Darky Green. Adrian Plass
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Du kennst mich ja, Lance. Ich neige dazu, selbst das zu werden, was ich verabscheue. Fast immer bei den Gelegenheiten, wenn ich dieses Lächeln gesehen habe, hat in meinem Innern ein Kampf getobt. Ein Teil von mir möchte reden, erklären, argumentieren, möchte den Lächler davon überzeugen, dass man zwar, wie ein berühmter Mensch, dessen Namen ich nicht mehr weiß, einmal sagte, all diese menschlichen, feinsinnigen Dinge nicht braucht, um zu überleben, dass sich aber das Überleben nicht lohnt, wenn man sie nicht hat. Ein anderer Teil von mir möchte ihn mit dem Vorschlaghammer zu Boden schlagen, sich auf seine Brust knien und ihm so lange ins Gesicht schlagen, bis er mir endlich zustimmt, dass Einfühlungsvermögen und Zurückhaltung kostbare Tugenden sind.
Wie auch immer …
Sie saßen einfach da. Sie lasen nicht. Sie unterhielten sich nicht. Sie gingen weder ins Bistro noch auf die Toilette. Sie rührten sich überhaupt kaum. Sie machten nicht eine einzige bedrohliche Geste in meine Richtung. Das brauchten sie auch gar nicht. Der knorrige Typ gegenüber von mir trommelte hin und wieder mit fünf seiner zehn Cumberland-Würstchen einen Rhythmus auf der Tischkante, aber das war alles. Diese drei riesigen Männer waren einfach da, und ich saß auf meinem Eckplatz fest, unfähig, mich zu rühren. Das ist die schlimmste Form der Klaustrophobie. Mir blieb vor Angst fast der Atem weg. Und ich hatte einen ganz merkwürdigen Geschmack im Mund. In Geschichten ist manchmal von dem Geschmack der Furcht die Rede, kennst Du das? Ich fand das immer albern. Eine Erfindung der Schriftsteller, um ihre Geschichte ein bisschen auszuschmücken. Ist es aber nicht. Es gibt diesen Geschmack wirklich. Er ist beißend scharf, metallisch und ekelhaft – wirklich unangenehm. Ich lechzte nach etwas zu trinken.
Zu alledem kam, dass mir nach einer Weile nichts mehr einfiel, was ich mit meinem Gesicht anstellen konnte. Nach ein paar Minuten kam ich mir vor, als wäre mir die Furcht wie eine weiße Paste auf die Haut meiner Wangen geschmiert worden und dann erstarrt, sodass die Muskeln darunter nicht mehr richtig funktionierten. Ich tat so, als ob ich meine Zeitung läse, und gab mir alle Mühe, meine Fantasie im Zaum zu halten, aber ich konnte es nicht. Ständig gaukelte sie mir Szenen von abscheulicher, explosiver Gewalttätigkeit vor, in denen diverse meiner Körperteile mit grauenhafter, gefühlloser, mechanischer Gleichgültigkeit gepackt und umklammert und verdreht wurden.
Aber warum? Diese Frage stellte ich mir unentwegt. Was sollte das alles? Warum waren sie in meinen Waggon gekommen? Warum hatten sie sich an meinen Tisch gesetzt, wo ihnen doch noch so viele andere zur Auswahl standen? Waren sie mir gefolgt? Hatten sie vor, mich auszurauben? Gehörte das alles zu irgendeinem ausgeklügelten Plan? Waren sie von jemandem angeheuert, der mich hasste oder etwas von mir wollte? Aber wie konnte so etwas sein? In meinem Leben gab es nichts, was so eine Vermutung wahrscheinlich gemacht hätte; zumindest nichts, was mir bewusst gewesen wäre.
Was hatten sie wohl als Nächstes vor? Wie lange würde ich hier sitzen und mich beherrschen müssen, um nicht sichtbar zu zittern, bevor ich herausfand, was sie im Schilde führten? Ich lehnte meinen Kopf an und schloss die Augen, wie ich es als Kind oft tat, wenn ich im Bett lag und mitten in der Nacht von schrecklichen Gedanken geängstigt wurde. Vielleicht döse ich ja ein, sagte ich mir, und schlafe den ganzen Weg bis London. Nicht, dass ich wirklich daran geglaubt hätte, aber erstaunlicherweise taumelte ich nach ein paar Minuten tatsächlich in einen unruhigen, flachen, narkotischen Schlaf. Frieden brachte er mir allerdings nicht, was an den merkwürdigen Ereignissen in dem Traum lag, der dann folgte. Er war so grellbunt wie der Umschlag eines alten Kriminalromans.
