Drogen. Barbara Gegenhuber
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Michael4 ist 38 Jahre alt und leitender Angestellter in einer Bank. Niemand von seinen Kund*innen würde vermuten, dass er über zehn Jahre lang an den Wochenenden ein ganz anderes Leben gelebt hat.
Michael wusste seit seiner frühen Kindheit, dass er schwul ist. Aufgewachsen in einem eher bürgerlichen Elternhaus, stellte dies nach seinem relativ späten Coming-out im Alter von 21 Jahren auch kein Problem mehr dar. Mit sich und seiner Sexualität schließlich im Reinen, hatte er bald viele homosexuelle Freunde und die ersten Beziehungen. Bis er im Alter von 28 Jahren noch einmal etwas anderes kennen lernte: Partydrogen und Chemsex.
Bis dahin hatte Michael keinerlei Erfahrungen mit härteren Drogen als Cannabis, ihm wurde immer erzählt, dass Drogen schnell süchtig machen und sehr gefährlich sind. Das schreckte ihn ab und interessierte ihn auch nicht. Bis zu dem Zeitpunkt, als er von einem Bekannten auf einer Party sein erstes Ecstasy angeboten bekam. Die Versuchung war da, der Respekt davor jedoch auch. So informierte er sich vorher genau über Drogen und ihre Wirkungen, Nebenwirkungen und die Gefahren und Risiken. Die Kontrolle, die er auch sonst von seinem Leben und seinem Beruf kannte, war ihm auch oder gerade bei Drogen wichtig. So bekam er von befreundeten Ärzten eine umfangreiche „Einschulung“ über Wirkungen, Nebenwirkungen und Risiken, über das Internet waren die Informationen damals noch nicht so umfangreich zugänglich. Den beiden Ärzten vertraute er, er kannte sie gut und sie selbst konsumierten seit Jahren gelegentlich am Wochenende Drogen, während der Woche standen sie mit beiden Beinen im Leben.
Bald nach diesem ersten Kontakt mit Drogen fuhr er auf ein großes Schwulenfestival nach Miami, viele schöne, trainierte Männer, drei Viertel von ihnen auf Drogen, so schätzte er. Dort lernte er Kokain, GHB, Ketamin und Crystal Meth kennen, wobei er insbesondere Letzteres nur in sehr kleinen Mengen konsumierte, der Respekt davor war und blieb groß. Er wusste von der Gefährlichkeit der Substanz und ging dementsprechend vorsichtig damit um. Unter Drogeneinfluss sei eine Party ein ganz anderes Erleben, mit nacktem Oberkörper zu tanzen ist wie ein Vorspiel auf der Tanzfläche. Der Beginn eines sexuellen Erlebnisses, das sich über die ganze Nacht zieht. Michael verkehrte gerne öfter in einer bestimmten Schwulenszene, die sehr oberflächlich ist. Man muss perfekt sein, attraktiv, trainiert und erfolgreich, sonst ist man nicht begehrenswert. Auch er selbst optimierte seinen Körper mit viel Training, bewusster Ernährung und strenger Disziplin. Durch die Partydrogenszene kam er aber noch ein Stück besser an die „High-end-Leute“ heran, wie er sie bezeichnet. Eine „geile“ Belohnung für all das Training und die Anstrengungen.
Nachdem ihm einmal in London beim Eingang in einen Club sein Ecstasy, das er für den Abend mithatte, abgenommen wurde, lernte er noch etwas anderes kennen: Mephedron. Er und die Männer, die er dort kennen gelernt hatte, gingen gemeinsam aufs Klo, um zu konsumieren. Die Toilettendame ließ sich fünf Pfund „Schweigegeld“ bezahlen, wer nicht zahlte, wurde nicht gemeinsam in eine Kabine gelassen. Der Drogenkonsum schien in dem Club System zu haben, die Toilettendame verdiente sich so ein Körberlgeld. Mephedron war noch einen Tick interessanter für ihn. Es macht dich nicht nur wach wie Kokain oder Speed, sondern verbessert deine Stimmung, ähnlich wie Ecstasy, „macht dich happy und geil“, wie er es formuliert. Der Zugang dazu war damals auch noch einfach, man konnte es bis zur Einführung des Neue-Psychoaktive-Substanzen-Gesetzes legal im Internet bestellen. Er bestellte sich gleich einen größeren Vorrat, von dem er jahrelang zehrte, das „Zeug“ war damals vergleichsweise rein und spottbillig.
Etwa zwei Jahre nach dem ersten Ecstasykonsum gab es kein Ausgehen ohne Drogen mehr. Die intensivsten Wochenenden waren immer auf Festivals im Ausland, wo sich bald der Tagesrhythmus umgestellt hatte. Schlafen bis nachmittags, abends auf eine oder mehrere Partys, immer in Verbindung mit Mephedron und/oder anderen Substanzen. Am Ende der Nacht ging es auf eine Afterparty im Club oder bei jemandem zu Hause, wo noch gechillt, getanzt, gekifft, in der Sonne gelegen und gefummelt wurde. Am Ende der Nacht hatte er Sex mit jemandem, den er sich während des Abends ausgesucht hatte. Zumeist für mehrere Stunden, etwas, das in dieser Intensität ohne Drogen nicht möglich sei. Manche dieser „Partynächte“ dauerten 24 Stunden, samt intensivsten sexuellen Erlebnissen mit den attraktivsten Männern.
