Darky Green. Adrian Plass
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Okay, Du brauchst es nicht zu sagen – ich weiß, ich schreibe dummes Zeug. Und ich weiß auch, warum: Weil ich mich eigentlich gar nicht wirklich mit dem auseinandersetzen möchte, was heute im Zug passiert ist. Die Frage ist, wenn ich die ganze Sache jetzt in Worte auf diesem Bildschirm fasse, wird es mir dann besser oder schlechter gehen? Das weiß ich einfach nicht. Ich habe nicht die leiseste Ahnung. Ich habe wirklich große Angst, Lance. Und ich glaube, das Schlimmste für mich ist, dass alles so verdammt verrückt war. Wenn irgendetwas Scheußliches, Furchtbares passiert, ist das unangenehm genug, aber normalerweise lässt es sich immerhin noch in das vertraute alte Puzzle des menschlichen Verhaltens einordnen.
Hitler meinte, er hätte gute Gründe dafür, in Polen einzumarschieren.
Stalin lächelte für die Fotografen.
Oder, um nicht ganz so weit abzuschweifen, ein Junge namens James Foley, der zwei Jahre älter war als ich, tyrannisierte mich immer in der Schule und nahm mir fast jeden Tag meine Pausenbrote weg. Habe ich dir je von ihm erzählt? Meiner Mutter jedenfalls nie. Er sagte, er tue das, weil ich ihm in der ersten Woche des Schuljahres auf dem Schulhof »frech gekommen« sei. Tag für Tag machte er mir das Leben zur Hölle, aber selbst dieser Kerl hielt es für seine Pflicht, seinen Untaten irgendeine moralische Rechtfertigung überzustülpen.
Nein, das Problem mit dem, was heute passiert ist, besteht darin, dass es nicht nur scheußlich und furchtbar war, sondern auch ganz und gar unbegreiflich. Es hatte nichts zu bedeuten und hat doch alles verändert. Grauenhafte Ereignisse, die nicht den geringsten Sinn haben, sind der Stoff, aus dem die Albträume sind; so war es zumindest bei mir immer. Und aus Albträumen wacht man wieder auf, nicht wahr, Lance? Nach allem, was ich weiß und was Du im Laufe der Jahre erzählt hast, hast Du es immerhin geschafft, aus allen Deinen Albträumen aufzuwachen, und ich weiß, dass ein paar wirklich schlimme dabei waren. Bisher hatte ich auch das Glück, aus allen meinen wieder aufzuwachen. Gott sei Dank dafür!
Aber da ich ja gar nicht schlafen konnte, befinde ich mich immer noch in meinem wachen Albtraum und kann auch nicht daraus aufwachen. Tut mir leid – ich fange an zu faseln. Das, was heute Nachmittag im Zug passiert ist, war kein Traum. Ich sage Dir, Lance, es hat mein ganzes Wesen durch und durch gerüttelt, vom Geist bis zu den Knochen. Es ergibt nicht den geringsten Sinn, und trotzdem ist es wirklich passiert.
Ich höre jetzt mal kurz auf, um ins Bad zu gehen. Zum Glück ist es gleich nebenan. Da ich kein Amerikaner bin, sollte ich hinzufügen, dass ich bei der Gelegenheit wahrscheinlich auch gleich auf die Toilette gehen werde. Wenn ich wieder da bin, werde ich mich vielleicht dazu durchringen können, über das zu schreiben, was im Zug passiert ist. Vielleicht auch nicht.
Geh nicht weg. Ich weiß, du bist gar nicht da, aber – geh einfach nicht weg.
Bin wieder da. War im Bad. Ein paar der Fußbodendielen unter dem Linoleum haben sich etwas gelockert. Wenn man das Gewicht darauf auch nur leicht verlagert, knarren und ächzen und stöhnen sie. Ich weiß genau, dass das Geräusch, das diese Dielen von sich geben, wenn man darauf tritt, im Wohnzimmer unter mir noch lauter zu hören ist als hier oben. Ich schätze, das ganze Zimmer unten wirkt wie ein riesiger Verstärker.
Über das, was jetzt kommt, wirst Du bestimmt lachen. Na ja, ein bisschen.
Während ich eben im Bad war, habe ich mich mehr bewegt, als eigentlich nötig gewesen wäre, damit, falls sich irgendwelche Einbrecher unten zu schaffen machen, sie merken, dass jemand wach ist und möglicherweise gleich hinunterkommen und sie stören wird. Ja, ja, ich weiß, wie paranoid sich das alles für jemanden anhört, der noch alle Tassen im Schrank hat, aber nach den heutigen Ereignissen bin ich randvoll mit einer Furcht, die sich nicht in Worte fassen lässt. Hört sich melodramatisch an, was?
