Darky Green. Adrian Plass
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Als ich heute Morgen am Bahnhof ankam, um die Rückfahrt anzutreten, beschloss ich, mir etwas zu gönnen. Erzähl Beth bitte nichts davon. Sie würde nur den Kopf schütteln und mit der Zunge schnalzen. Es gab da ein richtig gutes Sonderangebot für Plätze in der ersten Klasse, und ich fahre einfach gern erster Klasse. Es ist wie ein heimliches Laster. Dafür zahle ich auch gern ein paar Pfund mehr als normalerweise. Eigentlich finde ich gar nicht, dass die Sitze so viel bequemer sind, aber größer sind sie auf jeden Fall, und nicht so hässlich; und meistens hat man einen von diesen schönen, großen Tischen mit der glatten Oberfläche für sich allein. Da kann man dann die Zeitung über den ganzen Tisch ausbreiten und gemütlich lesen oder dösen und sich vielleicht im Bistro einen Kaffee und einen Möhrenkuchen holen.
Meistens kriege ich dann ein bisschen die Krise, während ich auf dem Bahnsteig darauf warte, dass der Zug zum Stillstand kommt. Die Aussicht auf so viel Behaglichkeit scheint mir irgendwie zu schön, um wahr zu sein. Und dann weht eine Brise der Entspannung und Erleichterung durch mein ganzes winziges Universum, wenn ich in den Zug steige und entdecke, dass doch alles in Ordnung ist. Das kleine Wunder passiert tatsächlich wieder. Manchmal ist das Wunder auch gar nicht so klein. Mir ist es schon mehr als einmal passiert, dass ich einen ganzen Waggon für mich hatte. Einen ganzen Waggon, Lance! Das ist schon ein großes Wunder. So etwas finde ich großartig. Und heute war es wieder so. Die erste Klasse des Zuges war praktisch leer und in den beiden Waggons, die am weitesten vom Bistro entfernt waren, war keine Menschenseele zu sehen. Glücklich setzte ich mich auf einen Fensterplatz in Fahrtrichtung an einem Tisch in der Mitte eines dieser leeren Waggons. Besser hätte es nicht sein können. Ich entfaltete die Zeitung, die ich mir zum Lesen mitgebracht hatte, und breitete sie auf der Tischplatte vor mir aus. Meine Fahrkarte legte ich fein säuberlich daneben, um sie zur Hand zu haben, wenn der Schaffner kommen würde. Dann lehnte ich mich in meinem Sessel zurück und schloss die Augen. Oh Seligkeit! Ich sage Dir, Lance, das ist einfach ein herrlicher Augenblick – oder das war es bisher.
Ich hatte die Augen immer noch geschlossen, als der Zug langsam aus dem Bahnhof rollte. Ein weiterer Vorzug dieser Erste-Klasse-Waggons ist, dass sie offenbar einen sehr effektiven Schallschutz haben. Ist Dir das schon einmal aufgefallen? Die Beschleunigung gleicht eher einem leisen, weichen Gleiten als dem normalen, vulgären Geholpere. Fast einschläfernd. Noch während der Zug Geschwindigkeit aufnahm, driftete ich in jenen angenehm schwebenden, formlosen Geisteszustand zwischen Schlafen und Wachen, in den einen eine solche rhythmische Bewegung versetzen kann. Dennoch muss mir undeutlich bewusst gewesen sein, dass wenig später eine oder mehrere andere Personen aus Richtung des Bistros in meinen Waggon gekommen waren, denn ich öffnete meine Augen einen winzigen Spalt weit und schob das letzte, köstliche Versinken in der Bewusstlosigkeit noch einen Moment hinaus, um sie zu beobachten, während sie an meinem Tisch vorbeigingen.
Es waren mehrere Personen, nicht eine. Sie waren zu dritt. Und sie gingen nicht an meinem Tisch vorbei.
Versetze Dich bitte in meine Lage, Lance. Stell Dir vor, wie eigenartig das war, was als Nächstes geschah. Der Rest meines Erste-Klasse-Waggons war völlig unbesetzt. Der nächste Waggon vor uns war gänzlich leer. Das heißt, diese Neuankömmlinge, wer immer sie waren, hatten ungefähr – ich weiß nicht – fünfzig oder sechzig Sitzplätze zur Auswahl. Fensterplätze, Gangplätze, Tischplätze, Liegesitze im Flugzeugstil, Sitze gegen die Fahrtrichtung, Sitze in Fahrtrichtung, überall hätten sie sich niederlassen können.
Doch sie beschlossen, sich zu mir zu setzen.
»Sind die frei?«, fragte einer von ihnen barsch und ohne Lächeln und deutete mit einer Handbewegung auf die drei leeren Plätze an meinem Tisch.
