Drogen. Barbara Gegenhuber
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Sorgen, dass der Konsum außer Kontrolle gerät, machte er sich nie. Vor allem auch deshalb, weil er sich selbst ganz strenge Regeln auferlegte in Hinblick auf Häufigkeit und Safer Use. Im Umgang mit Regeln war er immer gut und er wusste zumindest immer genau, wo er nicht hinwollte, in die Abhängigkeit. Michael glaubt, dass es für ihn auch sehr wichtig war, dass er selbst in seiner intensivsten Partyzeit darauf achtete, auch seine Kontakte, die kaum oder gar nichts mit der Partyszene zu tun hatten, immer intensiv weiterzupflegen und sich dadurch immer bewusst zu halten, dass es auch im „realen Leben“ sehr viel Schönes für ihn zu erleben gibt. Dies und vermutlich auch eine Portion Glück haben ihm geholfen, aus zehn Jahren regelmäßigen Freizeitdrogenkonsum gesund wieder auszusteigen.
GEBRAUCH – MISSBRAUCH – ABHÄNGIGKEIT. NICHT NUR DIE DOSIS MACHT DAS GIFT
„Zwei Bier am Tag machen nichts aus, das trinkt doch jeder zum Entspannen nach der Arbeit.“
Über den Konsum von berauschenden Substanzen gibt es eine Reihe von sich hartnäckig haltenden Mythen und Vorurteilen, die in Diskussionen zu dieser Thematik immer wieder hervorgeholt werden. Ganz weit vorne liegt der Glaube, dass Sucht eine Willensschwäche ist und keine Erkrankung. Andere Menschen würden es auch schaffen, mit Krisen und problematischen Lebenssituationen umzugehen, ohne abhängig zu werden. Jeder kennt irgendjemanden, der es schwer im Leben hatte und nicht abhängig wurde. Aber selbst wenn – es reiche doch der bloße starke Wille, um wieder aufzuhören, alles andere sind nur faule Ausreden.
Auf der anderen Seite hört man aber auch, dass der einmalige Konsum einer Substanz sofort süchtig mache, auch mir sind noch die warnenden Worte aus meiner Jugendzeit in Erinnerung, dass schon einmaliger Heroinkonsum abhängig mache und auch Cannabis eine höchst gefährliche Droge sei. Gar nicht zu sprechen von den vielen neuen „Teufelsdrogen“, über die man in regelmäßigen Abständen in sozialen Medien zu lesen bekommt, die unweigerlich nach dem ersten Konsum in die Abhängigkeit und den Abstieg führen würden. Der Mythos der hochgefährlichen Killerdroge hält sich bis heute hartnäckig. Im Umgang mit Cannabis hat sich hingegen in den vergangenen Jahren einiges geändert, viele Menschen sind sogar mittlerweile der Ansicht, dass es völlig harmlos ist. Die Wahrheit liegt wie immer irgendwo dazwischen. Ein einmaliger Heroinkonsum macht noch niemanden unweigerlich abhängig – wenngleich er falsch dosiert durchaus tödlich enden kann –, ein regelmäßiger Cannabiskonsum hingegen muss nicht immer harmlos sein, auch wenn er es in vielen Fällen ist. Also was ist es, was Menschen abhängig macht? Die Droge an sich? Der Mensch, der sie konsumiert? Das Umfeld, das Jugendliche dazu bringt? Und wie viel ist denn eigentlich zu viel, wann wird es gefährlich und wie lange kann man psychoaktive Substanzen zu sich nehmen, um noch im Rahmen zu bleiben? All diesen Fragen wird im Folgenden nachgegangen.
Seit Menschengedenken gibt es das Bedürfnis nach Rausch und der Veränderung von Bewusstseinszuständen. Archäologische Ausgrabungen förderten fossile Überreste von psychoaktiven Pflanzen zutage, die zurück bis in das Jahr 8000 v. Chr. reichen. Das erste alkoholische Getränk stammt aus einer Zeit weit vor Christi Geburt, schon damals wurden Naturdrogen in der Heilkunde, aber auch zur Erzeugung von Rauschzuständen eingesetzt. Im Mittelalter war der übermäßige Konsum von Alkohol vor allem im Adel weit verbreitet, Ärzte und Apotheker stellten Extrakte aus Blättern her, um sie zu medizinischen Zwecken, aber auch zur genussvollen Berauschung einzusetzen. Drogen sind keine Erfindung der Neuzeit, sie wurden schon lange vor unserer Zeit als Medizin, bei religiösen oder schamanischen Ritualen oder einfach zur Erzeugung von Rausch und Euphorie eingesetzt.