Ich habe mich schon oft gefragt, wie ich damit umgehen würde, wenn ich einmal mit echter Gewalttätigkeit konfrontiert wäre. So richtig begegnet ist sie mir bisher kaum, aber durch das Fernsehen und die Zeitungen und so ist mein Kopf ständig voll davon. Wie würde ich damit klarkommen? Was ist angreifbarer, mein Stolz oder mein Körper? Was meinst Du? Wie würdest Du damit fertig werden?
Während der letzten paar Stunden habe ich im Geist eine ganze Palette von Szenarios durchgespielt. Bei einem davon spielt das Telefon eine Rolle. Ich weiß nicht, ob Du Dich erinnerst, aber ich habe ein Telefon auf einem der Regalbretter des Bücherschranks neben der Tür in meinem Schlafzimmer stehen. Ich habe über etwas nachgedacht, was mir um diese Uhrzeit in dieser Nacht geradezu lebenswichtig erscheint. Falls ich irgendwann in den frühen Morgenstunden jemanden unten in mein Haus einbrechen hören würde, wie geschickt und effektiv würde ich mich eigentlich dabei anstellen, wenn ich das Telefon da drüben benutze? Ich meine, wäre es zum Beispiel besser, jede Menge Lärm und Radau zu machen, wenn ich die Polizei anrufe, oder wäre es vernünftiger, so leise wie möglich in die Muschel zu flüstern?
Ob ich nun schreie oder flüstere, auf jeden Fall wäre es ratsam, mir meine Darstellung des Geschehens vorher sorgfältig zurechtzulegen, um der Polizei in der kürzestmöglichen Zeit so viele Informationen wie möglich geben zu können. Da stimmst Du mir zu, nicht wahr? Ich meine, mich aus einschlägigen Fernsehsendungen im Laufe der Jahre daran zu erinnern, dass konkrete persönliche Angaben in solchen Fällen so ziemlich das Wesentliche schlechthin sind. Das muss wohl auch so sein, oder? Ich meine, was hätte es für einen Sinn, unzusammenhängendes Zeug darüber zu faseln, was gerade passiert, wenn die Person am anderen Ende nie die Adresse zu hören bekommt, wo die Hilfe benötigt wird? Gar keinen natürlich. Nun, ich glaube, ich bin so weit, dass ich die Mitteilung auf die wesentlichen Punkte zurechtgetrimmt habe. Ich habe es sogar einstudiert. Folgendes würde ich sagen, glaube ich.
»Hallo, mein Name ist Thomas Crane, C-R-A-N-E. Ich wohne in Nr. 5 Shropshire Gardens, Lanworth, einem der Häuser, deren Rückseite an den Schulhof grenzt. Das ist der Abzweig nach rechts gleich vor der Esso-Tankstelle an der Straße nach London, wenn Sie von Swanbridge hereinkommen. Mein Haus ist das dritte auf der linken Seite. Im Vorgarten steht so ein rot angestrichener alter Pflug als Dekoration. Ich rufe an, um Ihnen zu sagen, dass ich aus dem Erdgeschoss beunruhigende Geräusche höre. Ich glaube, ich habe Einbrecher im Haus. Könnten Sie bitte jemanden vorbeischicken, um nach dem Rechten zu sehen? Vielen Dank.«
Was könnte ich noch hinzufügen oder weglassen? (Lächerlicherweise habe ich tatsächlich mit dem Gedanken gespielt zu erklären, dass der Pflug nichts mit mir zu tun hat, sondern noch aus der Zeit stammt, als ich zusammen mit meinen Eltern in Lipsham wohnte, und dass ich ihn bei meinem Umzug mit hierher geschleppt habe, weil ich sonst nichts damit anzufangen wusste.) Vielleicht würde ich auch fragen, was der Mann oder die Frau am anderen Ende der Leitung meint, dass ich tun sollte, während ich warte. Mein innigster Wunsch ist, dass ich dann streng angewiesen würde, ja befohlen bekäme, oben zu bleiben und unter keinen Umständen den Eindringlingen entgegenzutreten. Dann würde ich widerstrebend versprechen, vernünftig zu sein.
Warum schreibe ich diesen ganzen Blödsinn, Lance? Ich weiß, warum. Es liegt an der Zugfahrt heute. An dem, was im Zug passiert ist. Ich weiß nicht, ob ich je wieder werde schlafen können.
Nun gut. Tief Luft holen. Noch einmal tief Luft holen. Sauerstoffmangel herrscht in meinen Lungen heute Nacht jedenfalls nicht! Folgendes ist passiert. Dadurch, dass ich darüber schreibe, werde ich ja wohl kein zweites Ereignis dieser Art heraufbeschwören, oder? Nein, Tom, verdammt noch mal, jetzt hör auf, dich so blöde anzustellen.
Ich war oben in Cumbria, um meine