Ich weiß, im Großen und Ganzen sind die Träume anderer Leute genauso notorisch langweilig wie die siegreichen Romméblätter anderer Leute, aber ich werde Dir trotzdem von meinem erzählen. In meinem Traum saß ich in einem gewöhnlichen, sonnendurchfluteten Wohnzimmer, hell und licht und in klaren, reinen Farben dekoriert. Wo ich war, wusste ich nicht; nur, dass ich mich dort befand, weil es etwas sehr Wichtiges zu tun gab. Ich musste mich um irgendetwas kümmern. Aber um wen oder was? Plötzlich wurde es mir bewusst. Natürlich! Wie hatte ich das vergessen können? Da war ein Baby. Ein Baby lag fest schlafend da drüben in der Wiege hinter dem Sofa. Darum ging es also. Man hatte mir ein kleines, zerbrechliches Baby anvertraut, und ich entdeckte in mir eine grimmige Entschlossenheit, meiner Aufgabe aufs Gewissenhafteste gerecht zu werden, welche Gefahren auch immer drohen mochten. Dieses unendlich wichtige kleine Lebewesen da drüben würde bei mir in Sicherheit sein. Dafür würde ich sorgen.
Dann schien ganz plötzlich ein Schatten über das ganze Zimmer zu fallen, ein finsterer Vorhang der Traurigkeit und des drohenden Unheils. Entsetzt schlug ich die Hand vor den Mund. Oh nein – ich hatte etwas vergessen. Irgendetwas ganz Entscheidendes hatte ich übersehen, eine Gefahr hier in diesem Zimmer, die das Leben meines kleinen Schützlings bedrohen würde, wenn ich nicht sofort handelte. Eine schreckliche Katastrophe rollte auf das neue Leben in jener Wiege zu, und ich musste dringend dahinterkommen, was es war, das ich versäumt hatte, um es zu beschützen. Aber ich kam einfach nicht darauf. Ich überprüfte die Tür. Verriegelt. Ich öffnete einen Hängeschrank an der Wand. Nichts darin, was gefährlich werden konnte. Schließlich drehte ich mich wie ein Kreisel in der Mitte des Zimmers und malte mir voller Panik aus, dass binnen Sekunden dieser unerkannte Unheilsbringer sich mein Versäumnis zunutze machen würde. Aber was in aller Welt …?
Ah! Das war es! Das Fenster! Das Fenster! Ich hatte das Fenster hinter dem Sofa vergessen. Es stand weit offen. Aber es war noch Zeit – es war doch sicher noch Zeit. Es würde nur Sekunden dauern, das Zimmer zu durchqueren und das Fenster zu schließen. Also los. Ich musste jetzt wirklich los. Ich musste meinen Fuß heben und nach vorn schwingen, um den ersten Schritt in diese Richtung zu tun. Mein Fuß und mein Bein fühlten sich unendlich schwer an, aber ich hatte keine Wahl. Ich musste dieses Fenster schließen!
Genau in dem Moment, als meine gelähmten Gliedmaßen plötzlich befreit waren, verdunkelte sich das Zimmer und etwas Lebendiges, Geschmeidiges füllte den Fensterrahmen aus, muskulös und schwer, aber gewandt auf dem Fensterbrett balancierend. Im nächsten Moment war die gelb-schwarze, sehnige Gestalt eines Leoparden über der Wiege. Der Kopf schoss hinab und tauchte mit dem Baby wieder auf, das nun nackt in seinen Zähnen hing. Nur einen einzigen, kläglich wimmernden Schrei stieß das hilflose kleine Ding aus. Bis ich am Fenster war und mich hinauslehnte, um in den dunklen Garten zu spähen, war nichts mehr zu sehen. Mit tränennassem Gesicht hob ich die Hand von der Fensterbank und starrte voll Grauen auf das klebrige Rot, das meine Finger und meine Handfläche bedeckte. Ein schreckliches, unverzeihliches Versagen. Ein entsetzlicher Verlust. Es war ein wichtiges Baby gewesen, ein unendlich wichtiges Baby.
Ich glaube, ich muss wohl einen kleinen unterdrückten Aufschrei von mir gegeben haben, als ich aufwachte. Der Leopard und das verlorene Baby waren nur ein beunruhigender Traum gewesen. Aber damit war ich nur aus einem meiner Albträume erwacht. Die drei Männer, die an meinem Tisch saßen, waren keine Albtraumgestalten. Sie waren beunruhigend real. Nichts hatte sich verändert, soweit ich sehen konnte. Keiner der drei schaute mich auch nur an. Was, fragte ich mich, würde wohl geschehen, wenn ich halb aufstehen und zu Mr. Pomade zu meiner Linken »Entschuldigen Sie mich« sagen würde? Würde er dann grunzend seine gewichtige Gestalt emporhieven und seinen Platz räumen, um mich hinaus auf den Gang zu lassen, sodass ich in die verlockende Geborgenheit der zweiten Klasse entkommen und mich in der Ecke einer doppelt verriegelten Toilette verstecken könnte? Vielleicht. Vielleicht würde aber auch der andere, der Lächler, mir folgen, wenn ich das täte, würde gemächlich, ohne jede Hast, durch den Zug schlendern und genau wissen, dass er mich, wo immer ich mich auch verstecken mochte, irgendwie aufspüren und mühelos meine Wirbelsäule verknoten oder mich durch ein Fenster auf die Gleise werfen würde.