Die Vier-in-einem-Perspektive. Frigga Haug
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Die Autoren sehen eine Überwachung des »Wohlstands« vor und ebenso eine, die den Wechsel in den Tätigkeitsarten einmahnt. Vorbilder sind der Human Development Report und Sozialpolitik. Ließe sich solches nicht für eine sozial gerechtere Gesellschaft ausarbeiten und erringen, statt Kontrolle zu befürchten, wo es jetzt unter dem Mantel der Freiheit äußerst ungerecht zugeht?
Es handelt sich zweifellos nicht um eine Neuauflage des Bündnisses für Arbeit, wie es derzeit zwischen Gewerkschaften, Regierung und Wirtschaft verhandelt wird. Vielleicht aber ist es näher an den Forderungen der Frauen und also auch näher an einer guten Gesellschaft, in der gerechter und demokratischer gelebt werden könnte?
Feministische Fragen
Ich prüfe im Folgenden unter feministischem Gesichtspunkt und setze dabei implizit voraus, dass die herkömmliche Weise, u. U. etwas mehr Lohn für die gebliebenen, zumeist männlichen Arbeiter zu erringen und im Übrigen die Gesamtentwicklung auf eine Katastrophe zutreiben zu lassen, kein Projekt ist, das irgendwo Frauenunterstützung verdient, aus ihm mithin kein Fortschritt zu gewinnen ist.
Ich habe vor 15 Jahren zum ersten Mal und seither kontinuierlich versucht, drei wichtige aktuelle Problematiken zu bündeln: den Rückgang an Erwerbsarbeit, die einseitige Verteilung der mit Familienarbeit/Reproduktionsarbeit benennbaren Bereiche und die Notwendigkeit einer politischen Gestaltung der Gesellschaft, die Einbeziehung aller als gesellschaftliche-politische-kulturelle Menschen. Meine Idee war eine Dreiteilung in Erwerbsarbeit, Reproduktionsarbeit und kulturelle/politische Arbeit. Als politische Losung inmitten der »Krise der Arbeitsgesellschaft« formulierte ich: Wir haben nicht zu wenig, sondern zu viel Arbeit (Haug 1985, 1986, 1986b). Später habe ich dies als Menschenrechte einzufordern versucht: Recht auf Arbeit (verstanden als Lohnarbeit), verpflichtendes Recht auf Arbeit an Zukunft – Sorge für Leben und Natur – und Recht auf Politik als Gesellschaftsgestaltung, und in allen Fällen ein Recht, alle diese Bereiche sich lernend anzueignen (u. a. Haug 1996). Daher bin ich auf der einen Seite erleichtert, dass mit dem Bericht an den Club of Rome solche Fragen offensichtlich geradezu im Mainstream Platz genommen haben, und gleichzeitig verwirrt, wie ähnlich und wie anders sie hier klingen.
Auf den ersten Blick ist die Beliebigkeit auffällig, mit der der Arbeitsbegriff beim Club of Rome erweitert und ergänzt ist. Während ich versucht hatte, meine Erweiterungsvorschläge an der gesellschaftlich notwendigen Arbeit und ihrer Verteilung zu orientieren, wird im Bericht alles aufgenommen, was Menschen überhaupt tun könnten. Maßstab ist die eigene Organisation des individuellen Arbeitslebens und die Aufnahme von möglichst viel nichtbezahlter Arbeit in die Lebensplanung. Diese Beliebigkeit fordert geradezu dazu heraus, sich moralisch zu erheben und das eine oder andere – etwa den Vorsitz in einem Kegelverein – für nicht so wichtig zu halten, weil ihm der Bezug auf das gesellschaftlich Notwendige fehlt. Diese Dimension, welche an Zukunft zu orientieren ist – also die Sorge für die nächste Generation ebenso einschließen muss wie die für die außermenschliche Natur – und an Gerechtigkeit – also auch die Völker in den Dritten Welten betrifft –, verschwindet im Club-of-Rome-Vorschlag im Markt der Möglichkeiten. Was geschieht, wenn man sie nachträgt?
Die Beliebigkeit betrifft alle einzelnen Bestimmungen. Sie ist gewonnen durch gezielte Weglassungen. So sind unter »nichtmonetisierten Tätigkeiten« »freiwillige oder wohltätige Arbeiten« (37) zur Aufwertung vorgeschlagen. Indem Absicht und guter Wille der solcherart Tätigen die Definition bestimmen, verschwindet der Sinn, den diese Tätigkeiten für Gesellschaft haben oder haben könnten. Im weiteren Begriff der »nichtmonetarisierten Tätigkeiten« – worunter auch alle unbezahlte Kinderbetreuung, Haushaltstätigkeiten etc. fallen – verschwindet der Skandal, dass die Gesellschaft es sich leistet, die Frage der Zukunft ins Abseits des »außerökonomischen Sektors« geschoben zu haben.