Über zwei bis drei Jahre betrieb er dies sehr intensiv, manchmal mehrere Wochenenden in Folge. Mephedron war sein „Grundnahrungsmittel“ beim Ausgehen, dazu nahm er andere Drogen wie GHB oder Ketamin, je nachdem, was gerade aus einer relativ sicheren Quelle verfügbar war. Eine gewisse Ernüchterung folgte jedoch immer am nächsten Tag. Die Männer, die am Vortag noch so attraktiv wirkten, waren es bei genauerer Betrachtung gar nicht immer. Sie fanden einen selbst am nächsten Tag oft auch nicht mehr so toll wie noch am Vorabend. Bei manchen beruhte dies auf Gegenseitigkeit, bei manchen kratzte das aber am Selbstwert und frustrierte, wenn die schönen Erlebnisse nicht nachhaltig, sondern sehr schnell vergänglich waren.
In dieser Zeit gab es auch eine Vielzahl besonders lustiger oder geiler Erlebnisse, die ihm noch gut in Erinnerung sind. Wie einmal, als er nach der Pride5 mit einem deutschen Notarzt und dessen Partner ins Hotel ging, um noch Sex zu haben. Die beiden spritzen sich Ketamin mit sterilen Einwegspritzen intramuskulär, etwas, das er noch nie zuvor gemacht hatte. Nachdem er sich eine Weile angesehen hatte, wie das bei den beiden wirkte, ließ er sich auch eine halbe Dosis spritzen, unter „ärztlicher Aufsicht“ quasi. In Kombination mit dem zuvor konsumierten Mephedron führte dies zu einem der sexuell intensivsten Erlebnisse, die er je hatte. Dennoch würde er es nicht wiederholen, sich etwas zu injizieren ist noch einmal eine andere Liga des Konsums, da ist doch eine psychische Schranke bei ihm vorhanden.
Aber es gab auch ungute Erfahrungen, er erlebte Menschen auf Afterpartys, die GHB überdosiert hatten, krampften, von Freunden gestützt werden mussten, weil sie nicht mehr stehen konnten. Ihm selbst ist das nie passiert, auch weil er immer sehr auf Risikobeschränkung bedacht war. Beim Konsum von GHB sah er stets genau auf die Uhr, um zu kontrollieren, wann er wieder „nachlegen“ konnte, achtete generell und bei allen Substanzen darauf, die ihm „empfohlenen“ Dosen nicht zu überschreiten und immer nur Drogen von Menschen zu nehmen, die diese zuvor selbst auch probiert hatten. Die Ausnahmen davon kann er an einer Hand abzählen. Auch beim Mischkonsum war er sehr vorsichtig, so waren GHB und Alkohol zusammen für ihn tabu, auch wenn ihm andere erzählten, dass sie das regelmäßig problemlos machten. Weitergabe oder das Kontaktieren eines Dealers waren ebenfalls ausgeschlossen, die Angst, mit dem Gesetz in Konflikt zu kommen, war zu groß. Mit Ausnahme des noch legal übers Internet erworbenen Mephedrons bezog er sämtliche Substanzen immer nur über Freunde. So war der Konsum für ihn relativ risikoarm, dennoch kam es nach einer Zeit zu einem Erlebnis, das ihm klarmachte, dass es nicht ewig so weitergehen konnte.
Sein damaliger Freund betrieb den Drogenkonsum sehr exzessiv, jedes Wochenende intensives Ausgehen und Konsumieren, langes Unterwegssein mit Afterpartys und Sex. Nach einem halben Jahr hatte er sechs Kilo abgenommen, fühlte sich kaputt und ausgelaugt. Obwohl er seinen Freund sehr liebte, machte er tränenüberströmt Schluss. Er hielt das intensive Drogenleben nicht mehr aus, die Trennung tat ihm sehr weh, war aber aus Selbstschutz notwendig. Dieses Erlebnis öffnete ihm ein wenig die Augen, so wollte er es jedenfalls nicht haben, weniger ist mehr. Von diesem Zeitpunkt an plante er seine Partys genauso wie die Pausen dazwischen. Wochenenden am Land mit Freunden, Radausflüge oder Kinoabende hatten genauso Platz wie hin und wieder ein Partywochenende mit Drogen und Sex.
So wurden der Konsum und die intensiven Partys immer weniger, dazu kam eine gewisse Ambivalenz. Die Erlebnisse waren toll, aber auch nicht mehr so neu wie zu Beginn, der Kater an den drauffolgenden Tagen war unangenehm, die Vergänglichkeit der Erlebnisse ihm immer bewusster. Irgendwann merkte er, dass ihn das auf Dauer nicht weiterbrachte. Rückblickend bereut er nichts von dem, was er getan hat, das Risiko war für ihn tolerabel und die Erlebnisse toll und einzigartig. Irgendwann aber nützt sich alles ab und andere Dinge werden wichtiger. Alles hat seine Zeit, wie er gerne sagt.
Derzeit lebt er in einer sehr liebevollen Beziehung, was ihm insgesamt mehr Befriedigung