Während ich mich wieder zu vollem Bewusstsein aufrappelte, zappelte ich ein bisschen herum und verfiel dann in einen jener Ausbrüche hektischer Höflichkeit, die Du ja von mir kennst, rutschte völlig unnötigerweise näher ans Fenster, stauchte meine Zeitung zusammen, bis sie weniger als ein Viertel der Tischfläche einnahm, und steckte meinen Fahrschein in eine Seitentasche meiner Jacke.
Ich höre Dich schon die naheliegende Frage stellen. Warum habe ich denen nicht vorgeschlagen, sich einen eigenen Tisch zu suchen? Lance, ich konnte es nicht. Ich weiß, das ist jämmerlich. Ich brachte es nicht fertig. Selbst in meinen besten Momenten hätte ich das vermutlich nicht hingekriegt, und dies war keiner von meinen besten Momenten. Dies war einer meiner scheußlichsten Momente. So grobe, hässliche, raue Männer wie diese drei habe ich selten gesehen. Mir sank das Herz bis in die Kniekehlen, als ich sie zu mustern versuchte, ohne den Anschein zu erwecken, als starrte ich sie an. Ich werde versuchen, sie Dir zu beschreiben.
Ich fange mit dem an, der sich auf den Eckplatz am Fenster mir gegenüber setzte. Er muss wohl Ende fünfzig gewesen sein – ich bin nicht sehr gut darin, das Alter von Leuten zu schätzen. Seine Schultern waren enorm und seine Arme schienen es darauf anzulegen, aus den Nähten seiner abgewetzten, verblichenen Jacke, die gut und gerne zwei bis drei Größen zu klein für ihn war, zu platzen. Sein Gesicht unter den dünnen, krausen, grauen Haaren sah aus wie eine große Scheibe verfärbten Fleisches. Die Haut war von Pockennarben und anderen Narben durchzogen. Eine seiner riesigen Hände lag auf dem Tisch. Die knorrigen Finger sahen aus, als wären sie imstande, einem normalen menschlichen Wesen – mir zum Beispiel – ohne die geringste Anstrengung das Leben auszuquetschen.
Die anderen beiden waren ebenso gewaltig, aber auf andere Art. Sie waren beide jünger. Der Mann, der sich auf den Sitz neben mir gequetscht hatte, hatte ein dunkles, falkenähnliches Gesicht und struppige schwarze Haare, die er mit Gel nach hinten gekämmt hatte, bis kurz über dem Mantelkragen, wo sie kreuz und quer endeten. Alles voller Schuppen. Er kauerte mit nach vorn hängendem Kopf auf seinem Sitz; sein Unterkiefer stand etwas offen und die feuchte, fleischige Unterlippe ragte vor, als steckte er für immer in jenem schrecklichen, halb gelähmten Zustand fest, in dem man nicht genau weiß, ob man sich tatsächlich erbrechen wird oder nicht, aber damit rechnet und sich wünscht, es wäre schon vorbei. Diese Unterlippe war viel zu feucht und rot. Sie glänzte.
Fängst Du schon an, Dir zu wünschen, Du wärst dabei gewesen? Ich kann Dir gar nicht sagen, wie sehr ich mir gewünscht habe, Du wärst da, und wie froh ich war, dass Du es nicht warst. Vor allem war ich erleichtert, dass Beth nicht da war.
Eigentlich war es der Mann gegenüber von dem Falkengesicht, der mir die meiste Angst einjagte, obwohl er nicht auf die knorrige oder fettkloßartige Weise riesig war wie die beiden anderen. Er war ein ganzes Stück größer als sie und nicht so massig, aber sein Körper und seine Gliedmaßen waren lang und geschmeidig und sahen für mich irgendwie auf eine träge Art stark aus. Ein athletischer Riese. Aber es war das Lächeln auf seinem ebenmäßigen Gesicht, das mir Angst machte. Ich war mir ziemlich sicher, dass ich so ein Lächeln schon einmal irgendwo gesehen hatte, Lance. Ich nehme an, Du auch. Es war die Art Lächeln, die nicht das Geringste mit Humor, Freundlichkeit oder Liebenswürdigkeit zu tun hat. Es war die leicht verrückte, aber unangreifbare Miene eines Mannes, der nicht den leisesten Zweifel hat, dass er jeden Kampf oder Konflikt, in den er gerät oder sich bewusst begibt, für sich entscheiden wird. Es war das eisig heitere, triumphierende Feixen eines Mannes, der entdeckt zu haben glaubt, dass das endgültige, alles schlagende Argument selbst gegen den klügsten und geschicktesten Gegner darin besteht, ihm den Arm grausam zu verdrehen, bis er bricht, oder ihm den Kopf nach hinten zu ziehen, bis von der Wirbelsäule, auf der er sitzt, ein knackendes Geräusch zu hören ist.
Nichts