Darky Green. Adrian Plass

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Darky Green - Adrian Plass

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Blut und Schmerz, schon immer gegraut hat. Das geht mir bis heute so. Wenn es aber um eine andere, möglicherweise sogar gefährlichere Art von Kampf ging, war ich offenbar nicht von derlei Skrupeln geplagt.

      Ich ließ das Lächeln auf meinem Gesicht, zog es vielleicht sogar noch etwas in die Breite. Kann sein, dass ich es darauf anlegte, so auszusehen wie der Lächler heute im Zug.

      »Warum bleiben wir nicht hier drinnen und machen stattdessen einen Intelligenztest«, sagte ich und versuchte dabei eine träge, sarkastische Gelassenheit auszustrahlen, die ich nicht im Mindesten empfand. »Dann kann ich noch sicherer sein, dass ich gewinne, und als zusätzlichen Bonus habe ich hinterher keine Last damit, mir dein ekliges Mutantenblut von den Knöcheln zu waschen.«

      Beinahe wäre er vor Wut in Tränen ausgebrochen. Ich glaube, er weinte tatsächlich, in dem Sinne, dass sein Atem plötzlich in kurzen, krampfhaften Stößen ging. Wäre es möglich gewesen, so hätte er sich wohl am liebsten durch meine Haut in mich hineingebohrt, sich umgedreht und mich von innen her zu Klump und Asche geschlagen. Stattdessen trat er einen halben Schritt zurück, holte mit dem Kopf aus wie eine Schlange kurz vor dem Zubeißen, machte ein scheußliches Geräusch in seiner Kehle und ließ dann seinen Kopf vorschnellen, um mir mitten ins Gesicht zu spucken.

      War ich froh, dass ich nur mit geschlossenem Mund lächelte.

      Das meiste von dem klebrigen Speichel traf mein Kinn und tropfte dann mit einem zäh klatschenden Geräusch auf mein Hemd. Ich wusste genau, was ich in diesem Moment am liebsten getan hätte. Ich spüre den Impuls wieder ganz frisch, während ich dies schreibe. Es juckte mich regelrecht, mit dem Arm auszuholen und ihn dann um hundertachtzig Grad mit solch donnernder, gezielter, keulenhafter zentrifugaler Wucht gegen die Seite seines kleinen Frettchenkopfes zu schwingen, dass sein ganzer Körper wie ein Propeller durch den Raum segeln und durch die Tische und Stühle poltern würde, bis er gegen die Wand krachen und zu Boden gleiten würde wie ein nutzloser, toter Gegenstand, der kaputtgegangen war und weggeworfen wurde.

      Das tat ich aber nicht, Lance. Zu meiner Schande muss ich sagen, dass ich nicht einmal dazu genug Freundlichkeit oder genug Spontaneität aufbrachte. Stattdessen verankerte ich meine rechte Hand sicher hinter meinem Rücken, schaute unverwandt in die aufgebrachten, seltsam flehenden Augen, mit denen er mich ansah, und lachte. Ich versuchte den Anschein zu erwecken, als ob ich es schon die ganze Zeit nur darauf angelegt hätte, von ihm bespuckt zu werden. Bewusst verzichtete ich sogar darauf, mir das eklige Zeug vom Kinn oder vom Hemd zu wischen. Ich lachte einfach nur lange und laut, um ihm dann achtlos den Rücken zuzukehren und mich wieder zu meinen Freunden zu setzen. Während ich mich setzte, kam mir freilich der Gedanke, dass Philip so außer sich vor Wut sein könnte, dass er imstande wäre, einen Stuhl zu nehmen und ihn auf meinem Kopf zu zerschmettern, aber es dauerte nur Sekunden, bis meine höchst amüsierten Begleiter mir zu erkennen gaben, dass er gegangen war. Ich selber hörte und sah nicht, wie er ging. Endlich konnte ich mir eine Serviette nehmen und mir den ekelhaften Schleim vom Kinn und vom Hemd abwischen. Du kannst Dir denken, dass die ganze Sache mich mehr erschütterte, als ich zeigen oder zugeben wollte, aber in dem Moment herrschte bei mir die Erleichterung vor, dass ich es geschafft hatte, mit intakter Würde davonzukommen.

      Was ich später noch von Philip Waterson weiß, habe ich von meiner Mutter erfahren, die in dem Dorf wohnen blieb, in dem ich aufgewachsen bin. Waterson hatte in dem Haus, in dem er ganz allein wohnte, Selbstmord begangen. Das war einige Jahre nach dem Vorfall mit dem verschütteten Kaffee. Man fand ihn aufgehängt an einem Haken über seiner Schlafzimmertür. Meine Mutter sagte, die Polizei hätte wegen des Gewichtes seiner Leiche vor der Tür ziemlich lange gebraucht, um hineinzukommen. Grauenhaft! Ich hatte eine ganze Weile lang Albträume davon. Nicht, wie ich hinzufügen sollte, weil ich ernsthaft gedacht hätte, es gäbe irgendeinen kausalen Zusammenhang zwischen seinem Tod und dem Vorfall im Café. Es war einfach der schiere Horror der ganzen Sache. Dass all die Enttäuschung und Einsamkeit und Trostlosigkeit ihr Ende damit fand, dass ein paar Schuhabsätze, mit hohlem Klang rhythmisch gegen eine Tür pochten, in einem Haus, wo es niemanden gab, der es hätte hören können; in einem Dorf, wo, so viel ich weiß, niemand Zeit, geschweige denn Liebe für den bitteren, frettchengesichtigen kleinen Philip übrig hatte. Durch das Nachdenken über Philip und diese vergangenen Geschichten hatte ich wieder ein paar Minuten meiner widerwärtigen Zugfahrt hinter mich gebracht. Ich schlug meine Augen wieder auf.