Beide – die nichtmonetisierten wie die nichtmonetarisierten Tätigkeiten – sollen auf einem Satellitenkonto (150) ebenso bilanziert werden, wie das Bruttosozialprodukt den Wohlstand einer Nation ausweist. Dieser Vorschlag ist nicht nur von der Hand zu weisen, jedoch problematisch. Einerseits werden politische Argumentationen für die Anerkennung und Aufwertung von Hausarbeit gestärkt, wenn man auf den »Wert« der unbezahlten Arbeit in diesen Bereichen verweisen kann. Andererseits gerät durch die »Erhebung« zeitintensiver Reproduktionsarbeit in den Rang von Lohnarbeit eine der Hauptproblematiken unseres Zivilisationsmodells aus dem Blick: dass die Lebensmittelproduktion im weiteren Sinn, die nach Profitgesichtspunkten reguliert ist, sich über das Leben erhoben hat, als sei dies nicht Ziel, sondern bestenfalls ein Absatzmarkt. Für die Frage der Diskussion und Durchsetzung solcher Vorschläge wie dem des Satellitenkontos bedeutet dies im Übrigen, dass wirkliche Zustimmung aus der Bevölkerung problematisch wird. Dem gesunden Menschenverstand scheint es eher ein Anschlag auf die Menschlichkeit, wenn man etwa vorrechnet, was das Aufziehen eines Kindes nach Tariflohn kosten würde, und fragt, ob dieses Produkt »Kind« dann auf irgendeinem Markt verkaufbar wäre, ob die investierte Arbeit sich also gelohnt habe. Befürchtet wird nicht nur von konservativer Seite, dass auf diese Weise nun auch »Liebestätigkeiten« entseelt würden, wenn man sie in Geld umrechnet. Die Nichtbezahlung von zeitintensiver Arbeit am Lebendigen ist nicht nur Gewohnheit und hat Tradition, sie ist nicht nur grundlegend für die Unterdrückung und Marginalisierung von Frauen, sie ist auch ein Hoffnungsposten in diesem Zivilisationsmodell, wo ansonsten nur zählt, was sich bezahlt macht, und durchfällt, was sich am Markt nicht bewähren kann.
Aber es geht im Bericht nicht nur dieser entscheidende Zusammenhang verloren. In der Leichtigkeit, mit der er die dominante Stellung der Lohnarbeit verabschiedet, wird die Rechnung gewissermaßen ohne den Wirt, ohne die Herren der Gesellschaft gemacht. In der Argumentation der Autoren taucht Lohnarbeit irgendwann in der Entwicklung der Arbeit (»plötzlich«, 90) auf; ihre Zeit scheint abgelaufen. Kein Gedanke wird verschwendet an die doppelte Verkehrung, welche die Form der Lohnarbeit anzeigt: dass hier auf gesellschaftlicher Stufenleiter privat gearbeitet wird, von Menschen, die frei genug sind, dies zu tun, und zugleich keine andere Möglichkeit haben, als ihre Arbeitskraft zu verkaufen, und dass dieser Zusammenhang die Entwicklung vorantreibt von Krise zu Krise, weil die Erzielung von Profit die Wirtschaftsweise regelt.
Damit wird fraglich, ob der Vorschlag tatsächlich hegemoniefähig ist, ob er also auf eine Massenzustimmung und eine Durchschlagskraft im Politischen rechnen kann. Vorläufig scheint es mir, als ob die eben aufgeführten Schwächen der Beliebigkeit und Gleichgültigkeit, die auf jede ethische Wertung verzichten und keinen Zwang auf individuelle Lebensweisen auszuüben scheinen, gerade die Stärken sind, die eine allgemeine Zustimmung hervorbringen können. Dies wird abgesichert durch das Versprechen eines existenzsichernden Einkommens, so vage dies auch im Einzelnen bleibt. Prüfen wir diesen Vorschlag für unsere reichen industriell entwickelten Gesellschaften, für die gleichwohl die »Krise der Arbeitsgesellschaft« ein brennendes Problem ist. Hier klingt die Vergewisserung von Selbstverwirklichung in Eigenarbeit oder im Hobby nicht gar so zynisch. Jedoch wird offensichtlich, dass »Selbstverwirklichung« als ganz individuelle Handlung gedacht ist, losgelöst von anderen und von Gesellschaft im Großen. Vereinzelt wählt jeder, ob er sich eher im Garten, im Kegelverein oder bei der Altenpflege verwirklicht. Er macht einen Lebensplan, wie er ein Menü zusammenstellt. Der gesellschaftliche Zusammenhalt wird ins Imaginäre geschoben.
Fazit
Die