt Risiken. Wenn das Partymachen ohne Substanzen nicht mehr möglich ist, ist auch das eine Form von Abhängigkeit. Auch andere Auswirkungen auf den Alltag, wie Müdigkeit und Niedergeschlagenheit

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