      Was immer die drei Männer vorhatten, es musste auf jeden Fall sehr bald geschehen, bevor der Zug sich seinem Zielbahnhof in London näherte und die Leute durch die Erste-Klasse-Waggons nach vorne gehen würden, um hinterher nicht so weit durch das Gedränge auf dem Bahnsteig zu müssen. Das Trio würde doch sicher nichts Extremes mit mir anstellen wollen, wenn andere Leute in der Nähe waren, oder? Während die Minuten quälend langsam verstrichen, machte ich mich auf den Moment gefasst, in dem alle drei auf einen Schlag aufstehen und mein Gesicht und meinen Körper mit ihren Betonfäusten bearbeiten würden, um dann meine Überreste unter den Tisch zu stopfen, wo kein Passant mich sehen konnte.

      Es geschah einen Sekundenbruchteil, nachdem die Stimme des Schaffners alle Passagiere darüber informiert hatte, dass der Zug sich seiner Endstation näherte. Als wäre das Ende dieser Ankündigung eine Art abgesprochenes Signal gewesen, standen die drei Männer tatsächlich alle genau gleichzeitig von ihren Plätzen auf. Vor Schreck zuckte ich am ganzen Leib zusammen, als hätte ich eine Stromleitung angefasst. Dann, mit noch präziserer Synchronisation, wie es mir vorkam, griffen sie jeder mit der rechten Hand in die hintere Hosentasche. Ein entsetzlicher Augenblick. Ich dachte wirklich, ich würde auf der Stelle in Ohnmacht fallen oder mich erbrechen. Als die drei Hände wieder auftauchten, fuhr ich wirklich körperlich zusammen, glaube ich – nein, ganz sicher. Das ist noch milde ausgedrückt. Ich schoss fast senkrecht von meinem Platz hoch. Beinahe hätte ich laut geschrien. Pistolen, Messer, Totschläger, Schlagringe, nichts von alledem hätte mich überrascht. Aber was sie tatsächlich aus ihren Taschen zogen, war nichts dergleichen. Ohne auch nur ein Wort zu flüstern, ohne mich auch nur eines Blickes zu würdigen, legte jede dieser Mördergestalten eine Pfundmünze vor mir auf den Tisch.

      Dann gingen sie.

      Ohne auch nur einen verstohlenen Blick zurückzuwerfen, schlenderten sie auf das vordere Ende des Zuges zu. Ich starrte ihnen nach. Dass sie wirklich weg waren, wagte ich kaum zu glauben. Ich wartete ab, bis ihre breiten Rücken und ihre schweren, muskelbepackten Beine durch den sanft schwankenden Zug in den nächsten Waggon verschwunden waren; dann sank mein Blick fassungslos wieder auf den Tisch herab. Die Männer waren weg. Ich war nicht angegriffen oder zusammengeschlagen worden. Sie hatten mich nur vor Angst um den Verstand gebracht und mir dann drei Pfund hinterlassen. Mir wurde bewusst, dass mir der Mund weiter offen hing, als es bei meinem kürzlich verstorbenen Nachbarn der Fall gewesen war. Ich machte ihn zu und dann wieder auf, um einen tiefen, tiefen Atemzug zu tun. Durch aufgeblasene Wangen ließ ich die Luft wieder ausströmen. Waren sie wirklich weg? Ja. O Seligkeit! Sie waren weg.

      Bei jedem Ausatmen sagte ich innerlich diese Worte. Sie sind weg. Sie sind weg. Sie sind weg …

      Plötzlich war die Welt um mich her wieder normal geworden. Ich war ein Mann, einer von vielen, in einem Zug, der das Ende seiner Reise aus dem Norden Englands nach London erreicht hatte. Gleich (noch nicht, aber gleich) würde ich aufstehen, meine Reisetasche von der Gepäckablage hieven und mich dem Strom der Reisenden auf dem Weg hinauf in die große, belebte Bahnhofshalle anschließen. Gleich. In einer oder zwei Minuten, wenn alle anderen ausgestiegen waren.

      Drei Pfundmünzen also. Ein Trinkgeld? Dummes Zeug. Eine Falle? Ein Test? Auf jeden Fall ein Beweis dafür, dass jene drei Männer es bewusst darauf abgesehen hatten, mit ihrem eigenartigen Verhalten eine Wirkung bei mir zu erzielen. Es war kein Versehen oder irgendein naiver Irrtum gewesen. So sinnlos und irrational ihr Verhalten erschienen war, Lance, irgendetwas hatte es offensichtlich zu bedeuten. Und jetzt galt es, eine Entscheidung zu treffen. Sollte ich das Geld mitnehmen oder liegen lassen? Ich erinnerte mich dunkel an die Psychologie der verdrehten Logik, die in der Schule immer dahintergesteckt hatte,

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