Dieses Bedürfnis nach Rausch findet sich überall in der Gesellschaft, in allen Kulturen und allen Altersgruppen. Kleine Kinder drehen sich so lange im Kreis, bis ihnen schwindlig wird, fahren Karussell und lachen vor Freude über die leichte Vernebelung des Bewusstseinszustandes. Jugendliche und Erwachsene steigen in die Achterbahn oder springen, angehängt an ein Gummiseil, von hohen Brücken, um das Erlebnis des Adrenalinkicks einzusaugen. Es geht um Grenzerfahrungen, das Austesten des eigenen Ichs und das bewusste Erleben von Rauschzuständen. Auch der Genuss von Substanzen zur Leistungssteigerung ist in unserer Gesellschaft normal und anerkannt, Menschen trinken Kaffee und Energy-Drinks, um wacher zu werden, Alkohol, um in eine fröhliche Stimmung zu kommen, oder sie rauchen Zigaretten, um die Nervosität vor einer Prüfung oder einem wichtigen Gespräch auszuhalten. Etwas, das im Übrigen rein physiologisch kontraproduktiv ist, Nikotin aktiviert das Nervensystem und trägt eher dazu bei, unruhiger zu werden statt entspannter. Ein Effekt, der also nur psychologisch zu erklären ist. Wir klammern uns an Gewohnheiten, um ruhiger zu werden, halten uns an Vertrautes, um mit der Angst und Nervosität besser umzugehen. Der Rausch und das Bedürfnis danach ist nichts Außergewöhnliches und auch nichts, das generell zu verurteilen ist – die meisten Menschen konsumieren ab und zu irgendwelche psychoaktiven Substanzen. Manche, um Freude und Entspannung zu finden, manche, um die eigene Leistungsfähigkeit zu steigern, manche, um mit Leidenszuständen besser umgehen zu können.
Der Gebrauch von bewusstseinsverändernden Stoffen kann durchaus befriedigend sein, problematisch ist aber, dass das, was für den einen in einer bestimmten Situation harmlos ist, für den anderen gefährlich sein kann. Einem psychisch gesunden Erwachsenen wird der gelegentliche Konsum von Cannabis kaum Schaden zufügen, einem zu Psychosen neigenden Jugendlichen mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit schon. Insofern ist es wichtig, den Konsum von psychoaktiven Substanzen differenziert zu betrachten, nach der Person, die sie konsumiert, dem Umfeld, in dem sie sich befindet, und der Substanz an sich.
Nicht jeder Konsum führt sofort in die Abhängigkeit. Wenn dies so wäre, müsste es in Österreich etwa 95 Prozent Alkoholabhängige geben – statistisch gesehen haben nämlich nur etwa fünf Prozent der Österreicher*innen noch niemals in ihrem Leben Alkohol konsumiert. Demnach unterscheidet man zwischen verschiedenen Konsumformen, nämlich Gebrauch, Missbrauch und Abhängigkeit. Wann in welcher Situation bei welcher Person was zutrifft, ist leider kein geradliniger, simpler Ursache-Wirkungs-Zusammenhang, sondern ein eher komplexes Zusammenspiel vieler Faktoren.
Betrachtet man die Entstehung einer Abhängigkeitserkrankung, kommt man nicht um eine Begriffsdefinition herum. Wann spricht man überhaupt von einer Abhängigkeit, wann ist der Konsum einer Substanz schädlich und wie lange ist er noch im Rahmen? Die Beantwortung dieser Frage ist nicht so einfach, wie es scheint. Hat jemand, der täglich zwei Bier trinkt, ein Alkoholproblem? Die Antwort ist vermutlich ganz klar Jein. Zum einen, weil sich eine Abhängigkeit nicht nur nach der Menge der konsumierten Substanz bemisst, zum anderen, weil die Grenzen zwischen Gebrauch, Missbrauch und Abhängigkeit fließend sind. Auch das Vorhandensein körperlicher Entzugserscheinungen ist nicht zwingend für das Konstatieren einer Abhängigkeit erforderlich, am deutlichsten ist das bei der Spielsucht oder anderen nicht substanzgebundenen Süchten zu sehen. Aber auch einige psychoaktive Substanzen, wie beispielsweise Kokain, rufen keine körperlichen Entzugserscheinungen hervor, können jedoch stark süchtig machen. An der Substanz kann man Abhängigkeit also nicht festmachen, und an einzelnen Folgeerscheinungen auch nicht. Dennoch gibt es Definitionen dahingehend, was noch als normaler Konsum, als schädlicher Gebrauch oder schon als Abhängigkeit gilt. Die in Europa geläufigste Definition ist die der Weltgesundheitsorganisation im Rahmen des ICD-11, dem Manual zur internationalen Klassifikation von Erkrankungen (International Classification of Diseases), die zwischen schädlichem Gebrauch und Abhängigkeit unterscheidet [134].
GEBRAUCH
Von Gebrauch spricht man, wenn Alkohol oder andere psychoaktive Substanzen in einem normalen, unbedenklichen Ausmaß konsumiert werden, ein kontrolliertes Konsumverhalten vorliegt, das primär dem Genuss dient.